Gedenktag in Unkengrund (1045) Teil 07: Andachten

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Chronik

2. Ingerimm 1045, zwischen zweiter Firuns- und Tsastunde
Nach der Begrüßung durch Gastgeberin Leanna Vialigh und Graf Arlan lädt der junge Traviageweihte Dilleachdan ui Geadh vom Traviaschrein in Tommeldomm zur Andacht.
Während der Andacht wird zusammen gesegnetes Wasser getrunken, ein Gänsegatter gefertigt und die Gänse gemeinschaftlich hinein gelockt. Der Abschluss ist ein Kanon.
2. Ingerimm 1045, ca. zweite Tsastunde
Dann richtet der Rondrageweihte Raidri Donnerschlag von Bockshag das Wort an die Versammelten.
Es folgt die Aufforderung zum symbolischen Zweikampf, um den Missmut zu tilgen. Talwen Vialigh kommt ihrer Mutter zuvor und fordert Ioric von Krähenfels, welcher die Forderung annimmt.
Nach einem einstimmenden Choral und Gebet, kämpfen die Duellanten bis aufs Erste Blut. Aus einem ausgewogenen Zweikampf geht letztlich Talwen als Siegerin hervor.
hinterher
Beide Streiter lassen ihre Blessuren bzw. die Verwundung von Ioric, vorsichtshalber von Heilerin Ceolwen Unkengrunder in deren Kate behandeln - also sie so unter sich sind kommen beide sich erneut nahe

Travia-Andacht

Reichung des gesegneten Wassers

Sodann ergriff Bruder Dílleachdan mit einer hellen, wohlklingenden Stimme das Wort. Entgegen seiner schmächtigen Gestalt war seine Stimme klar und trug sich ohne sichtbare Anstrengung weit:

"Willkommen, im Namen der gütigen Mutter Travia! Ihr mögt Euch fragen, warum wir uns unter freiem Himmel versammeln - wo doch Travia uns das wärmende Herdfeuer, das schützende Dach, die einladende Schwelle und die gastliche Tafel schenkt. … Nun, weil es gilt, ein gemeinsames Werk zu schaffen. Die hilfreiche Tat ist der Gütigen lieber als das gesprochene Gebet. Aber zuerst wollen wir uns erfrischen, denn es ist ein heißer und sonniger Tag."

Dabei hielt der Geweihte der Travia einen sichtlich ramponierten irdenen Krug in die Höhe.

"Dieser Krug ist nicht schön. Er hat vieles mitgemacht, ist angeschlagen, gesprungen, zerborsten gar. Aber er ist geflickt und gekittet, und man kann Wasser mit ihm schöpfen. Er verbirgt nicht, was in der Vergangenheit mit ihm geschehen ist, aber er ist tauglich für die Zukunft und erfüllt seinen Zweck.“

Dann drehte sich der Geweihte zur Gastgeberin um.

“Gute Frau Leanna! Sodenn ihr und drei Personen eurer Wahl zu mir finden mögt, werden wir gemeinsam diese Andacht eröffnen.“ Auffordernd sah er sie dabei an.

Währenddessen trat auch schon eine der Töchter Unkengrunds mit einem einfachen hölzernen Tablett an den Geweihten heran. Die 18-jährige Jenna Aherin, Tochter des Edelknechts und Waffengetreuen der Edlen, Ulfert Aherin, trug ihr strohblondes Haar geflochten und hochgesteckt. Ihr elfenhaftes Figürchen steckte in einem hellen Festtagskleid, das mit Blumenstickereien versehen war. Darüber trug sie eine orangefarbene Schärpe über der Schulter. Sie knickste sittsam vor dem nur wenige Jahre älteren Geweihten und präsentierte auf einem Tablett vier Becher, die ebenfalls jeder auf seine Weise angeschlagen aussahen.

Die Angesprochene überlegte nicht lange und bat Graf Arlan, Turon Taladan, den Vogt Tommeldomms, und Daeron Ildborn - letzter wohl in seiner Position als Truchsess Tommeldomms – mit ihr zu kommen. Jene drei Männern, denen die Loyalität der Edlen galt.

Währenddessen gingen gut zwei mal zwölf Gläubige durch die Reihen der Anwesenden, verteilten Trinkgefäße und schenkten ihrerseits Wasser aus. Dies waren Dörflern und Broch-Bedienstete, aber auch der eine oder andere adlige Gast. Als Andachtshelfer trugen sie alle orangefarbene Schärpen oder ein orangefarbenes Schultertuch oder andere Insignien der Travia. Allesamt waren handverlesen durch den Traviageweihten, der seit seiner Ankunft am gestrigen Tage für diese Aufgabe fleißig Mitwirkende gesucht hatte - auch im Zeltlager der Ritter. Viele Dörflern zückten eigene Becher.

Letztlich bekam jeder etwas zu Trinken in die Hand und nach einem gesungenen Gebet Bruder Dílleachdans tranken alle gemeinsam die erfrischende Gabe Travias.


Zitate:

„Ist nicht die Herrin Travia auch die Herrin der Eide? Es wäre mir daher eine große Ehre, wenn Ihr mit mir diese Andacht eröffnet.“
(Gastgeberin Leanna Vialigh Wappen haus vialigh.png, das Wort an Graf Arlan Stepahan, Turon Taladan und Daeron Ildborn gerichtet 2. Ingerimm, abends; zu Beginn der Travia-Andacht)


„Es ist klug von deiner Base, denen den Vorzug zu geben, denen sie durch ihren Lehenseid verpflichtet ist, statt jemanden aus der Familie zu wählen.“
(Edeldame Travialyn Vialigh Wappen haus vialigh.png zu ihrem Sohn Luran Falkraun, während sie der Wahl Leannas ihren Respekt zollt 2. Ingerimm, abends; zu Beginn der Travia-Andacht)


„Ja, da habt Ihr Recht, Mutter. Die Frauen in unserer Familie handeln stets umsichtig und wissen, wie man starke Bande knüpft.“
(Steinvasall Luran Falkraun zu seiner Mutter Travialyn Vialigh Wappen haus vialigh.png, auf deren Bemerkung hin, seine Base hätte sich weise entschieden, der Politk den Vorzug vor der Familie zu geben 2. Ingerimm, abends; zu Beginn der Travia-Andacht)


„Gütige Mutter Travia, segne diesen Trunk!“
(Seine Gnaden Dilleachdan Geweiht, bevor er geminztes Wasser an seine vier vor ihm stehenden Gäste ausschenkt 2. Ingerimm, abends; zu Beginn der Travia-Andacht)


„Schenk' Frieden, Travia / Versöhnung, Zuversicht / Und ein Heim uns allen!“
(Seine Gnaden Dilleachdan Geweiht, mit schöner Stimme und erhobenen Händen feierlich singend 2. Ingerimm, abends; zu Beginn der Travia-Andacht)


Fertigstellung des Gänsegatters

Nachdem alle getrunken hatten, fuhr auf ein Zeichen des Geweihten ein Pferdewagen vor, auf dessen Ladefläche mehrere Weidenkäfige standen, in denen es lebhaft schnatterte. Er hielt unweit eines Holzgatters neben der Festwiese, dem augenscheinlich noch das Gattertor fehlte, denn selbiges lag noch unfertig daneben im Gras. Bruder Dílleachdan lud alle ein, mit ihm dorthin zu kommen.

Diese zwölf Gänse, so Bruder Dílleachdan, seien ein Geschenk von Gwynna Farranar, der Gemahlin Yaron Ildborns, welche nicht hier sein könne, weil sie in traviagefälligen Aufgabe gerade anderswo weile. Und der Geweihte erklärte, dass Wohlgeboren Vialighs Aufgabe nun darin bestünde, zuerst das Gatter zu vollenden, damit es das neue Heim der Gänse werden könne. Dazu solle sich die Edle wieder drei Personen wählen, deren helfende Hände sie dabei unterstützten. Sogleich drückte er Leanna Vialigh auch schon einen Hammer in die Hand.


Zitate:

„Euer Gnaden, ich danke euch für die Ehre dieser Aufgabe und meiner lieben Nachbarin Frau Gwynna danke ich für dieses großzügige Geschenk. Jedoch möchte ich die Verantwortung darüber gerne mit den hier anwesenden Zöglingen teilen! Denn sie sind es, die sich an Gesten wie dieser und an Tage wie dem heutigen noch erinnern, wenn wir schon längst nicht mehr sind!“
(Gastgeberin Leanna Vialigh Wappen haus vialigh.png, an Bruder Dílleachdan Geweiht und die Umstehenden gewandt, den Hammer bereit in der Hand 2. Ingerimm, abends; bezüglich des Gattersbaus, während der Travia-Andacht)


„Ihr seid die Gastgeberin, Frau Leanna, und die Empfängerin dieses Geschenks. Und Euer Vorschlag ist wahrhaft im Sinne der Gütigen. Ihr Herdfeuer wird auch für unsere Kinder und Kindeskinder noch brennen.“
(Bruder Dílleachdan Geweiht erfreut, über den Vorschlag von Leanna Vialigh Wappen haus vialigh.png 2. Ingerimm, abends; bezüglich des Gattersbaus, während der Travia-Andacht)


„Ihr Mädchen und Jungen von adligem Geblüt! Unter euren fleißigen Händen soll der Gänse neues Heim entstehen! Ich habe ebenfalls vollstes Vertrauen in euch, unsere zukünftigen Ritterinnen und Ritter, dass unter euren wachsamen Augen und schützenden Armen alle Tiere gleichsam in ihr neues sicheres Zuhause finden. Geht einander zur Hand, steht euch bei und ergänzt euch - wie es notwendig sein wird, wenn die schlimmen Zeiten kommen werden.“
(Gastgeberin Leanna Vialigh Wappen haus vialigh.png, feierlich und nicht ohne Hintersinn, an die anwesenden Knappen und Pagen gerichtet 2. Ingerimm, abends; bezüglich der Mithilfe der adligen Zöglinge während der Travia-Andacht)


„Komm, kleine Iomhar, gib mir den Helm deiner Herrin und dann geh ihr helfen!“
(Edowain Vialigh Wappen haus vialigh.png, an Riondara Iomhar Wappen haus iomhar.png, die Knappin seiner Nichte gerichtet 2. Ingerimm, abends; bezüglich des Gatterbaus während der Travia-Andacht)


„Habt Dank Herr Edowain. Dann will ich mal sehen, wie sich die anderen so anstellen.“
(Riondara Iomhar Wappen haus iomhar.png, ruhig und respektvoll auf die Gänse zu schreitend, an Edowain Vialigh Wappen haus vialigh.png 2. Ingerimm, abends; bezüglich des Gatterbaus während der Travia-Andacht)


„Callean, der Aufruf deiner Frau Mutter gilt selbstredend auch für dich. Mit Ruhe und Beharrlichkeit gilt es diese Aufgabe zu meistern!“
(Johril Dragentrutz Wappen haus dragentrutz.png, zu seinem Schildknappen, an Callean Vialigh Wappen haus vialigh.png 2. Ingerimm, abends; bezüglich des Gatterbaus während der Travia-Andacht)


„Fûrwin, Hartudan. Los, kommt mit! Oder wollt ihr etwa warten, bis euch der Graf eine persönliche Einladung überbringen lässt?“
(Rovena Taladan Wappen haus taladan.png, mit schnippischem Zungenschlag, zu Fûrwin Falkraun Wappen haus falkraun.png und Hartudan von der Natter Wappen haus undefiniert.png 2. Ingerimm, abends; bezüglich des Gatterbaus während der Travia-Andacht)


„Nur zu, mein Sohn, so wie es dir der gute alte Bornwulf gezeigt hat.“
(Lûran Falkraun Wappen haus falkraun.png, aufmunternd, zu seinem Sohn Fûrwin Falkraun Wappen haus falkraun.png 2. Ingerimm, abends; bezüglich des Gatterbaus während der Travia-Andacht)


Es fanden neben ihrer eigenen Knappin auch noch einige andere ritterliche Zöglinge ein, die mit der Edlen von Unkengrund das Gatter des Pferchs vollendeten. Dabei zeigte das Oberhaupt des Hauses Vialigh abermals, dass sie sich nicht zu schade für niedere Arbeiten war und auch, dass sie auch über handwerkliches Geschick verfügte. Schnell waren Bretter aufeinandergelegt und mit kräftigen Hammerschlägen zusammengenagelt, die Scharniere für den Schwenkmechanismus angebracht und letztlich auch das fertige Gatter mit vereinten Kräften eingesetzt. Leanna ließ ihre Knappin prüfen, ob es auch gut auf und zu ging. Dann bedankte sie sich bei allen Mädchen und Jungen, die geholfen hatten und gab zum Abschluss dem Traviageweihten seinen Hammer zurück.

Gänselocken

Dieser brachte nun Futter - Getreideschrot und Wiesenkräuter, - mit dem nach und nach alle Gänse in ihr neues Heim gelockt werden sollte. Ein Ritual, welches bei Hochzeiten beliebt war. Die Symbolik, die auch hier zugrunde lag, wurde deutlich, als Bruder Dilleachdan die Anwesenden aufforderte, dass ein jeder, ganz gleich seiner Herkunft oder Vergangenheit, eingeladen sei, sich nützlich zu machen.

Leanna Vialigh trat mit freundlichem Blick an Rondirai Mardhur und deren Tochter Rondara heran. Die beiden waren schon seit etlichen Tagen ihre geschätzten Gäste und Leanna hatte die 6-jährige wie auch die Edle von Schartengras recht lieb gewonnen in dieser Zeit. Nicht zuletzt deshalb, weil die beiden Frauen ähnliche Schicksalsschläge teilten. „Liebes, möchtest du uns nicht helfen ein Gänslein ins Gatter zu locken? Hier hast du ein paar Kräuter. Heißt nicht der Wahlspruch des Hauses Taladan ‚Das was wir tun, zeigt wer wir sind‘? Also, versuch es ruhig.“

Die kleine Rondara, die mit dem dunkelblonden Haar und den bernsteinfarbenen Augen ihrem verstorbenen Vater sehr ähnelte, war im ersten Moment etwas schüchtern oder eingeschüchtert von den Gänsen, doch dann musterte sie ein etwas älteres Mädchen, das geschickt und voller Freude mit gutem Beispiel voran ging und ließ sich mitreißen. Immer wieder musterte die Kleine das Vorgehen der anderen und ahmte es dann relativ schnell nach. Sie quiekte laut, als eine der Gänse am Saum ihrer Tunika zog, woraufhin beide erschrocken auseinander stoben und das 'Spiel' wieder von vorne begann. Rondirai beobachtete ihre Tochter voller Liebe und Stolz und musste sich eingestehen, dass all der Trubel und Kontakt zu den anderen Kindern Rondara ganz offensichtlich gut taten. Sie würde noch bei dieser Feier mit Turon sprechen. Es war definitiv Zeit, die Pagenschaft zu beginnen und sie fand Tommeldomm dafür ausgesprochen geeignet.


Zitate:

„Nein, nein, das ist etwas für euch junge Leute, die ihr euch noch ohne Schmerzen bücken könnt.“
(die reife Edeldame Travialyn Vialigh Wappen haus vialigh.png, als sie gefragt wird, ob sie nicht auch beim Gänselocken mitmachen möchte 2. Ingerimm, abends; beim Gänselocken während der Travia-Andacht)


„Friede zieht nicht ein in ein Heim, wenn man ihn zwingt. Er kommt, wenn man ihn einlädt, ihn lockt, ihm die Tür öffnet und ihn willkommen heißt.“
(Bruder Dílleachdan Geweiht freundlich ermahnend, zu den fleißigen Helfern, dass sie die Tiere keinesfalls tragen dürfen. 2. Ingerimm, abends; beim Gänselocken während der Travia-Andacht)


„Wenn man die Holden im Farindel mit der Fütterung von Gänsen milde stimmen könnte … ich hätte einen Haufen Probleme weniger.“
(Arwulf ui Falwar Wappen haus falwar.png seufzend 2. Ingerimm, abends; beim Gänselocken während der Travia-Andacht)


Gesang zum Abschluss

Dann waren alle Tiere im Gatter und die Edle von Unkengrund schloss es zufrieden. Bruder Dílleachdan breitete nun wieder die Arme aus und sprach segnend:

"Das Werk ist vollbracht! Mit Zuversicht, mit Ausdauer, mit Fleiß und mit Gemeinsinn. Die hilfreiche Tat ist der Göttin lieber als das gesprochene Gebet. Aber wo viele helfende Hände gemeinsam schaffen, da können auch viele Stimmen gemeinsam erklingen. So lasst uns singen!"

Abermals stimmte er inbrünstig das ‚Schenk Frieden, Travia‘ an. Er sang erst mit den Versammelten die erste Stimme mit, wartete geduldig, bis ein jeder der Melodie und des Text sicher war. Dann schaute er in die Runde und stimmte die Melodie etwas tiefer an, so dass sie nun zweistimmig erklang.

“Versuchen wir es einmal so, wenn euch die tieferen Töne besser liegen.“

Nachdem genug Leute seinem Beispiel folgten, wagte der Geweihte sogar das Lied als Kanon anzustimmen, in dem er die anwesenden Gläubigen in drei Gruppen aufteilte, denen er nacheinander Einsatz gab.

Als die letzten Töne des Gesanges verklungen waren, schlug Bruder Dílleachdan das Zeichen der Gans über alle und sprach seinen Segen. Erst danach trat der schmächtige junge Geweihte zurück, um seinem älteren Glaubensbruder Platz zu machen für den Dienst an der Leuin.


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Rondra-Andacht

Göttinlob

Als nächstes trat Seine Gnaden Raidri Donnerschlag von Bockshag mit schwerem Schritt vor die Versammelten. Der an Jahren bereits gereifte Ritter der Göttin war trotz seiner über 50 Götterläufe immer noch eine ehr- und streitbare Erscheinung. Die Statur eines Kriegers, der die Grenze zwischen Gnade und Ungnade der Herrin sicherlich nicht nur einmal erfahren hatte, blickte aus strengen Augen in die Dämmerung. Ein Streiter für die Sturmherrin durch und durch, wie er im traditionellen Ornat der Rondrakirche auftrat, die rote Löwin auf der weiß bedeckten breiten Brust aufliegend, den ehrfurchtgebietenden Rondrakamm über die Schulter gelegt, ein roter Umhang fiel ihm über den Rücken hinab. Wie bei Bruder Dílleachdan trug sich auch die Stimme des Rondrageweihten weit, doch klang seine dunkel und alt, auch lag kein samtener Wohlklang in ihr, sondern kratzige Härte.

„Die Herdmutter Travia beschützt, hegt und verbindet das, was Familie ausmacht. Ihr Blick ist ins Innere der Heimstatt gerichtet. Doch wenn Feinde diese Eintracht bedrohen, erblickt sie der Leuin‘ Augenmerk und ihre Streiter werden schützend das Schwert erheben, so, wie es der Sturmherrin gefällt,“ begann der Geweihte zu sprechen. „So ergänzen sich die Herrinnen Alverans und so wollen wir es auch heute halten. Wir haben zuvorderst der Gemeinschaft des Heimes gedacht, nun wollen wir der Gemeinschaft des Feldes gedenken, ehe wir zum Ende des Götterdreiklangs diejenigen ehren wollen, die wir auf ewig vermissen werden - in unseren Familien und in unseren Reihen. Doch lasst uns nun für einen Moment innehalten und, wir, die wir am Leben sind, unserem Atem lauschen, welcher allein dem Donnern unserer bebenden Herzen folgt. Wir schließen dazu die Augen.“

Der Rondrageweihte ging sogleich mit gutem Beispiel voran und verschloss die Lider.

Nach einer kurzen Weile sprach Seine Gnaden wieder. Nebenbei setzte er sich in Bewegung und ging am Rand der Gläubigen entlang, nach wie vor den Rondrakamm auf der Schulter abgelegt.

„So, wie wir allein wissen, wie es sich anfühlt, wenn unser Atem strömt, oder wir unser Herz in unserer Brust schlagen fühlen, so weiß die Herrin Rondra allein, wie es um unsere Ehre steht. Und die Herrin Rondra allein weiß auch, wer auf diesem Boden vor einem halben Zwölft an Götterläufen ehrvoll stritt und ehrvoll fiel. Doch was ist Ehre? In unseren Augen? In den Augen der Leuin? Aus was besteht sie? Schmälert Fehlverhalten die eigene Ehre wie richtiges Verhalten sie mehrt? Dürfen wir uns denn gar selbst beurteilen oder ist dies gar etwas, was allein der Leuin zusteht?“

Er sah herausforderndernd in die Runde aus Ritterinnen und Rittern, doch verlangte er keine Antworten, wie sich zeigte, als er fortfuhr.

„Schon die Heilige Ardare sagte: Im Krieg geht jede Ehre zugrunde. Allein im Zweikampf kann Ehre bestehen und nur in Rondras Namen kann sie zu wahrer Pracht erblühen! Diese Lehre wollen wir vor Augen haben, wenn wir uns bewusst machen, dass wir hier auf einem Schlachtfeld stehen. Ein Ort der Waffen, wo heute vor drei mal zwei Götterläufen Kampfeslärm herrschte. Wo zweifelhafte Entscheidungen zu dem Ende führten, welches wir alle kennen. Es war ein Ereignis, das so tief in uns schnitt, dass wir heute, drei mal zwei Götterläufe nach diesem Kampf, hier zusammenfanden. Und nicht wenige von euch fragen sich sicher: ging hier nicht auch Ehre zugrunde? Schließlich ist jede Fehde ein Krieg. Schließlich ging hier so manches zu Bruch, nicht nur Waffen, Knochen, Häuser und Leben. Ja, diese Frage ist eine Herausforderung. An uns selbst, an unsere Werte und auch an unsere Ansicht von Ehre! Doch, zu welchem Schluss ein jeder von uns kommen möge: heute ist nicht der Tag der Anklage! Heute ist der Tag und die Stunde, da wir gedenken mögen. Unseren Toten. Unserer Weisheit, dass sich ein jeder am Ende selbst vor den Göttern verantworten muss. Unserem Groll, der uns so manches Mal mit Blindheit schlägt. Und unserer eigenen Ehre, die nicht andere für uns definieren, sondern nur die Sturmherrin selbst! Denn ist es nicht die Heilige Yppolita, die uns lehrt, dass jeder von uns zu jeder Stunde darauf bedacht sein soll, seine Pflichten mit ernster Würde und Liebe und in hoher Gesinnung und Gerechtigkeit zu verrichten? Und lehrt sie uns nicht auch, dass dies gelingen werde, wenn man es so tut, als sei es der letzte Tag in diesem Leben: frei von jeder Ziellosigkeit, frei von Heuchelei und Selbstsucht und Hadern über das von der Göttin für uns gewählte Schicksal? Wisset, ihr Streiter der Leuin zum Gefallen, dass es nur wenig ist, was wir zu meistern haben, um ein rondragefälligen Leben zu führen, während es zumal viel sein kann, was andere über uns und unsere Ehre denken. Die Herrin jedoch fordert weiter nichts von dem, der ihrer Lehre folgt.“

An diesem Punkt war der Geweihte stehen geblieben und ließ die Worte seiner Predigt wirken. Nicht jeder Gemeine aus Unkengrund mochte ihn verstanden haben, auch nicht alle Mitglieder des versammelten Adels. Dies schien jedoch ein Umstand, den er zu tolerieren wusste.

Graf Arlan Stepahan war dem Göttinlob mit versteinerter Miene gefolgt, wenngleich ihm die Worte und Haltung des Geweihten tief berührten. Die Gedanken des Ritters der Göttin trugen ihn dabei immer wieder Erinnerungen der eigenen Vergangenheit zu.

Die Forderung

Der Diener der Sturmleuin wartete noch eine kleine Weile prüfend, bevor er den Blick abermals schweifen ließ und jenen der Edlen von Unkengrund kreuzte, die daraufhin nickte.

„So wollen wir nun der Himmelsleuin und ihren Lehren zu Ehren Zweikampf halten im letzten Praioslicht, auf dass der Hader jener Tage, der noch heute unter den hier versammelten Streitern schwelt, mit einem symbolischen Duell aufs erste Blut abgegolten sei. Diese Schwertreichung soll zur Heilung zerrissener Bande beitragen. Und eben jener Schaden, wie auch eben jener Verrat soll zwar nicht vergessen, aber ab diesem Zeitpunkt, da das Rondras heiliges Schwerterklirren wieder über dieses Schlachtfeld ertönt, der Vergangenheit angehörig sein. - So frage ich: Wer sind die beiden ehrbaren Schwerter, die sich dem Urteil der Sturmleuin stellen?“

Gerade als die Edle von Unkengrund einatmete, um im nächsten Moment einen Schritt nach vorn zu machen, hatte in der Gruppe jener Mitglieder des Hauses Vialigh die Erstgeborene Leannas bereits die Hand gehoben und dazu auch ihre Stimme:

„Ich werde das Schwert Unkengrunds sein! Mein Name ist Talwen Vialigh, euer Gnaden, gegürtete und gespornte Ritterin, Mitglied der Gräflich Bredenhager Grenzwacht und Erbin Unkengrunds - und ich fordere den, der mir damals das Schwert an die Kehle hielt, die andere Seite zu repräsentieren.“

Die Edle von Unkengrund blickte daraufhin überrascht, gar für den Moment irritiert zu ihrer Tochter. Wer genauer hinsah, konnte sehen, wie sich Zorn ihrer bemächtigte. Die Mittvierzigerin schien ihren aufsteigenden Groll erfolgreich hinunterzukämpfen, dass nicht mehr von ihrem Missfallen sichtbar war, als ein argwöhnisches Stirnrunzeln und ein eiskalter Blick, mit dem sie ihre Tochter aufmaß.

Ioric von Krähenfels stand einen Augenblick regungslos, augenscheinlich überrumpelt. Als sich dann alle Augen auf ihn richteten, trat er ebenfalls vor und verkündete mit fester Stimme:

“Ich akzeptiere.”

Seine Gnaden Raidri Donnerschlag winkte daraufhin beide zu sich und während sich die Herausfordernde und der Herausgeforderte in die Mitte des Festplatzes begaben, um ein paar leise Worte mit dem Geweihten zu wechseln, entstand für den Moment ein Raunen und Murmeln unter den Anwesenden.


Zitate:

„Lûran, sag mir, wie heißt noch gleich dieser Ritter, den unser Mädchen da gefordert hat? “
(Travialyn Vialigh mit zusammengekniffenen Augen zu ihrem Sohn Luran Falkraun, weil sie nicht mehr so gut in die Ferne sieht, vor allem nicht bei schwindendem Licht. 2. Ingerimm, abends, während der Rondra-Andacht)


„Der hohe Herr Ioric von Krähenfels, liebe Mutter. Der Vetter seiner Wohlgeboren, Caran von Krähenfels.“
(Luran Falkraun als Antwort zu seiner Mutter, auf deren Frage hin, wer der Geforderte ist. 2. Ingerimm, abends, während der Rondra-Andacht)


“Annlir! Du solltest deine Nichte überwachen! Und jetzt das!”
“Ich sagte, ich werde sie im Auge behalten, aber nicht, dass ich ihre Gedanken lese. Freu dich doch über ihren Schneid!”
“Freuen? Ich könnte sie ohrfeigen! Was denkt sie sich nur dabei?”
„Vielleicht will sie dir gefallen, schon mal daran gedacht?“
„Vielleicht will sie sich auch einfach nur umbringen.“''
(Zänkischer Wortwechsel zwischen Leanna Vialigh, der die Initiative ihrer Tochter gar nicht gefällt, und ihrem Bruder Annlir Vialigh, den Leannas Reaktion eher belustigt. 2. Ingerimm, abends, während der Rondra-Andacht)


„Es gibt Zeiten, Leanna, da muss man die Zügel lockern und sie ihren eigenen Weg finden lassen. Wir werden nicht immer da sein, um sie anzuleiten und zu behüten.“
(Anmerkung Luran Falkrauns hierzu. 2. Ingerimm, abends, während der Rondra-Andacht)


“Ich bewundere den Schneid Eurer Tochter ebenfalls, Leanna. Eine sicherlich würdige Kämpferin für Unkengrund."
(Leiser Einwurf von Rondirai Mardhur, die schräg hinter Leanna Vialigh und ihrem Bruder Annlir Vialigh stand und gespannt verfolgte, wie die beiden Duellpartner aufeinander zu gingen; 2. Ingerimm, abends, während der Rondra-Andacht)


Einstimmung auf den Zweikampf

Nachdem sich der Rondrageweihte mit den beiden Duellanten beraten hatte, erhob er wieder für alle gut hörbar die Stimme und einen Arm, worauf das Gemurmel verstummte:

„Nachdem ich weder Dunkelsinn noch Zwang in Forderung und Annahme ausmachen konnte, wird es diesen rituellen Zweikampf geben. Zuvor soll der Choral der Heiligen Ardare aus unser aller Kehlen erklingen, damit die Gebote der Herrin den Kampf ganz durchdringen, Ehrlosigkeit und Falschheit verbannen und ihn rein halten, so wie es der Göttin gefällt.“

Sogleich stimmte der Geweihte auch schon mit kräftiger sonorer Stimme die ersten Töne an.

„Dir zu Ehren kämpfe und streite ich
Dir zu Ehren unter‘m Löwin-Banner,
Dir zu Ehren ich fecht‘
Für Ehre und Recht
Dir zu Ehren, bis in Ewigkeit.“

Gemäß der Tradition, dass die erste Strophe einem einzigen Sänger gehörte, stimmten die versammelte Ritterschaft auch bei diesem Göttindienst erst in der zweiten Strophe mit ein:

„Dir zu Ehren kämpfe und streite ich
Dir zu Ehren, nur in deinem Namen
Dir zu Ehren ich leb‘
Dir zu Ehren ich sterb‘
Dir zu Ehren, bis in Ewigkeit.“

„Dir zu ehren kämpfe und streite ich.
Treu verbunden, nur in deinem Namen.
Gemeinsam wir zieh‘n
Die Feinde entflieh‘n.
Treu der Leuin bis in Ewigkeit.“

„Dir zu Ehren kämpfe und streite ich
Dir zu Ehren gegen dunkle Mächte.
Frevler und Daimonknecht
Mein Schwert sei ihr Lohn.
Für die Leuin, bis in Ewigkeit.“

„Dir zu Ehren kämpfe und streite ich
Dir zu Ehren auf dem Ehrenfelde.
Meine Sense: ein Schwert!
Halt ich Ernte vom Pferd.
Dir zu Ehren, bis in Ewigkeit.“

„Dir zu Ehren kämpfe und streite ich
Dir zu Ehren auf dem Feld der Ehre.
Bin vom Feinde umringt,
Mein Schlachtruf erklingt,
Pred‘ge ich von deiner Ewigkeit.“

(Choral der Heiligen Ardare, Rondra Vademecum Seite 25/26, alle Rechte bei Ulisses)


Als die letzten Töne des ergreifenden Chorals verklungen waren, sprach Seine Gnaden Raidri:

“Ihr Kinder Alverans. Streiter für die Ordnung, ziehet blank und sinket hernieder vor der Leuin aller Leuen!”

Daraufhin zogen alle, die kämpfenden Standes waren, ihre Klingen und ließen sich auf den Grund des Festplatzes hinab. Auch nahezu alle Unkengrunder folgten dem Beispiel der Ritter, Krieger, Edelknechte und knieten sich ehrfurchtsvoll ins Gras.

Mit grimmiger Entschlossenheit zog auch Talwen Vialigh ihre Standeswaffe, bevor sie sich dann selbst vor dem Rondrageweihten auf beide Knie hernieder ließ. Kurz warf die ‘Berglöwin’ ihrem Kontrahenten einen Blick von der Seite zu, dann senkte die Ritterin demutvoll ihr Haupt, während sie ihr Schwert auf beide Händen abgelegt gen Alveran hob, um es der Sturmherrin und deren Diener zu präsentieren.

„Herrin Rondra, du Schwert und Schild Alverans! Die du uns alle beschirmst, Adel und Volk!“

rief der Götterdiener laut aus, dass es auch in den hinteren Reihen der Gemeinen noch gut zu vernehmen war.

„Die du uns Mut lehrst und Kraft schenkst. Die du unsere Herzen stark und unseren Geist furchtlos, unseren Willen fest und unseren Blick scharf und ebenso unsere Körper kräftig machst. Damit wir Dein Werk auf Dere tun können. Blicke nicht mit Grimm, sondern stolz herab auf uns, die wir hier vor dir knien! Siehe! Vor dir wollen sich deine beiden Ritter Talwen Vialigh und Ioric von Krähenfels ohne Zagen und mit mutigen Herzen auf dem Feld der Ehre begegnen. Sie haben ihren freien Willen hierfür bekundet und unterwerfen sich deinem heiligen Urteil.”

Dann legte der Geweihte erst der Herausforderin die mit Plattenhandschuh gerüstete Linke auf Schulter und Klinge, dann dem Herausgeforderten.

“So streitet nun beide in Ihrem Namen.“

Anschließend trat der Geweihte zurück und gab so das Zeichen, dass ein neuer Teil der Andacht begann.

Der Zweikampf

Die ersten Annäherungen der beiden Ritter glichen einem Tanz, in welcher sich beide immer wieder für einige gemeinsame Figuren nahe kamen, um doch unbeschadet wieder auseinander zu gehen. Selbst als die Vialigh in den Angriff überging, konnte sie doch infolge eines ersten ernsten Schlagabtauschs keinen Treffer landen. Es war der Krähenfels, der mit einer erbitterten Folge von Hieben die Verteidigung der jungen Heckenreiterin überwand und einen allerersten schmerzhaften Treffer anbrachte. Den musste er auch sogleich mit eigenen Schmerzen bezahlen, weil die Erbin Unkengrunds mit einem geschickten Konter verdeutlichte, dass sie den Zweikampf noch lange nicht beendet sah.

Im Folgenden band die Heckenreiterin ihren Kontrahenten geschickt und drängte den Haushofmeister Eichengrunds gar aus der Mitte des Platzes an den Rand, während sie ihn mit einer schnellen Schlagfolge in die Defensive zwang.

Sicherheitshalber wichen die Zuschauer vor den Kämpfenden zurück. Natürlich, um nicht selbst aus Versehen einen Hieb zu kassieren, aber auch, um den beiden huldvoll Platz zu schaffen, die hier nicht nur vor Rondra, sondern auch vor dem Angesicht des Grafen, vor Familie und Dienstherrn und vieler anderer die Schwerter kreuzten. Der Kampf solte unbeirrt weitergehen können.

Mit einem mächtigen Befreiungsschlag verschaffte der Krähenfels sich alsdann wieder Luft und die beiden fanden zurück in die Mitte des Kampfareals. Den nächsten Schlagabtausch entschied der Eichengrunder Dienstritter für sich, aber obwohl er gleich zwei Mal die Verteidigung der Vialigh überwand, glitt seine Waffe beide Male an ihrem Rüstzeug ab.

Das erstaunte Murmeln, welches hier und da begonnen hatte, verstummte allerdings, als Talwen einen Angriff mit einem mächtigen Überkopfhieb beendete, welcher sicherlich das Duell beendet hätte, wäre es ihrem Kontrahenten nicht im letzten Augenblick gelungen ihn an der Klinge abgleiten zu lassen. Die Wucht ihres Treffers ließ jedoch Funken fliegen und als Ioric sich taumelnd von ihr löste, war auf seiner Klinge eine tiefe, für alle gut sichtbare Scharte erschienen. Irritiert begutachtete der hochgewachsene Ritter seine Waffe, schüttelte dann aber kurz den Kopf und hob sie erneut.

Hernach trennten sich die Vialigh und der Krähenfels erst einmal, um voneinander entfernt zu Atem zu kommen, Kraft zu sammeln. Sowohl die Herausforderin als auch den Herausgeforderten konnte jeder jetzt, da sie für einen Moment verharrten, schwer atmen sehen. Die Vialigh griff gar an einen Zipfel ihres Heckenreiterrocks, wischte sich damit trotzig Schweiß aus dem Gesicht und ließ kurz verstohlen ihren Waffenarm kreisen, der den Stahl des Krähenfels kosten durfte.

Auch Gesicht und Haar ihres Gegners glänzten vor Schweiß, während dieser mit versteinertem Gesichtsausdruck sein Gegenüber begutachtete.

Es war nicht genau ersichtlich, ob wilde Freude, kalte Wut oder stählerne Entschlossenheit die Kontrahenten trieb, während sie sich unter den Augen der Sturmherrin und der Versammelten im Schwertkampf maßen. Wer jedoch wusste, dass es die Klinge des Krähenfelsers gewesen war, welche die Vialigh und ihren Schwertvater, den Junker von Albenau, damals und genau hier an diesem Ort beim Verrat der Junkerin Ravindra von Krähenfels zur Aufgabe und in Kerkerhaft zwang, konnte sich gut vorstellen, dass dieser Zweikampf nicht nur ein simples Duell zu Ehren Rondras war, oder die bloße symbolische Darstellung der damaligen Gegner, sondern dass es hierbei um weitaus Persönlicheres ging. Beide waren bereits merklich angeschlagen, doch sah keiner von Ihnen gewillt aus, durch eine Aufgabe dem anderen den Sieg zu überlassen.


Zitate im Verlauf des Zweikampfs:

„Ich verliebe mich gerade in diese Frau!“
(Der Unkengrunder Waffenknecht Beradwin Cert fasziniert 2. Ingerimm, abends, beim Zweikampf während der Rondra-Andacht)


„Das war verdammt knapp! Der Oberhau hätte ihm beinahe den Kopf gespalten. Weiter so Ioric, nicht nachlassen!“
(Junker Brendan Aldewen Wappen haus aldewen.png mit leisen Worten, zu Sinjer Albarung Wappen haus Albarung.png und Leanna Widra Wappen haus widra.png 2. Ingerimm, abends, beim Zweikampf während der Rondra-Andacht)


„Er muss vom Nach ins Vor kommen, sonst ist es vorbei!“
(Junker Caran von Krähenfels Wappen haus kraehenfels.png angespannt, zu seiner Schwester Isida von Krähenfels Wappen haus kraehenfels.png und Rondfert von Ingvalsauen Wappen haus undefiniert.png 2. Ingerimm, abends, beim Zweikampf während der Rondra-Andacht)


"Eine meisterliche Finte! Sie ist flink und wild wie eine Löwin, bei Rondra!"
(Junker Luran Falkraun Wappen haus falkraun.png begeistert, zu seiner Base Leanna Vialigh über die Kampfkünste deren Tochter 2. Ingerimm, abends, beim Zweikampf während der Rondra-Andacht)


Nach wenigen Herzschlägen, um eben dieselben etwas zur Ruhe kommen zu lassen, ging als nächstes der Krähenfels mit bitterem Ausdruck im Gesicht zum Angriff über. Noch einmal traf singend Stahl auf Stahl, doch die Vialigh hielt mit ebenso düsterem Blick dagegen. Als sie sich trennten, gelang es ihr, den Haushofmeister Eichengrunds mit einem Stoß aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ehe dieser seine Mitte wieder fand, setzte sie nach, schmetterte mit einem mächtigen Hieb seine Verteidigung beiseite und traf ihn sogleich mit einem von unten herauf geführten Schwung gegen die entblößte Seite.

Ioric von Krähenfels verzog vor Schmerz das Gesicht und ließ sein Schwert zu Boden fallen, ehe er, zum Zeichen seiner Aufgabe, die Hand hob. Die Herrin Rondra schien ihre Wahl getroffen zu haben.

Sogleich trat Seine Gnaden Raidri in die Mitte und ermahnte, ehe Gemurmel oder gar Jubel aufkommen konnten, die Zuschauermenge mit erhobenen Händen zur Ruhe: „Talwen Vialigh und Ioric von Krähenfels, beide habt ihr tapfer und gut gestritten, so wie es der Herrin Rondra gefällt. Alle hier mögen dies bezeugen. Aber in einem Zweikampf muss es letztlich einen Sieger geben und das Wohlwollen der Sturmleuin wurde der Streiterin aus dem Hause Vialigh geschenkt. So, wie es die Ehre eures Standes gebietet, sei das, was vor sechs Götterläufen für Missmut, Groll, Angst und Leid sorgte, hiermit abgegolten! - Streiter, gebt euch nun ein Zeichen dieses Neubeginns.“

Man konnte der Heckenreiterin ansehen, dass sie noch immer nicht so recht glauben konnte, dass sie diesen Zweikampf mit Ioric von Krähenfels als Siegerin verließ. Nach dem wirklich schmerzhaften Treffer ihres Gegners gegen ihren Schwertarm dachte wohl nicht nur sie selbst, dass sie unterliegen würde, schenkte der Krähenfels ihr noch einen solchen.

Doch Talwen hatte sich noch etwas mehr konzentriert, ihre Schwäche hinter gewandten Schlägen zu verbergen und ebenso hinter einem eisernen Willen, nicht nur den eigenen Körper, sondern auch diesen Gegner zu besiegen. Gerade diesen! Nun war es also geschehen. Sie hatte Ioric von Krähenfels gefordert. So, wie sie es ihm bereits angedroht hatte, als beide sich während der Hochzeit Carans das erste Mal nach der ‘Schlacht der Krähen’ wieder gegenüberstanden. Schwer atmend, aber euphorisch, ging sie ihrem Kontrahenten entgegen, um ihm als Zeichen der Anerkennung von Rondras Richtspruchs den Arm zu einem ehrvollen Kriegergruß zu reichen. War da ein Lächeln in den Mundwinkeln des Krähenfels? Talwen riss sich zusammen, um nicht selbst wie ein dummes Gör zu grinsend. Ihr Herz wummerte noch immer schnell und laut und an den Stellen, wo er sie getroffen hatten, hallte ihr Herzschlag unangenehm wider. Vor allem in ihrem Schwertarm, auf den sein erster fieser Hau gegangen war. „Gut gestritten, Herr Ioric... und Rondra mit Euch,“ grüßte die Siegerin den Unterlegenen, um einen feierlichen Tonfall bemüht.

“Rondra mit euch, Frau Talwen”, gab der Besiegte mit der Andeutung einer Verbeugung zurück. Obwohl er sich mühte, aufrecht und ungebrochen zu wirken, fiel es einem aufmerksamen Beobachter nicht schwer, zu erkennen, dass die Verletzungen vom Krähenfelser ihren Tribut forderten.

„Ich bin geneigt, den Rest der Andacht nur noch sitzend beizuwohnen... wie... steht es mit euch?“ fragte Talwen gepresst, wenngleich sie ihre Schwäche und dass sie sie vor ihm zugab, mit einem kurzen Auflachen kaschierte, wegen des Wortspiels, das in ihrer Rede lag. Ob sie ihren Ausspruch ernst nahm oder ob sie sich so nur erkundigen wollte, wie es dem Krähenfels ging, ging dabei nicht hervor.

Ioric schmunzelte kurz. “Untersteht euch, am Ende würde man euch nachsagen, ihr hättet aus Starrsinn das erste Blut überreizt”, gab er leise zurück. Eine vorsichtige Bewegung seines Oberkörpers ließ ihn kurz eine Grimasse schneiden.

„Frau Ceolwen ist eine gute Heilerin. Ich schick‘ sie euch,“ raunte Talwen ihm zu, den schmerzenden Arm noch immer mit dem seinen verbunden.

“Ich denke, ich werde nicht umhin kommen, die Dienste der guten Frau in Anspruch zu nehmen.” Kurz ergriff Ioric mit der freien Hand ihren Schildarm zu einer abschließenden Geste. “Zähne zusammenbeißen, kleine Berglöwin!”, flüsterte er ihr zu, ehe er sie losließ und einen Schritt zurück trat.

‚Klein?‘ wollte Talwen irritiert fragen, die Stirn kraus, doch dann war der Moment vergangen und sie traten voneinander zurück. Sie verlor Ioric aus den Augen, als beide die Kampfstätte mit angespannten Mienen, jeweils in zwei unterschiedliche Richtungen, verließen.

nach dem Kampf - Haus Vialigh

Talwen grüßte erst ihren Dienstherrn, den Grafen, und den neben ihm stehenden Kanzler Bredenhags mit einer angedeuteten Verbeugung und der Faust aufs Herz, ehe sie ihrer Mutter als Familienoberhaupt auf gleiche Weise huldigte. Die Bewegung jedoch war hölzern und erfahrene Streiter erkannten den Schmerz, den sie mit sich führte. Immerhin war einer der Hiebe des Krähenfels mit Wucht auf ihrem Schwertarm aufgeschlagen. Im Gesicht der jungen Ritterin zeigte sich indes keine Regung von Pein. Die Lippen selbstbeherrscht zusammengepresst, immer noch nicht wieder ganz bei Atem, blickten ihre Augen vom Kampfgeist Rondras beseelt und vom eigenen Sieg getragen. „Rondra hat gewählt!“, nickte ihr der Graf anerkennend zu, während er selbst in der Armbeuge ein mit Friedensknoten geschlossenes Schwert verwahrte. „Ein Zweikampf mit großem Symbolcharakter für Land und Leute“, entgegnete hingegen Turon Taladan sichtlich zufrieden vom Ausgang.

Leannas messender Blick fiel kalt und hart auf ihre Tochter, die gerade vom Duellplatz auf sie zukam. Um sich nicht anmerken zu lassen, wie bitterböse sie ihrer Erstgeborenen dafür war, dass diese sich unabgesprochen für dieses Duell zur Verfügung gestellt hatte, klopfte sie ihrer Erbin vor den Augen aller zur Erfüllung mütterlichen Lobes auf die Schulter und zog sie sogar für den Moment an sich.


„Hast du den Verstand verloren!“
„Du wolltest doch, dass ich deiner Politik folge.”
“Das war so nicht abgesprochen!”
“Willst du mich jetzt ohrfeigen?? Tu es und alle werden es sehen.”
“Wir sprechen uns später! Geh dich versorgen!”''
(leiser scharfer Wortwechsel zwischen Leanna Vialigh und ihrer Tochter Talwen, als sie diese für einen Moment an sich zieht 2. Ingerimm, abends, nach dem Duellsieg Talwens während der Rondra-Andacht)


"Deine Tochter hat der Sturmherrin sicherlich ein Lächeln abgerungen. Ich habe deine Bestürzung und deine Sorge bemerkt. Geht es Dir gut?"
(Luran Falkraun, zu seiner Base Leanna Vialigh, 2. Ingerimm, abends, nachdem Talwen zur Heilerin abgegangen ist)


„Mir ginge es sicher besser, hätte ich in diesem Kampf gestanden.“
(Leanna Vialigh missmutig, aber ehrlich, auf die besorgte Frage ihres Vetters Luran Falkraun. 2. Ingerimm, abends, nachdem Talwen zur Heilerin abgegangen ist)


„Frau Ceolwen, mir geht es gut. Ich bitte euch, seht lieber nach dem Herrn von Krähenfels! - Ich komme später zu euch, versprochen.”
(Talwen Vialigh zu Heilerin Ceolwen Unkengrunder 2. Ingerimm, abends, nach ihrem Duellsieg während der Rondra-Andacht)


nach dem Kampf - Gefolge Brendan Aldewen

Ioric von Krähenfels erreichte erhobenen Hauptes die Seinen. Wer genauer hinsah, konnte sehen, dass er es vermied, die linke Seite seines Körpers zu belasten. Der Dienstritter atmete flach: seine Seite stach und brannte mit zunehmender Intensität. Er verzichte auf grüßende Worte und beließ es bei einem respektvollen Nicken.

„Das war ein durchgezogener Unterhau“, stellte Brendan Aldewen fest. Ohne auf eine Antwort zu warten kam er Ioric entgegen, um ihm unter die Arme zu greifen. Derlei Verwundungen sollte sich besser ein Heilkundiger ansehen. Brendan versuchte mit einem Blick die Wunde ausfindig zu machen.

„Spürst du das Blut?“, verlangte sein Dienstherr rasch zu wissen. Der vertraulich gewählte Tonfall spielte für Brendan in diesem Moment der Sorge keine Rolle.

Ioric schien kurz gewillt das Hilfsangebot des Junkers auszuschlagen, besann sich dann aber eines Besseren. Vorsichtig betastete er seine Seite. “Ich denke es ist nur oberflächlich: Das Kettengeflecht ist nicht gespalten...” Der Krähenfelser Ritter musste husten, ein Umstand welcher ihn das Gesicht verziehen ließ. “In der Schlacht hätte ich ihr die Zähne gezeigt und weiter gemacht - so schien es mir eine gute Erinnerung das einem Duell aufs erste Blut Mäßigung und Selbstbeherrschung gut zu Gesicht steht.”

„Das war ein Zweikampf zu Ehren der göttlichen Siegschenkerin. Doch derlei Siege sind stets von eisernem Willen und einem harten, blutigen Kampf geprägt“, entgegnete Brendan Aldewen und sah dabei von den Lippen seines Haushofmeisters auf den Boden vor ihnen.

„Musst du Blut spucken?“, fragte er mit sorgenvollem Zungenschlag.

Nach einem Moment des Bedenkens schüttelte Ioric von Krähenfels den Kopf. "Das Atmen schmerzt und ebenso die Bewegungen der Seite. Ich schmecke kein Blut.” Er nahm sich einen weiteren Augenblick um seine Verletzungen durchzugehen. “Habt Dank für eure Sorge, Wohlgeboren. Der Sturmherrin Urteil wird aber nicht mein Leben fordern - heute nicht.”

Es dauerte nicht lange, da trat eine dralle Frau aus Iorics Rücken an die kleine Gruppe aus Eichengrund heran. Das rotbraune Haar der freundlich dreinblickenden Mittvierzigerin wies schon graue Strähnen auf, es war geflochten und am Hinterkopf hochgesteckt. Sie war fast zwei Köpfe kleiner als der Krähenfels, schleppte aber eine große Leinentasche mit sich, die unhandlich und schwer wirkte und von Gegenständen im Innern ausgebeult wurde. Die Frau aber trug sie aufgrund ihrer Statur mühelos. Gekleidet war sie in einen langen naturfarbenen weiten Rock mit brauner Schürze, der rund über ihre ausladenden Hüften und das Gesäß fiel, dazu eine Bluse mit Knöpfen aus Bein und selbstgefertigter Spitze über der üppigen Brust. Die Ärmel der Bluse hatte sie ob der Hitze tatendurstig hochgekrempelt. Sie grüßte die hohen Herrschaften freundlich, wobei auch sie die ‚Holden der Wasser‘ erwähnte, nebst Peraine. „Ich bin Ceolwen Unkengrunder, die Heil- und Kräuterkundige hier im Ort“ stellte sie sich selbstbewusst vor, ihre Stimme klang warm und etwas Ruhiges ging von ihr aus, „und ich soll mir den hohen Herrn von Krähenfels ansehen, darum bat mich die junge Herrin.“

“Ioric von Krähenfels”, stellte sich der Haushofmeister von Eichengrund etwas wortkarg vor. “Aber das wusstet ihr wohl bereits.”

„Ja natürlich. Jeder hier kennt euch,“ gab die Frau als Antwort, als wäre dies ein anzustrebendes Ergebnis. „Euer Name wurde zuvor während der Andacht recht oft genannt.“ Sie musterte den hochgewachsenen Recken. „Ihr schont eure linke Seite und euren Atem haltet ihr flach, was mich veranlasst anzunehmen, dass ihr Schmerzen in der rechten Brust fühlt,“ stellte sie mit sachkundigem Blick fest. „Ist dem so?“

Ioric musterte die Heilerin kurz kritisch, dann nickte er kurz. “Es ist - erträglich.“

Die Frau seufzte und es sah ganz so aus, als habe sie diese Antwort schon erwartet, denn sie lachte kurz auf. „Hach, das sagen alle immerzu. Dann machen sie nichts dagegen und haben am Ende länger damit zu tun, als manchem lieb ist.“ Sie wurde wieder ernst. „Hoher Herr, seid ihr im Stande mir in meine Kate zu folgen? Ich würde mir das gerne ansehen, doch mit etwas weniger Eisen und etwas mehr Licht. Das heißt, wenn es euch nichts ausmacht und ihr abkömmlich seid.“

Iorics Blick suchte kurz seinen Dienstherren, wenn auch mehr um die Etikette zu wahren, dann nickte er erneut. „Sehr wohl. Geht voraus, ich werde nicht zurückfallen.“

„Frau Leanna, habt ein Auge auf Ioric!“, rief Brendan Aldewen seine Dienstritterin an, die gerade ein paar Worte mit seinem Weib wechselte, während er selbst zu Sinjer Schritt um danach das Gespräch mit Caran von Krähenfels zu suchen.

nach dem Kampf - unter den Zuschauern

Callean hatte den Zweikampf seiner Schwester mit Begeisterung mitverfolgt. Er bewunderte sie für ihren Mut. Er wusste ja selbst, dass schon der Treffer eines Holzschwert trotz Rüstung böse Schmerzen verursachen konnte - sie war hingegen mit der scharfen Klinge in dieses Duell gegangen! Ein Duell für die Familienehre. Und obwohl sie auch mächtig was einstecken musste, hatte seine Schwester das Duell um Rondras Gunst gewonnen. Stolz füllte seine Brust. Nur diese Sache mit der Abgeltung war dem 15-jährigen noch nicht ganz klar, weshalb er sich an seinen Schwertvater wandte: „Herr Johril, wie ist das zu verstehen, darf denn nun niemand mehr der beiden Seiten Forderungen stellen? Auch meine Mutter nicht?“

„Ich habe es so verstanden, dass der rondragefällige Zweikampf allen bis heute fortbestehenden Hader der Heckenfehde symbolisch beendet. So können nun alle die daran Anteil hatten, stets auf den Fingerzeig der Göttin verweisen und mit dem Urteil ihren Frieden machen. Das war ungemein klug von seiner Gnaden“, verdeutlichte Johril Dragentrutz.


Kjaskar Knallfaust erinnerte der Kampf an seine Turnierkämpfe der letzten Zeit - und die damit verbundenen Verletzungen. Unbewusst fasste er sich an die immer noch nicht vollständig verheilte Wunde.


In der Kate der Heilerin (Aal und Krähe)

Die kühlen wassergetränkten Verbände taten gut. Nach einer Einreibung mit scharfem Kräuterbrand und der Versorgung mit einer Salbe aus Beinwell, und Minze schuf die empfundene Kühle angenehme Linderung. Das erfrischende Aroma der Kräuterauszüge wirkte sich auch wohltuend auf das Atmen aus, so dass der Ritter nun etwas besser Luft bekam. Dazu gab es einen stärkenden Trank für die innere Heilung - “und den geknickten Stolz”, hatte die Heilerin schmunzelnd angemerkt.

Kurz war Ioric versucht, Anstoß an ihrer Bemerkung zu nehmen, besann sich dann aber doch eines besseren und schwieg.

Ob sich wirklich ein Heilmittel in dem Getränk befunden hatte, einfach die Anspannung von ihm abfiel oder ob die angenehme Schwere, die sich des Ritters bemächtigte, daher kam, dass die Frau während der Behandlung beständig ein recht einschläferndes Wiegenlied summte und irgendwo irgendein Kraut verbrannte - konnte Ioric nicht mit Gewissheit sagen. Was er allerdings sagen konnte, war, dass Ceolwen Unkengrunder überaus freundlich ihm gegenüber zu Werke ging, obwohl sie zu Beginn erwähnt hatte, dass sie nie damit gerechnet habe, ausgerechnet ihn hier in ihrer Kate versorgen zu müssen. Wo er doch derjenige welcher sei.

Ein Umstand, welchen er ebenfalls verzichtet hatte, mit mehr als einem Brummen zu kommentieren.

Ioric konnte nicht sagen, wie lange er unter dem Einfluss der Schmerz stillenden Maßnahmen und der Ruhe, die in Ceolwen Unkengrunders Kate herrschte, vor sich hin gedöst hatte. Als er die Augen aufschlug, bemerkte er den Schatten einer Person neben seiner Liege, die von der Statur her nicht die dralle Kräuterfrau war. Das Stechen in seiner Seite war nicht mehr so stark.

„Was macht eure Seite?“ Talwen Vialigh saß nur in Hose und Hemd gekleidet auf einem Schemel nicht weit vom ihm. Gambeson, Rüstung und Schwert hatte sie abgelegt. Stattdessen trug sie ihren Schwertarm bandagiert in einer Schlaufe aus Stoff vor der Brust. Ihr dunkles Haar glänzte noch schweißfeucht, links und rechts ihres Gesichtes hatten sich einzelnen Strähnen aus ihrem Pferdeschwanz gelöst, welche sie nun hinter ihre Ohren schob, zumindest auf der linken Seite. Ihr Mund spannte sich zu einem freundlichen Lächeln.

Ioric sah sie einen Moment an, blinzelte, ehe er sich aufrichtete und vorsichtig seine Seite betastete. „Unangenehm, aber nichts, was mir Sorgen macht“, war seine ehrliche Einschätzung. „Der Rest ist auch nicht schlimmer als nach einer besonders lehrreichen Fechtstunde.“

„Na dann,“ entgegnete sie schulterzuckend.

Er lachte leise, wobei er für einen Augenblick das Gesicht verzog, weil das Beben seines Brustkorbs jetzt, da er sich auch noch aufgerichtet hatte, seine Verletzung wieder deutlicher spürbar machte. „Ich hoffe doch eure Blessuren werden euch nicht für längere Zeit vom Dienst ausschließen?“, erwiderte er die Frage, während er sich einmal aufmerksam umsah, um mögliche Mithörende zu erspähen.

„Oh, wenn ihr Frau Ceolwen sucht…“ Talwen deutete mit dem Kinn in eine unbestimmte Richtung. „Die hab ich zur Festwiese geschickt, damit sie an der Seite ihres Mannes sein kann, wenn für ihren Sohn ein Licht in den Gemhar gesetzt wird. Ellan. Er war der Geselle des Schmieds und fiel, als die Söldner des Salzhand hier im Dorf wüteten. - Eine Tatsache, die wesentlich schwerer wiegt als eine dicke blaue Beule an meinem Unterarm, die ausgelassen wurde.“ Ihr Blick fiel für den Moment auf den Teil ihres Armes, der bandagiert in der Schlinge hing. „Bis wir losreiten sind es noch ein paar Tage, das wird schon. Und bis dahin beiße ich einfach die Zähne zusammen, wisst ihr.“ Sie sah wieder auf.

Ioric lächelte sie versonnen an. „Und nun seid ihr hier, um an ihrer Stelle an meinem Lager zu wachen? Dafür seid ihr doch sicherlich mit zu vielen anderen Pflichten betraut - und ich bei weitem nicht schwer genug verwundet.“

Sie erhob sich seufzend von dem Schemel, um an seine Liege heranzutreten und sich kurzerhand dort auf Höhe seiner Hüfte mit einer Pobacke niederzulassen. „Herr Ioric,“ sprach sie im Tonfall der Belehrung, „Ihr vergesst wohl, dass es eine eben dieser Pflichten ist, mich um die Gäste zu kümmern. Um alle Gäste. Aber ihr habt recht,“ er spürte ihren Blick auf seinem freiliegenden Oberkörper, wie ihr Augenmerk über die Täler und Hügel seiner Muskulatur huschte, „ich muss hier wie ihr auf Frau Ceolwens Rückkehr warten, weil sie mich so geheißen hat.“ Da sie jetzt näher war, roch er den lieblichen Duft von Tarnele an ihr, der von ihrem verbundenen Arm herrührte, den Geruch von Anstrengung und Schweiß aber nicht gänzlich überdecken konnte.

„Mhh-hmm“, brummte Ioric, den Blick nicht für einen Herzschlag von ihr abwendend.

Mit der Linken griff sie sodann nach der körperwarmen Kompresse, die schon etwas an ihm hinabgerutscht war, als er sich aufsetzte. Als sie das Tuch fortnahm fiel ihr Blick im Schein der Öllampe, die über ihnen hing, auf die geschwollene, blutunterlaufene Stelle an seinem rechten Rippenbogen. Diese würde sich in den kommenden Tagen erst blau, dann veilchenfarben, dann heu- und zum Schluss haferfarben wandeln. Talwen pfiff anerkennend. „Da hab ich euch aber hübsch verdroschen. Aber - wie ihr schon sagtet - sicher nicht schlimmer als nach einer lehrreichen Fechtstunde,“ zitierte sie ihn schmunzelnd.

Ioric lehnte sich ihr entgegen, sog ihren Duft ein. „Im Grunde seid ihr also bloß hier, um eurer Hände Werk zu bewundern?“, unterstellte er ihr grinsend. Mit einer schnellen Bewegung griff er nach ihrem Hemd, krallte seine Finger in den Stoff und zog sie eine weitere Handbreit zu sich. „Schande über euch, Talwen Vialigh!“

Ihre Augen verengten sich. “Es kommt euch also wirklich nicht in den Sinn, dass ich vielleicht aus Interesse an eurem Wohlergehen hier bin, ay? Und dass ich euch vielleicht tatsächlich eine neue Auflage machen möchte? - Oder sucht ihr gerade nach einem neuen Anlass für ein weiteres Duell?” stellte sie ihrerseits mit vor Ärgernis gepresster Stimme eine Mutmaßung in den geschwundenen Raum zwischen ihn und sich. “Schande über euch, Ioric von Krähenfels!”

Ioric ließ sie los, wich aber keinen Fingerbreit zurück. “Ihr werdet es mir nachsehen müssen, wenn ich unsicher bin, ob mir die grimme Löwin mit der Klaue aus Stahl gegenüber steht - oder die Maid aus dem Mondlicht -“ Er schluckte. „…und Träumen“.

Er konnte ein feines Zucken ihrer Brauen wahrnehmen. Im nächsten Augenblick aber hatte die Vialigh sich auch schon wieder zusammengerissen und ihre Deckung aufgesetzt. “Wer weiß das schon,” antwortet sie seiner verhängnisvollen Frage und deren verstörenden Inhalt distanziert ausweichend. Ihr Körper wich hingegen nicht zurück. “Ich habe auch keine Ahnung, von was ihr träumt…”

„Nein“, bestätigte er sanft, „das habt ihr nicht.“ Er hob die Hand, strich vorsichtig eine ihrer Strähnen zurück. „Aber das macht es doch erst interessant.“

Die Berührung jagte Talwen einen Schauer über den Körper, der sie sich ebenso wenig erwehren konnte, wie den dazugehörigen Gedankenbildern. Um Herr ihrer eigenen Sinne zu bleiben, wich sie zurück und machte sich gerade. „Mir scheint, das sind seltsame Träume, die ihr da habt. Möglicherweise sogar … gefährliche… Träume.“ Dabei schüttelte sie den Kopf leicht und brach dann den Blick, um aufzustehen und seine Kompresse in einer dafür bereitstehenden Schüssel mit Wasser zu baden, die auf einem Tisch unweit der Liege stand. „Heißt es nicht, dass man sich in Träumen auch verlieren kann?“ fragte sie, während sie ihm den Rücken zudrehte und versuchte, das Tuch einhändig auszuwringen.

Ioric beobachtete sie aufmerksam. „Dasselbe sagt man über Gebete, Alkohol und finstere Wälder. Worauf wollt ihr hinaus?“, gab er ungerührt zurück.

„Hm, gute Frage, ich weiß nicht…“ hörte er Talwen nachdenklich murmeln, während sie mit dem nassen Tuch kämpfte. Sie nahm letztlich ihre Rechte zur Hilfe, weil es einhändig nur schwer möglich war und sie ihm auch nicht den triefnassen Lappen auf die Brust klatschen wollte. Mit beiden Händen ging es deutlich leichter, das Tuch auszudrücken. Mit der so erneuerten Auflage kam sie zurück und ließ sich wieder neben ihm nieder. „Vielleicht wollte ich euch nur darauf hinweisen, dass sich Träume nicht unbedingt immer erfüllen. Manche zerplatzen an den Dornen der Wirklichkeit - hat mir mal jemand gesagt.“ Sie fing seinen Blick aus dem Augenwinkel ein, schmunzelnd, doch ihren eigenen Augen alsdann auf die Arbeit ausgerichtet: das nasse Tuch behutsam auf die Verletzung Iorics zu legen, damit seine Haut sich an die Kühle gewöhnen konnte.

Ioric lachte ausgiebig, ein Umstand, der Talwens Arbeit nicht gerade erleichterte.

„Schön, dass ihr über euch selbst lachen könnt,“ entgegnete Talwen seinem Auflachen. „Haltet doch still.“

Ioric schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln, dann wurde er wieder ernst und hörte auf, sich zu bewegen. “Danke. Eure Geste ehrt euch.”

Sie suchte nach Worten, um zu umschreiben, was ihr bei der Sache durch den Kopf ging. Sie fand nur keine, also blieb sie dabei, geradeaus die Wahrheit zu sprechen, denn sie wusste, dass er das an ihr schätzte. „Wisst ihr, eure Offenheit weiß ich über die Maßen zu würdigen, doch ich möchte auch offen zu euch sein: ihr scheint da Wünsche zu besitzen, die mich unvorbereitet trafen. Bitte verzeiht mir, wenn ich daher nicht so reagiere, wie ihr euch das vielleicht…erträumt… habt. - Und jetzt solltet ihr euch wieder hinlegen, sonst hält die Auflage nicht.“ Die linke Hand auf der Kompresse drückte sanft gegen seinen Rippenbogen.

Ioric ließ sich widerstandslos von ihr zurück auf sein Lager drücken. Dort wieder ausgestreckt, suchte er ihre Augen, hielt ihren Blick für einen Herzschlag bevor er ihr leise versprach: “Es gibt nichts, wofür Ihr mich um Vergebung bitten solltet. Ich ersuche euch bloß: Fangt nicht an, mich anders zu behandeln, um mir oder irgendjemandem einen Gefallen zu tun.” Er lächelte schwach, atmete einmal tief ein und aus: ”Und mit Verlaub, Hohe Dame: meine Träume gehen euch nichts an!”

Auf seine letzte Bemerkung hin lächelte die Vialigh erheitert. „In Ordnung,“ gab sie zurück, dann überlegte sie einen Moment. „Würde es etwas helfen, wenn wir überein kämen, dass ihr das mit den Träumen und dergleichen nie gesagt habt? Wobei… nein, vergesst es!“ revidierte sie ihren Vorschlag auch schon gleich wieder, „Ihr habt es gesagt und wir haben es beide gehört.“ Ihr Blick glitt an ihm vorbei in die dunkle Kate und fand irgendwo einen Punkt, den sie stattdessen anstarrte. Nebenbei wandte sie sich von ihm ab, so dass sie nun mit beiden Pobacken auf der Kante anlehnte. „Ich glaube, ich möchte nicht, dass eine Lüge zwischen uns steht.“

Ioric hob den Kopf und lächelte, augenscheinlich ehrlich erfreut. “Mir scheint, wir teilen diesen Wunsch.” Langsam ließ er den Kopf wieder sinken, beschränkte sich darauf, die junge Ritterin, welche auf dem Rand seines Lagers verharrte, aufmerksam zu betrachten. Er konnte sie versonnen lächeln sehen. Vielleicht, weil es weitaus mehr gab, was sie mittlerweile miteinander teilten.

Als Talwen ihn wieder ansah, seinen Blick suchte, wie zum Trotz, musterte sie das Gesicht des Haushofmeisters genau. Er war ein interessanter Mann, das schwarze Haar, der wohlgestutzte Bart, die lange gerade Nase. Und seine Gefühle schmeichelten ihr. “Weil wir bei Wünschen sind. Ich sagte zu euch, dass ich nichts von alledem bereue, und dies ist nach wie vor der Fall. Doch frage ich mich gerade, was euch reute und abhielt, mir, naja, wiederholt einen Kuss zu rauben. Etwa nur die Unsicherheit, wem ihr gegenübersteht?“ fragte sie skeptisch, wirkte aber nicht verärgert, eher neugierig. „Ich sah diesen Wunsch groß und leuchtend in euren Augen stehen, daher frage ich mich, warum ihr es nicht einfach tatet. Hattet ihr Furcht, dass ich euch ob eurer Dreistigkeit eine verpasse? Oder dass ich euch in Ermangelung einer Wehrmauer von dieser Liege stoße?” Dabei lachte sie warm und herzlich. Sie lachte ihn nicht aus. Mehr über die Situation.

Ioric begegnete ihrem Blick lächelnd, während er sich vorsichtig erneut halb aufsetzte, indem er seinen Oberkörper stützte und die Beine vom Rand der Liege baumeln ließ. “Es schien mir nicht angemessen, euch diesen Kuss zu stehlen - ganz gleich wie sehr es mir womöglich danach gelüstet.” Er legte den Kopf schief, betrachtete sie einmal von oben bis unten, ehe er sie mit seinem Blick fixierte. “Mir drängt sich ein wenig die Frage auf: Wenn ihr diesen Wunsch erkannt habt und er bei euch keine Ablehnung erfuhr, was ist geschehen?” Eine Herausforderung trat in seinen Ausdruck. “Ist es nur, damit ihr hinterher vor euch selbst behaupten könnt, ihr wusstet nicht, wie euch geschieht?” Sanfter Spott hatte sich in sein Lächeln gemischt. “Wisst ihr, mir ist es lieber, ihr wisst ganz genau, was ihr tut.”

„Es schien euch nicht angemessen, ahaaa,“ wiederholte sie, ihre Worte waren ebenfalls von einem milden Sarkasmus durchdrungen. „Na! Als ob ihr immer wisst, was ihr tut, hm?“ Sie zwinkerte ihm wissend zu, bevor sie seufzte. „Herr Ioric, ich denke, wir haben ein Problem. Eines, das wir nicht lösen werden, wenn wir nur darüber sprechen.“

Ioric sah sie für eine Handvoll Herzschläge schweigend an, dann lachte er leise. “Ein Duell scheint es auch nicht aus der Welt geschafft zu haben…”, gab er mit einem vieldeutigen Lächeln zu bedenken.

Ein Ruck ging plötzlich durch ihren Körper und sie drückte sich von der Liege ab. „Hört her, wir klären das jetzt und hier.“ Ihr Vorschlag ließ nichts Gutes verlauten, klang er doch wie eine Kampfansage, andererseits konnte man Worte von ihr schon oftmals ganz anders deuten. Mit einer Handbewegung ihrer nicht bandagierten Linken trieb sie ihn hoch und auf die Beine. „Kommt her, Krähenfels, solange noch Zeit dazu ist! Ich hab euch in die Rippe, aber nicht in den Fuß geschlagen, ich bin mir daher sicher, ihr könnt aufstehen.“

Ioric beeilte sich, ihrem Befehl Folge zu leisten. Da war er wieder, der Blick voll Feuer, gleichsam Verheißung und Drohung. Er hatte ihn vermisst. Das Wortgefecht mit ihr, die Anspielungen und Spitzen, ihre schonungslosen und unverstellten Ansichten, all das stimulierte seinen Geist und ließ die Vorhersehbarkeit des Alltags erträglicher erscheinen. Dieser Blick hingegen berührte etwas Einfacheres, Ursprüngliches in ihm, ließ sein Herz schneller und lauter schlagen und all die Feinheiten von Etikette und Politik belanglos erscheinen. Seine Verbände fielen ab, aber er verschwendete keinen Gedanken an seine Blessuren. Wie gebannt starrte er die junge Vialigh an.

Talwen wusste selbst nicht genau, was sie da ritt, als sie vor den Haushofmeister Eichengrunds hintrat, den Blick gebannt in seine Augen. „Mein Vorschlag lautet wie folgt: ihr werdet mich jetzt küssen. So, wie ihr das vorhattet. Auf dem Wehrgang gestern, und vorhin. Und kommt mir nicht mit irgendwelchen Ausreden!“ Dabei schüttelte sie den Kopf. „Wegen euch verpasse ich das Totengedenken für meinen Vater und kann ihm kein Licht aufs Wasser stellen, was nun allein Aufgabe meines dämlichen Bruders sein wird,“ brummte sie, aber ohne Wert darauf zu legen, ihr Bedauern auch überzeugend zum Ausdruck zu bringen. „Also ja, ich finde, dass es durchaus als ‚angemessen‘ bezeichnet werden kann.“ Dann schmunzelte sie und trat noch ein Stück näher, zog dabei ihren bandagierten Arm aus der Schlaufe. Im nächsten Moment suchten ihre Finger sanft seine Brust und ihre Fingerspitzen glitten wie zur Folter unglaublich langsam über seine Haut, über die Formen seiner Muskeln, durch das seichte Brusthaar. Einer pirschenden Löwin gleich. „Krähenfels, Ihr werdet mich so küssen, als wäre dies einer eurer Träume. Und da wir ja jetzt auch keine Feinde mehr sein sollen…wird euch das bestimmt auch nicht schwerfallen.“ ergänzte sie provokant.

“Ganz wie ihr es wünscht”, murmelte Ioric von Krähenfels und seit sie sich ihm näherte, hing sein Blick an ihr, als gebe es auf Dere nichts anderes. Einen Augenblick ließ er sie gewähren, verfolgte bloß mit den Augen den Weg ihrer Hände, dann kam Bewegung in ihn. Erneut fuhr er mit der Hand an ihrer Schläfe entlang, strich ihr eine der widerspenstigen Strähnen zurück. Im Gegensatz zum letzten Mal versuchte er dieses Mal nicht, die Berührung so flüchtig wie möglich zu halten, sondern nutzte die Gelegenheit ihr sanft durchs Haar zu streichen. Sein Gesicht hatte sich bis auf wenige Fingerbreit ihrem genähert und er sah ihr für einen zeitlosen Augenblick tief in die Augen.

Sein Zögern machte, dass sich alles in ihr vor Aufregung anspannte. Der Moment fühlte sich ähnlich an wie auf der Jagd. „Was ist? Angst?“ hörte sie sich selbst in leiser Arroganz fragen. Dabei kam Talwen nicht drum herum, zu bemerken, dass sie selbst Furcht davor besaß, was passieren würde, wenn sie sich in ihre Gefühle und Wünsche fallen ließ.

Ioric erwiderte nichts. Stattdessen legte er den Kopf leicht schräg, führte seine Lippen allerdings nicht zu ihren, sondern sein Gesicht an ihrer Wange vorbei, bis seine Nasenspitze ihren Halsansatz knapp unterhalb ihres Ohrläppchens berührte. “Nichts hält euch hier fest”, murmelte er mit rauer Stimme in ihr Ohr. “Ihr wollt es so.” Seine Lippen zogen sich zurück und nun suchten sie die ihren, nicht sanft, sondern leidenschaftlich und hungrig, während seine Hände ihren Körper griffen und diesen an ihn zogen.

Von etwas ergriffen, das sich in diesem Augenblick nicht mehr zurückhalten lassen wollte, erwiderte Talwen den Kuss. Ihr Körper, sonst stählern und scharf wie ein Schwert, ließ sich mühelos von seinen Hände an den seinen pressen, während ihre Hände sich unter den neuesten Eindrücken und ebenso den Erinnerungen an die Nacht in Bredenhag wie ein Joch hinter seinem Nacken schlossen, als wolle sie ihm nicht erlauben, zu fliehen, falls er es sich doch noch einmal anders überlegte.

Während Talwen ihm verwehrte, ihre miteinander ringenden Münder und Zungen zu trennen, erkundeten die Hände des Krähenfelsers den Körper der jungen Ritterin, strichen über Berge und Täler und fanden bald sie ihren Weg unter ihr Hemd.

Seine Hände, die über Muskeln und Knochen strichen, hinterließen bei ihrem Brandritt nichts zurück außer ein Flammenmeer. Zumindest hatte Talwen das Gefühl, unter den Berührungen Iorics und dem verheißungsvollen Spiel ihrer Münder in Bälde zu verbrennen. Das Herz schlug ihr gefährlich hoch und schnell und die Wünsche, die laut in ihr nach Erfüllung riefen, waren alles andere als sittsam. Sie wusste um das gefährliche Spiel. Um Atem ringend, zwang sie sich und ihm eine Pause auf, indem sie ihren Mund regelrecht von dem seinen riss. “Sind…” - mühsam atmete sie ein - “...eure Träume…immer so…”, ihr fiel kein Begriff ein. Deshalb ließ sie die Hände nach unten auf sein Schlüsselbein fallen. “Verzeiht… ihr wollt ja nicht… Sie gehen mich nichts an….”

Auch Ioric nutzte die Gelegenheit für einen tiefen Atemzug. Sein Atem ging schnell, wie nach einem Gewaltmarsch - oder einem Waffengang. Lachend schüttelte er den Kopf, während seine Hände ihre ziellosen Streifzüge aufgaben und nun langsamer, aber deutlich zielstrebiger über ihre Haut wanderten. “Bei weitem nicht. Aber weshalb sollte ich euch mit Banalem langweilen?”

Auch Talwen sog derweil tief Luft ein und fasste sich neu. Zumindest machte sie nach außen hin den Anschein, denn ihre selbstsichere Maske saß bemerkenswert schnell wieder an Ort und Stelle. “Oh, ihr langweilt mich gar nicht, keine Sorge! …Sagt, hm,... wie lange küssen wir uns für gewöhnlich in euren Träumen?”

Ioric schmunzelte. “Zeit… Zeit scheint für gewöhnlich dabei keine Rolle zu spielen”, murmelte er. Dann seufzte er bedauernd. “Ihr habt natürlich Recht.” Langsam neigte er seinen Kopf dem ihren entgegen, küsste sie erneut, sanfter und vorsichtiger als noch zuvor, während seine Hände sich an den Knöpfen ihres Hemdes zu schaffen machten.

Talwen hielt inne, als sie seinen Versuch, sie zu entkleiden, vernahm. „Gehört das noch zum Kuss dazu?“ fragte ihr Mund unter seinen Lippen hervor.

Er hielt nun ebenfalls inne, öffnete die Augen und sah sie an. “Nein”, antwortete er schlicht, unterbrach seine Bemühungen aber nicht.

„Dann solltet ihr das lassen,“ raunte sie ihm zu. „Anderswo wird der Toten gedacht!“ Und er sah, wie sie das Feuer in ihren Augen mit anerzogener Vernunft unter Kontrolle zwang. Sie besaß zwar mehr denn je den innerer Wunsch, mit dem Krähenfels noch einmal mehr als Küsse zu teilen, allerdings schien Talwen das gerade nicht der richtige Zeitpunkt und auch nicht der richtige Ort. Sie wollte sein Interesse, seinen Körper umfangreich auskosten, erkunden, wie weit er gehen würde und sie selbst auch - aber nicht von einer Gemeinen dabei erwischt werden.

Tatsächlich unterbrach Ioric seine Mühen, sie zu entkleiden, krallte stattdessen seine Hände in ihr Fleisch und presste sie an seine entblößte Brust, hob sie fast von den Beinen, während sein Mund dem ihren hungrig begegnete. Als sie sich wieder trennten, um zu Atem zu kommen, gab er sie frei, wich ein winziges Stück zurück. “So wie ich es auch zu tun gedenke - zu gegebener Zeit.” Sein Blick suchte den ihren. “Und bis dahin -”, grollte er, ”Haltet. Mich. Auf.” Ein energischer Griff nach dem Saum ihres Hemds unterstrich seine Worte.

„Überlegt euch das nochmal! Ich will euch nämlich keine Rippe brechen müssen,“ erwiderte sie knurrend, und obwohl ihr Widerstand wahrscheinlich größer hätte sein können, spürte er dennoch, wie ihre Hand gegen seinen verletzten Rippenbogen drückte.

Ioric ließ sie los, wich aber nicht vor ihrer Berührung zurück. Im Gegenteil: Es schien, als prüfte er durch leichten Druck gegen ihre Handfläche seine Verletzung, während er sie aufmerksam musterte. “Wie ihr wünscht.”

Talwens Hand blieb an jener verletzten Stelle, die ihre Klinge an dem Körper des Krähenfels verursacht hatte. Fasziniert, was für einen großen Willen ihr Gegenüber doch besaß, musste sie mit Erstaunen über sich selbst bemerken, wie gut ihr gefiel, dass er nicht so einfach klein beigab. „Ich fürchte, Ihr werdet euch wehtun.“ Und als er sich noch weiter gegen sie drückte, lachte sie heiser. „Ihr seid doch verrückt.“

Über Iorics Gesicht glitt ein Lächeln, während er immer noch schwer atmete. “Möglich.” Mit einem kurzen Kopfschütteln erkämpfte er sich etwas Klarheit, trieb den Nebel zurück, der sich über seinen Geist gelegt hatte. “Und ihr? Konntet ihr eure Neugier stillen?”

„Ihr meint bezüglich eurer Träume?“ fragte sie zurück, nebenbei nahm sie etwas Druck von seinem Rippenbogen. „Ja… ich denke, dass ich einen guten Eindruck davon gewonnen habe, was euch nachts umtreibt.“

“Nicht jede Nacht, bildet euch nichts drauf ein”, warf Ioric mit einem Grinsen ein.

„Ah, verstehe, dann teile ich euch also mit anderen?“ stellte sie ihm die provokante Frage, ohne ihn jedoch Zeit für eine Antwort zu geben, denn sie fuhr sogleich fort: „Gut zu wissen.“ Sie lächelte und wieder einmal ließ sie ihn nicht hinter ihre Fassade blicken, ob da wirklich die Eifersucht anklang oder ob sie ihn mit dieser Spitze nur ärgern wollte. Nebenbei fing sie an, einen Hemdknopf nach dem anderen wieder zu schließen.

Für ihre Schlussfolgerung hatte der Krähenfelser nicht mehr als eine gehobene Augenbraue übrig.

„Oder bezieht sich eure Frage darauf, ob ich ebenfalls verrückt bin?“ fuhr sie fort und mit einem lauernden Ausdruck in ihren Augen schien sie sich ihre Gedanken zu machen.

Der Krähenfelser ließ ein belustigtes Schnauben hören und schüttelte den Kopf. “Nein -”, antwortete er leise, “meine Frage bezieht sich darauf, wie ihr die verbliebene Zeit verwenden wollt, bevor euch die Augen und Erwartungen der Anderen wieder in euren Käfig zurück zwingen…”

Die Augen der Vialigh blitzten auf, gleichsam verzog sich ihr Mund zu einem schmalen Lächeln. „Mein Käfig - ach ja, stimmt.“ Dann seufzte sie. Er hatte ihr Leben schon einmal damit verglichen, und einerseits störte sie das, andererseits fand sie es wirklich unglaublich nett, wie sehr er sich um sie Gedanken machte. Einem inneren Impuls folgend griff Talwen mit Energie an Iorics Kiefer. Er mochte es, wenn sie wusste, was sie wollte, und sie wollte tatsächlich etwas: mehr über ihn herausfinden, und dabei auch über sich selbst. „Ich habe vor, noch ein wenig meine …Freiheit… zu genießen und mich währenddessen euren Träumen zu widmen. Genügt euch das als Antwort?“ Ohne auf selbige zu warten, zog sie seinen Mund auf den ihren zu einem weiteren Kuss - in dem allerdings überraschend mehr Sanftheit lag, als durch ihren energischen Griff zu erwarten gewesen wäre. Gleichsam lag mehr Sanftheit darin als in all ihren Küssen zuvor.

Während er ihren Kuss erwiderte, legte Ioric seine Arme um sie, darauf bedacht, sich nicht in seiner Leidenschaft zu verlieren. Für einen Moment meldete sich sein Verstand, stellte Fragen nach der Bedeutung und dem Weshalb, doch der Eichengrunder Dienstritter schob derlei Überlegungen beiseite. Stattdessen verlor er sich für einen zeitlosen Moment in der Berührung ihrer Lippen, welche die seinen auf eine herrlich neue Art liebkosten.

Dazu schlang die Berglöwin die samtenen Tatzen um die Wangen ihres Erzfeindes, hielt sein Gesicht in ihren Händen. Ihr Leib schmiegte sich vorsichtig an den des Ritters an, ihrerseits bedacht, die schmerzende Stelle nicht mehr als nötig zu strapazieren, während ihr Mund den seinen erkundete, als kämen sie und der Krähenfels sich das allererste Mal nahe. Und mit der Langsamkeit, mit der sie ihn genüsslich und auf eine zärtliche Art und Weise küsste, raubte sie ihm fast den Verstand. Ob sie genau dies im Sinn hatte, verriet ihr Tun nicht. Nur, dass es ihr zu gefallen schien.