Hochzeit auf Moranshall (1043) Teil 02: Begrüßung der Gäste

Aus AlberniaWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Dramatis Personae
- siehe Abschnitte

Begrüßung der Gäste, 03. Boron (ab dem Vormittag)

In der hohen Halle auf Môranshall (Turm)

Die schmale Straße, die man in den Heckenlanden als Wacholderweg kannte, war übersät mit Schlammlöchern und Pfützen, in denen im Wechselspiel mit den vom Wind getriebenen Wolken die Strahlen der Praiosscheibe glitzerten. Die Wagenspuren hatten sich wie in jedem Herbst tief in den Untergrund gegraben und machten es den Pferden schwer voranzukommen. Doch die Tatsache, dass es zu Beginn des Vormittags aufgeklart war und ein schneidend kalter Wind die grauen Wolken gen Rahja davontrieb, ließ vermuten, dass es in dieser Nacht den ersten Frost des Jahres geben würde.
Als die Straße aus dem Schatten des Waldes heraustrat, waren hinter der sanften Hügelkette zu ihrer Linken bereits die Zinnen von Burg Môranshall zu erkennen und nur wenig später präsentierte sich die kleine, aber Achtung gebietende Festung den Reisenden hinter einer Wegbiegung in Gänze. Stolz erhob sich der jahrhundertealte Stammsitz der Ildborn nun weithin sichtbar über den Fluss Gemhar im Hintergrund und die jenseits der Flussaue wieder ansteigende Landschaft im Efferd auf einem einzelnen, mauerumkrönten Hügel.

Im Wirtschaftshof der Burg herrschte rege Betriebsamkeit, da in kurzer Zeit verschiedene Gäste angekommen waren und noch weitere in Bälde erwartet wurden. Der Stallmeister, ein noch recht junger Mann von kleinem Wuchs und sehniger Gestalt, aber offenbar großer Durchsetzungsfähigkeit, nahm mit zwei Stallmägden zusammen die Pferde entgegen. Während die herrschaftlichen Zelter im Pferdestall untergebracht wurden, waren für die weiteren Pferde des Gefolges zusätzliche eiserne Ringe in Scheune und Schweinestall angebracht worden, um sie dort anzubinden.
Die Gäste selbst wurden von einer streng wirkenden und edel gekleideten Mittfünfzigerin in Empfang genommen, die sich ihnen als Gladys Lohentann vorstellte. Die Haushofmeisterin eröffnete einem und einer jeden, wo sie untergebracht waren, und der Verwalter des Zingelhofs, Belric ui Caeldhir, schickte Bedienstete mit dem Gefolge der Gäste, um die Gemächer zu weisen und das Gepäck hinein zu tragen. Wer es unbedingt wünschte, konnte also noch etwas warten und sich, so er oder sie im Festen Eck untergebracht war, auch noch frisch machen oder gar nach der Reise umziehen. Die hohen Gäste hingegen, die im Turm ihre Gemächer haben sollten, wurden von der Lohentann sogleich persönlich über eine steinerne Treppe hinauf zur Hochburg geleitet, wo eine schwere Eichenpforte ins Innere des trutzigen Wohnturms führte. Dort in der Halle, die mit einer großen, dunklen Eichensitzbank mit reichverzierter, hoher Rückenlehne ausgestattet war, blieb die Haushofmeisterin etwas zurück, da die Gäste nach guter Sitte von Braut und Bräutigam in Begleitung des Traviageweihten mit Brot, Butter und Salz begrüßt wurden, während bereitstehende Bedienstete ihnen die schweren Umhänge abnahmen.

Rhonwen Ildborn trug ein pelzverbrämtes, dunkelgrünes Kleid aus schwerer Wolle, das farblich nicht so ganz zum ebenfalls grünen Secead ihres Bräutigams passen wollte, und hatte die Haare zu einer aufwendigen Flechtfrisur hochgesteckt. Zu ihren Füßen döste ein schlappohriger Schweißhund, dem ein Einschlag der Winhaller Wolfsjäger anzusehen war und der sich vom Geschehen um ihn herum nicht beirren ließ. Sorgfältig schnitt die junge Ritterin für jeden Neuankömmling eine fingerdicke Scheibe Brot ab, das daraufhin von Sidhric ui Crannan mit Butter bestrichen wurde. Und schließlich streute der für einen Traviapriester überraschend hagere, junge Geweihte Dílleachdan ui Geádh noch etwas Salz darauf. Dafür verwendete er einen fingerlangen Holzspatel, dessen Schnitzmuster an eine Gänsefeder erinnerte. Er achtete darauf, dass keines der kostbaren Körnchen nutzlos daneben fiel. Dann übergab er die Scheibe auf einem hölzernen Teller mit einem kurzen Traviensgruß an den Gast und schaute zu, wie dieser sie entgegennahm.


Edler Kilian von Rickenbach mit Knappe Elko vom Berg

Der Edle von Caerbroch, Kilian von Rickenbach, trat dem Brautpaar in einem blauen Wappenrock mit dem Rickenbacher Wappen entgegen. Hatte er auf dem Treffen der Besten (1043) immer weiße Wappenröcke getragen, schien er sich nun wohl für den dunkleren Farbton entschieden zu haben. Der Wappenrock war eindeutig erst vor kurzem geschneidert worden. Um den Hals trug er eine Kette, die sowohl Sidhric, als auch Rhonwen noch nicht an ihm gesehen hatten: an einer Rosengoldkette hing eine hölzerne Eichelkappe mit einem rötlich schimmernden Edelstein als Frucht.

Hinter ihm ging sein Knappe, Elko Ungolf vom Berg, der von einem Winhaller Wolfsjäger begleitet wurde, was den zuvor so friedlich dösenden Hund zu Rhonwens Füßen dazu veranlasste, den Kopf zu heben und leise zu grollen.
"Ruhig, Wölfchen”, die Hand des Jungen glitt wie beiläufig zum Hals des Rüden, griff nach dem dünnen Band, das er dort befestigt hatte. Dem jungen Hund vertraute er, was nicht hieß, dass er ihm traute.
Kurz blickte die Ritterin zu dem Schweißhund ihres Vaters hinab, der weiterhin knurrte und so sein Unbehagen über die Nähe des fremden Hundes zum Ausdruck brachte. Es war zwar ungerecht gegenüber dem Hund des Hauses, ihn wegzuschicken, aber es entsprach den Geboten der Herdmutter. "Ab, Reto, geh auf deinen Platz”, wies sie den Hund mit einem Nicken in den hinteren Teil der Halle beim Kamin an. Zwar erhob er sich auf ihre Worte, doch weiterhin fixierte er den jüngeren Rüden und ließ auch das Knurren nicht bleiben.
"Reto!”, erhob Rhonwen nun die Stimme, fasste ebenfalls das Halsband und warf einen suchenden Blick über die Schulter, ob ihr jemand den Hund abnehmen könnte, um ihn wegzuführen.
Ihr Blick fiel auf auf ein junges blondes Mädchen in einem aufwendigen, hellgrünen Wollkleid, das sich an der nächsten Säule bereit gehalten und den Edlen, den Knappen wie auch dessen jungen Wolfsjäger neugierig beäugt hatte. Das Mädchen bemerkte sogleich auch Rhonwens Geste und trat hastig an die Braut und Reto heran.
"Ich kann Reto nehmen, Rhonwen, äh… Frau Rhonwen, Wohlgeboren…” Mit einem lauten Räuspern, das in der Halle widerklang, versuchte sie, den Patzer zu überspielen und griff das Halsband des Schweißhundes. "Komm Reto, wir schaun mal gleich in der Küche, oder?”, klopfte sie dem Rüden zutraulich auf die Flanke. Dieser sah zwar zunächst noch zu Wölfchen hinüber, signalisierte aber durch ein leichtes Wedeln mit der Rute, dass er Lindwyn gehört hatte. Mit einem deutlichen, erhabenen Schnauben in Richtung des jüngeren Hundes machte Reto klar, dass er bei Gelegenheit auf diese Provokation - also die bloße Anwesenheit Wölfchens - zurückkommen würde, und ließ sich von dem Mädchen wegführen, als sei er ein frommes Lamm und kein 40 Stein schwerer Jagdhund.
"Danke dir, Lindwyn”, rief ihr Rhonwen erleichtert nach und wandte sich nun endlich Kilian von Rickenbach zu.

Lächelnd trat der Edle auf die zukünftigen Eheleute zu. Die, die ihn kannten, mochten bemerken, dass seine Augen ein wenig ihres Strahlens eingebüßt hatten, sie waren müde - oder traurig. "Es freut mich, dass wir uns bereits jetzt zu diesem Anlass treffen", er schlug sich mit der Faust zum Rondragruß vor die Brust.
"Habt Dank für die Einladung, ich freue mich, Euch beim Weg in Eure Ehe begleiten zu dürfen."
"Seid uns willkommen im Namen Travias, Euer Wohlgeboren", begrüßte die junge Ildborn ihn höflich lächelnd und erwiderte den Schwertgruß, indem sie die Faust aufs Herz legte. In ihrem Tonfall lag etwas, das Kilian nicht recht einzuschätzen wusste, als sie den Namen der Göttin nannte.
"Junger Herr", ergänzte sie da jedoch bereits mit einem freundlichen Nicken in Richtung des Knappen. Elko hielt sich mit Wölfchen im Hintergrund, erwiderte das Nicken und sprach mit brüchiger Stimme, die ihn seit einigen Tagen begleitete: "Wohlgeboren, mein Dank für die Einladung.”
Indem auch er die Faust übers Herz legte, begrüßte Sidhric den Rickenbacher. "In Travias Namen, begrüße ich Euch und den jungen Herrn an Eurer Seite, ebenfalls herzlich." Wobei er, trotz der Vorbehalte, die Rhonwen gegenüber dem Nordmärker hegte, froh war, Kilian begrüßen zu können, schließlich gehörte er zu den wenigen Gästen, von denen der Crannan behaupten konnte, ihn zumindest etwas zu kennen.
Der Edle nickte ihm noch einmal freundlich zu. Er erkannte in Sidhric ein wenig seine eigene Unsicherheit vor einem guten Götterlauf, er erinnerte sich noch allzu gut an seinen eigenen Bund mit Ciria auf Andoain. Doch der Geweihte der Gütigen Mutter unterbrach seine Gedanken.
"Willkommen im Namen Travias”, wiederholte Bruder Dílleachdan die Begrüßungsworte Frau Rhonwens, und reichte Kilian den Brotteller. Seine Stimme war hell und wohltönend, aber er sprach ein wenig lauter, als es nur für die Ohren des Edlen nötig gewesen wäre.
"Habt Dank, Euer Gnaden”, meinte der Rickenbacher mit fester Stimme und griff ein Brot. Dann ließ er Elko ebenfalls zugreifen. Im Gegensatz zu Rhonwen und Sidhric, die er lächelnd begrüßt hatte, war sein Gesichtsausdruck nun ernst.

Sein Dank war kaum verklungen, als er und Elko auf der hinteren Treppe Bewegung bemerken konnten, da zwei Gestalten über die schmale Stiege hinab kamen und deutlicher ins Licht der Halle traten: eine Edeldame in Kilians Alter und ein ergrauter, wenn auch noch stattlicher, Adliger, der ihr folgte.
Kilian erkannte vom Bredenhager Buhurt den Junker Yaron Ildborn und erinnerte sich dunkel auch an Rhonwens Mutter. Die Eltern der Braut gingen raschen Schrittes zu den Säulen zur Rechten der Hochzeiter. Da die Neuankömmlinge noch einen Moment benötigen würden, setzte der Edle nach einem beinahe unmerklichen Seufzen nach: "Ich habe weiterhin die Ehre, Euch von Hochgeboren Farnwart die besten Grüße und Wünsche auszurichten.”
Erstaunt hob Rhonwen die Augenbrauen und ihr lag bereits die Frage auf der Zunge, wo und wann der Edle die Baronin wohl in der Zwischenzeit noch einmal getroffen hatte, doch sie riss sich zusammen und erwiderte stattdessen: "Habt Dank, Wohlgeboren, das freut mich sehr zu hören.” Ihr Blick allerdings war bohrend.
Auch der Nordhager war etwas überrascht und fragte sich, wann Kilian die Baronin getroffen haben mochte. Doch diese Frage, wie auch einige andere, würde wohl noch etwas warten müssen. So wollte sich Sidhric bei dem Rickenbacher gern erkundigen, ob bei der Geburt seines Kindes alles gut verlaufen war.
Mit einem Nicken grüßte der Edle noch einmal abschließend Rhonwen, Sidhric und den Geweihten der Gütigen Mutter, bevor er zu den Eltern der Braut weiterging.

Die Brautmutter sah ihm bereits aufmerksam entgegen und aus der Nähe zeigte sich, dass sie Kilian an Alter wohl doch um einige Götterläufe übertraf. Gwynna Farranar musste sehr jung gewesen sein, als sie mit ihrem bedeutend älteren Gemahl verbunden worden war, doch nun wirkte sie in ihrem birkengrünen Wollgewand mit dunkelrostroten Keilen und den Pelzbesätzen würdevoll und erhaben an seiner Seite. Ihr dunkles Haar war in eine sorgfältige Flechtfrisur gelegt und ihre warmen, honigbraunen Augen musterten den Edlen forschend, als dieser näher trat.
Yaron Ildborn hingegen gab sich unbewegt. Der Junker von Albenau war über einer krapproten Cota mit einer fast schwarzgrünen Secead angetan, die mit einem dunkelgrünen Seidenbesatz am hohen Kragen, Knebelverschlüssen aus Geweihspitzen und mit dunkelroten Stickereien geschmückt war.

"Wohlgeboren Ildborn, Wohlgeboren Farranar, habt Dank für die Gastung und das traviagefällige Willkommen. Meinen Glückwunsch zur bevorstehenden Vermählung Eurer Tochter mit Wohlgeboren ui Crannan", meinte er mit einer kleinen Verbeugung, einen Teil des gereichten Brotes noch immer in der Hand.
"Habt Dank für die artigen Wünsche, Wohlgeboren”, ergriff Gwynna das Wort und deutete einen Knicks an, dem auch ihr Gemahl mit einer leichten Verbeugung folgte. "Ich hoffe, es wird im Verlauf der Feierlichkeiten die Gelegenheit geben, sich besser kennenzulernen”, meinte Gwynna entschuldigend.
"Bis dahin werde ich wohl Vorlieb nehmen müssen, mit dem was mein Gemahl zu berichten wusste - dass Ihr nordmärkische Wurzeln habt, Hohelucht Eure Heimat nennt und Eure Gemahlin guter Hoffnung sein soll. Trifft das zu, Wohlgeboren?” Ihr Tonfall war nicht drängend, aber sie verfolgte aufmerksam Kilians Reaktionen auf ihre Fragen.
Kilian zeigte ein leichtes Lächeln und nickte. "Nun, es trifft in Teilen zu, Wohlgeboren, und wenn es sich ergibt, möchte ich im Laufe der Feierlichkeiten gern Euer Wissen weiter vertiefen. Es würde mich freuen." Kilians Antwort war ehrlich und er schien etwas gelöster, als er sich erneut leicht verbeugte.
"Ich bin in den nordmärkischen Eisensteinen geboren und aufgewachsen, doch meine Wurzeln sind ebenso albernischen Ursprungs. Meine Mutter Myranne", kurz legte der Edle seine Hand auf den Anhänger seiner Kette, "entstammte der Vogtslinie der Bennain und war die Tante der Baronin von Hohelucht, wo das Edlengut Caerbroch liegt, das ich nun mein Zuhause nenne. Dort hat auch Rondric Geron, mein Sohn, im Travienmond das Licht der Welt erblickt."
Gwynnas Augen weiteten sich leicht und sie schien für einen Lidschlag bewegt. Ihre Stimme klang zutiefst aufrichtig, als sie mit einem breiten Lächeln antwortete: "Dann, bei Tsa und Travia, seid beglückwünscht zu diesem freudigen Ereignis und bringt gerne etwas von Eurem Glück in dieses Haus! Seid mir umso mehr willkommen und möge die Hüterin Euch auf Euren Wegen beschützen, damit Ihr sicher zurückkehrt.”
"Ich danke Euch aufrichtig”, meinte Kilian ehrlich lächelnd und beherrschte sich, sich nicht noch einmal zu verbeugen.
"Dankt mir nicht zu sehr, Wohlgeboren”, gab Gwynna entschuldigend zurück. "Leider können wir Euch aufgrund der überraschenden Vielzahl an Gästen, die trotz der kurzfristigen Einladung zugesagt haben, weniger gut unterbringen, als ich mir das wünschen würde - aber ich freue mich auf unser Gespräch”, schloss die Junkersgemahlin.
Kilian nickte schlicht und meinte dann zum Junker und seiner Frau gewandt: "Darf ich Euch meinen Knappen vorstellen?”, er blickte sich zu dem Jungen um, der kurz hinter ihm stand. "Der Junge Herr vom Berg.”
"Wohlgeboren, es ist mir eine Ehre euch kennenzulernen”, sagte der Junge mit scheppernder Stimme und neigte den Kopf.
Gwynna knickste wie zuvor leicht, doch Yaron befand, dass genügend Worte für eine Begrüßung ausgetauscht worden waren. Nach einem Blick auf den jungen Winhaller Wolfsjäger und den Knappen, richtete er seine kalten grauen Augen wieder auf den Edlen. Kurz nickte er ihm und Elko zu: "Seid mir willkommen, Wohlgeboren - Junger Herr vom Berg.”
Dann wandte er sich an seinen eigenen Schildknappen Morcan vom Draustein, der an der Wand der Eingangspforte gewartet hatte: "Junger Herr Morcan, geleitet bitte den Edlen von Caerbroch und seinen Knappen zum Großen Schlafsaal im Festen Eck und gebt ihnen einen Platz am Feuer.”
Der Angesprochene machte einen Schritt auf die Gäste zu und neigte sein Haupt. Morcan überragte seinen Schwertvater bereits jetzt schon um einige Finger und war schlank wie eine Klinge. Sein Gesicht war so blass wie der Vollmond und seine Augen waren von dunklem Braun und wirkten kalt und unergründlich. Der Knappe hatte das kraftvolle Haar seines Vaters geerbt und ebenso dessen stattliche Statur. Am Gürtel trug er ein großes Jagdmesser. "Wie seine Wohlgeboren befiehlt!”, sagte er knapp. "Es ist mir eine Ehre. Wenn Wohlgeboren mir folgen wollen”, verkündete der Heranwachsende und deutete dann zur Tür.
"Habt Dank, Junger Herr”, meinte der Edle und nickte noch einmal den Brauteltern zu, um dann Morcan zu folgen.


Firuwen Ildborn

Mit erhabenen Schritten betrat die Schwester der Braut die Halle. Für diesen Anlass hatte sie ihr bestes Gewand angelegt: Sie legte einen weiten, mit weißem Pelz verbrämten Wollmantel ab und übergab ihn mit ernstem Gesicht einem Diener. Unter dem Mantel kam eine schneeweiße, kurzärmelige Tunika aus feinem Leinen zum Vorschein, die ebenfalls mit weißem Pelz verziert war.
Das Gesicht Ihrer Gnaden hatte einen Ticken zu viel gesunder Farbe; offenbar war es ihr wohl zu warm gewesen. Trotzdem konnten die etwas geröteten Wangen nicht die Kälte mindern, die von ihrem Blick ausging und die Bezeichnung Firunsgesicht mehr als verdient machte. Während sie zum Brautpaar schritt, hielt sie mit ihrer linken Hand ihr Jagdbesteck fest, sodass dieses am Gürtel nicht hin- und her schaukelte. Als sie angekommen war, galt ihr Blick fast ausschließlich ihrer Schwester Rhonwen: "Firun mit dir, Schwester", begrüßte sie diese mit der Ernsthaftigkeit, die der Anlass in ihren Augen verdiente.
"Der Weiße Jäger auch mit dir, Firuwen, und sei herzlich willkommen im Namen Travias”, entgegnete Rhonwen ebenso ernsthaft, indem sie das Haupt vor der Geweihten neigte und kurz den Blick senkte. Als sie ihre Schwester wieder ansah, war allerdings ein warmes Lächeln auf ihrem Gesicht zu erkennen: "Ich freue mich sehr, dich zu sehen.”
Firuwen nickte, bei der herzlichen Begrüßung konnte selbst sie nicht anders: sie schenkte ihrer Schwester ein mildes Lächeln.

Tatsächlich verhieß die Begrüßung der Geweihten eine kleine Abwechslung von der meist nur geringfügig variierten Begrüßungsfloskel. Dabei fühlte es sich zugleich ein wenig falsch an, Leute in einem Heim willkommen zu heißen, das nicht sein eigenes war oder zu dem er keinen greifbaren Bezug hatte, und da es sich um Rhonwens Schwester handelte, die in diesem Heim vermutlich aufgewachsen war, war es gleich doppelt eigenartig. "Im Namen der Herdmutter und des Herrn Firun, heiße ich Euch ebenfalls herzlich willkommen."
"Firun zum Gruße”, sagte auch Bruder Dílleachdan höflich mit der Gottheit der Angesprochenen, als er Firuwen den Brotteller reichte. "Der Hochzeitsbrauch im Hause Ildborn verbindet Euren Herrn mit meiner Herrin.”
Die Geweihte nahm den Teller entgegen und musterte den jungen Diener Travias kurz. Firuns eisiger Hauch hatte Ifirns milde Barmherzigkeit, die bis eben noch die Züge ihres Gesichtes weich und nahbar gemacht hatten, erstarren lassen.
"Travia zum Gruße”, erwiderte sie ebenso höflich den Gruß des jungen Mannes. "Wolltet Ihr mir gerade die Traditionen meiner Familie erklären?” In ihrer Stimme lag etwas Lauerndes.
"Nein”, sagte Bruder Dílleachdan mit seiner hellen Stimme - entweder hatte er den lauernden Unterton nicht wahrgenommen oder ging bewusst nicht darauf ein. "Ich wollte diese Tradition Eurer Familie loben. Mir gefällt der Brauch.”
"Solange der oder die Auserwählte ein guter Jäger ist”, sagte sie und biss sodann in das Brot. Dabei schloss sie ihre Augen, kaute mit geschlossenen Augen und öffnete sie erst wieder, als der Bissen hinuntergeschluckt war. "Vielleicht erzählt Ihr mir später, was genau Euch an diesem Brauch so gefällt.” Ihre Stimme klang nun gänzlich anders, beinahe warm und einladend. Offenbar wusste die Firungeweihte die einfachen Genüsse sehr zu schätzen; so wie viele andere Jägersleute eben auch. Es musste schwer sein, so köstliches Wildbret zu erbeuten und verkosten zu dürfen und es dabei nicht genießen zu können!

Dílleachdan schaute wohlwollend zu, wie die Geweihte bedächtig und konzentriert kaute. Wie Menschen mit Speisen umgingen, verriet ihm viel über sie. "Gern”, antwortete er, "wenn ich es denn überhaupt genau in Worte fassen kann. Es war ein Gefühl - gleich, als mir Eure Schwester davon erzählte.”
Mit etwas zur Seite geneigtem Kopf musterte sie ihn erneut. Er sah aus wie einer, der sich schnell und leise bewegen konnte. Wenn er es denn gelernt hätte. Und er hatte offenbar einen guten Zugang zu seiner Intuition, ansonsten hätte er wohl irgendeine Begründung gefunden oder gar erfunden; anstatt offen zu erkennen, dass sein Urteil keine greifbare, profane Ursache hatte. "Sagt, Euer Gnaden, wart Ihr schon einmal auf der Jagd?”
Vor seiner Antwort noch sah Dílleachdan, dass die Junkersgemahlin von ihrem Platz neben Yaron herankam, ihm aber durch ein leichtes Nicken zu verstehen gab, dass er fortfahren mochte.
"Nein”, erwiderte der Traviageweihte bedächtig. Kurz schien er zu überlegen, ob er noch eine weitere Erklärung anfügen sollte - aber dann entschied er sich offenbar dagegen. Es hätte womöglich wie eine Entschuldigung für etwas geklungen, für das er sich nicht entschuldigen musste. Er hielt dem Blick der Firungeweihten weiterhin stand. Sie sollte entscheiden, ob ihr diese Antwort ausreichte.
In Firuwens Augen lag erneut die Milde Ifirns, als sie ihr Gegenüber noch einen Augenblick betrachtete, ehe sie sprach. Überhaupt, dies hatte Dilleachdan bereits bemerkt, erzählten einem die Augen der Firundienerin mehr als ihre Mimik und ihre sonstige Körpersprache zusammen. "Lasst es mich wissen, so Ihr dies ändern möchtet”, sagte sie dann und nickte ihm höflich zu. Dann schaute sie zu Gwynna, und senkte erneut kurz das Haupt, jedoch zur Begrüßung. "Frau Mutter”, sprach sie diese höflich und für ihre Verhältnisse warm an.
"Euer Gnaden”, gab Gwynna mit einem verschmitzten Lächeln zurück, da sie sich freute, ihre Stieftochter wiederzusehen, waren doch diese Gelegenheiten viel zu selten. "Firuwen”, fügte die Junkersgemahlin hinzu und ihre Augen leuchteten dankbar, da das Fest auch die ganze Familie wieder zusammenführte.
Dílleachdan schaute nachdenklich, ganz offenbar dachte er schon jetzt über diese Einladung nach. Aber auch auf seinen Zügen erschien ein Lächeln, als er die Begrüßung der beiden Frauen sah.
Gwynna räusperte sich und blickte rasch zu Dílleachdan, bevor sie wieder Firuwen ins Auge fasste: "Danke, dass Ihr schon an diesem Tag gekommen seid, da Rhonwen Kunde gebracht hat, dass auch der Graf uns beehrt. Auch der Vogt von Nordhag ist uns nun durch den Bräutigam angekündigt worden, was mich mit Schuld erfüllt.” Kurz zögerte sie, bevor sie dann weitersprach: "Euch gegenüber, Bruder Dílleachdan”, wandte sich Gwynna nun wieder an den jungen Geweihten der Hüterin.
"Angesichts der Vielzahl der Vorbereitungen vergaß ich gestern ausgerechnet, Euch um das Gemach zu bitten, das wir Euch die letzten Tage gegeben hatten, Euer Gnaden. Ich hoffe, Ihr seht uns nach, dass ich vorschlage, dass ihr beide Euch als Geweihte ein Gemach bei uns im Festen Eck teilt?” Sie blickte nun auch Firuwen an und eine mehr als gesunde Röte überzog Gwynnas Wangen, angesichts der Tatsache, dass sie unlängst auf Bredenhag eine heftige Triefnase eingefangen hatte, die sie erst nach ihrer Ankunft hier auskuriert hatte, wie Dílleachdan wusste.
"Bei so vielen Gästen unter einem Dach müssen alle ein wenig zusammenrücken”, sagte Bruder Dílleachdan mit einer beschwichtigenden Geste. "Da gibt es nichts, wofür Ihr um Entschuldigung bitten müsstet, Frau Gwynna. Ihre Gnaden”, er warf einen Seitenblick auf Firuwen, die mit unbewegter Miene das neue Arrangement zur Kenntnis genommen hatte, "wird mir nach dem guten Ildbornschen Brauch von der Jagd berichten, damit ich es niederschreiben kann. Ich würde also nur darum bitten, dass man ein kleines Schreibpult in die Kammer schafft. Meine eigenen Sachen packe ich zusammen, wenn es gerade keine Gäste zu begrüßen gibt.”
Gwynna nickte sogleich: "Natürlich Euer Gnaden, ich werde alles entsprechend veranlassen”, versprach sie.
"So sei es denn”, auch Firuwen stimmte zu, wenn auch rein pro forma. Wie Gwynna aus mancher Erzählung wusste, stellte ihre Stieftochter nur geringe Ansprüche an ihre Schlafstatt; das Zimmer mit einem Diener der gütigen Mutter zu teilen, würde sie weder stören noch einen Affront an ihre Sittsamkeit darstellen. Etwas nachdenklich fiel ihr Blick auf Dilleachdan und sie fragte sich, wie viel man ihm bereits von dem Brauch berichtet hatte.
"Euer Gnaden, Frau Mutter; dann will ich mein Gepäck auf’s Zimmer bringen”, sie nickte beiden zum Abschied noch einmal zu, ebenso erhielten ihr Vater sowie das Brautpaar ein knappes, höfliches Nicken, als sie sich zum Gehen umwandte. Erst als sie schon auf dem Weg hinaus war, fiel ihr ein, dass sich in ihrem Gepäck leider kein Nachthemd befand.

Ihre Gedanken wurden nach wenigen Schritten unterbrochen, als ihr Vater seine Stimme erhob: "Ein Nicken zu Begrüßung erscheint mir nicht genug, Tochter.” Die Angesprochene blieb augenblicklich stehen! Sie schluckte einmal, blinzelte ein weiteres Mal während sie sich an den Moment zurück erinnerte und peinlich berührt feststellen musste: Es stimmte! Sie hatte doch tatsächlich vergessen, ihren Vater angemessen zu begrüßen. Sie drehte sich zu ihm um, legte die rechte Hand aufs Herz und sprach: "Ihr habt Recht, Herr Vater. Bitte verzeiht meine Unachtsamkeit!”
Sie tat einige Schritte auf ihn zu, bis derer nur noch zwei oder drei zwischen ihnen lagen und hob erneut zu sprechen an, während Yaron schwieg und sie mit missbilligend gefurchter Stirn ansah. "So hole ich dies nach, wenn Ihr erlaubt...” , wozu das alternde Familienoberhaupt mit einer sparsamen Handbewegung einlud. "Ich grüße Euch im Namen Firuns des Grimmen, Herr Vater!”
"Seid mir im Schoß der Familie und an deren Herdfeuer willkommen, Euer Gnaden!”, gab Yaron langsam aber bestimmt zurück. "Wie geht es Hochwürden, Tochter?”
Firuwen nahm die Missbilligung ihres Vaters hin, so wie man auch einen Platzregen hingenommen hätte. Leichter noch, denn sie hatte dies Ereignis ja selbst verschuldet. Und war noch immer im Unklaren darüber, weshalb sie sich derart hatte ablenken lassen. "Ich sah Seine Hochwürden zuletzt vor fünf Tagen, als er zur Eschenau aufbrach. Ich erwarte ihn nicht vor der vollen Mada zurück", antwortete sie ihm mit aufgeräumter Stimme.
Yaron nickte und dachte kurz daran, dass der fast gleichalte - aber mittlerweile als wunderlich geltende - Moradhur das Totenfest alleine im Flüsterwald verbracht hatte. Angesichts der anstrengenden Hochzeitsvorbereitungen auf der Burg, wäre dies sicherlich erstrebenswert gewesen, überlegte der Junker und nickte kaum merklich: "Bestellt ihm bitte meine besten Grüße, Tochter. Wie in jedem Winter werden wir den Tag der Jagd begehen und natürlich ist auch er gerne geladen.”
"Das werde ich gerne tun, Herr Vater”, sagte sie. Natürlich wusste ihr alter Mentor, dass er stets zum Tag der Jagd eingeladen war. Allerdings schadete es nicht, ihn dann und wann daran zu erinnern, dass es noch Menschen gab, denen er mal wohlgesonnen gewesen war.


Ritter Alburian von Schilfenberg

Alburian von Schilfenberg war in seinem sechzigsten Lebensjahr und damit im gleichen Alter wie der Burgherr von Moranshall, aber im Gegensatz zu diesem, schon lange nicht mehr an Turney und Gestech beteiligt. Der Herr von Broch Eodan trug eine langärmlige grasgrüne Cotte und einen dicken lindgrünen Umhang, der wohl mit Fuchspelz verbrämt war. Sein grauschwarzer Bart hatte eine imposante Größe. Neben ihm stand ein stämmiger Kerl, mit Halbglatze und einem stattlichen Backenbart. Der Waffentreue überragte seinen Herrn beinahe um einen Kopf, war in braunes Leder und grüne Wolle gekleidet und verwahrte offenkundig das Zweihandschwert des Ritters in seinen großen Händen.

"Habt Dank für die Einladung, Kind", begrüßte der alte Recke mit schroffer Freundlichkeit die Tochter seines Nachbarn, die darauf mit einem feinen Schmunzeln artig vor ihm knickste, und musterte den großgewachsenen Mann an Rhonwens Seite mit wohlwollendem Blick: "Das ist also der berühmte Ritter, von dem man sich so manche Geschichte erzählt. Es freut mich, auch Eure Bekanntschaft zu machen, Herr Sidhric. Ich bin Alburian von Schilfenberg und habe ein bescheidenes Gut den Flusslauf hinab in Richtung Tommeldomm", erzählte der alte Recke freundlich.
Als berühmt hätte sich Sidhric nicht bezeichnet, dennoch nahm er das Kompliment mit einer leichten Verbeugung gerne an.
"Ich für meinen Teil, war schon immer gut auf die Flussleute zu sprechen. Achtbare Männer und sittsame Frauen. Zumindest die eine Hälfte und von der anderen wollen wir in den kommenden Tagen lieber nicht sprechen, denn es gilt einen Traviabund zu feiern”, hob der alte Recke hervor. "Daher kann ich Euch beiden nur wünschen, dass Ihr zwei stets ehrlich und respektvoll miteinander umgeht! Das Leben ist allzeit ein Kampf, nicht nur auf dem Feld der Ehre", wusste der Ritter zu berichten. "Achtet Eure gegenseitigen Schwächen, wie Blößen im Zweikampf, dann seid Ihr besser beschützt vor den Unbilden des Lebens", versicherte Alburian weiter. "Lasst Euch das von einem alten Mann wie mir gesagt sein. So, jetzt habe ich aber mehr als genug der Worte verloren und halte schon viel zu lange seine Hochwohlgeboren und dessen Gefolge auf.”
Rhonwen schmunzelte noch immer. Sie mochte die väterliche oder wohl eher schon großväterliche Art des Ritters, die einen solchen Gegensatz zur kühlen Art ihres Vaters bildete, und sie war ihm aufrichtig dankbar, dass er sich so gut gelaunt zeigte, obwohl doch seine Tochter vor wenigen Götterläufen in der Heckenfehde ihr Leben bei der Verteidigung von Môranshall gelassen hatte.
"Habt Dank für Eure weisen und freundlichen Worte, die wir gerne beherzigen wollen, Herr Alburian, und seid uns recht herzlich in Travias Namen willkommen.” Ihr Blick glitt erst zu Sidhric an ihrer Seite und dann kurz zu ihrem Grafen, der tatsächlich bereits in der Tür wartete, dennoch sagte sie: "Sagt, war nicht eigentlich geplant, dass Ihr den gräflichen Vogt und Euren Sohn begleiten solltet, wenn sie von Tommeldomm über Schilfenberg hierher kämen?”
Alburian drehte sein Haupt: "Das ist wohl wahr. Aber ich wollte nicht noch länger im Zingelhof auf seine Hochgeboren warten. Ich bin mir sicher, dass er es mir nicht nachtragen wird. Es kommen immer mehr Gäste an und so gibt es immer noch jemanden, den es zu begrüßen gilt, oder jemanden mit einer Bitte an seine Hochgeboren”, grummelte der Rittersmann.

Bruder Dílleachdan hatte den weisen Worten des Ritters über das Wesen eines gelingenden Traviabundes aufmerksam gelauscht. Dann machte er sich wieder sehr sorgfältig daran, das gebutterte Brot mit Salz zu bestreuen.
In großen Bissen verschlang der Ritter das Brot und nickte dem Geweihten dabei wohlmeinend zu. Danach machte er sich auf den Weg, um auch den Burgherrn und seine Gemahlin zu begrüßen.
Das Junkerspaar blickte dem Oberhaupt von Haus Schilfenberg mit gemischten Gefühlen entgegen, doch jeder auf seine Weise, da Alburians Tochter hier in diesen Mauern bis zum blutigen Höhepunkt der Heckenfehde Waffenmeisterin gewesen war. Nach dem Verrat von Haus Krähenfels bei der Schlacht der Krähen hatte die Edelmagd immerhin die Überlebenden hierher in Sicherheit hatte führen können, aber ein schicksalshafter Ausfall gegen die Belagerer hatte sie das Leben gekostet. Beim weiteren Aufstieg des noch jungen Rittergeschlechts im Schatten der Taladan und Stepahan wäre es ihr vielleicht dereinst noch durch eine geschickte Hochzeit gelungen, die Ritterwürde zu erringen - doch nun war sie tot und Haus Schilfenberg geschwächt.

Auch wenn sich Anteilnahme, aber eher noch Bewunderung für die Haltung des Ritters auf Gwynnas Gesicht abzeichneten, war hier Yaron derjenige, der sprichwörtlich den ersten Schritt tat. Zwar nur einen kleinen, doch wer den unbewegten Herrn von Albenau kannte, mochte die kleine Geste als deutliche Zugewandtheit verstehen: "Wohlgeboren Alburian, seid uns in Travias und Firuns Namen hier in diesen Hallen willkommen, so wie jederzeit”, hob Yaron an und verbeugte sich tiefer als der Truchsess Tommeldomms dies vor einem Ritter hätte tun müssen - oder hier die Etikette zwischen vertrauten Nachbarn gebot.
Auch Gwynna zeigte einen tiefen Knicks, da sie sich nur zu gut an die schicksalshaften Geschehnisse erinnern konnte.
"Habt Dank für die Einladung zu dieser Feierlichkeit und auch für Eure freundliche Geste", betonte der Herr von Broch Eodan, und verneigte sich. "Die kommenden Tage sollen ganz Eurer Tochter gehören! Auch Ihr seid mir stets willkommen und vielleicht bietet sich noch vor dem ersten Schneefall die Gelegenheit zur Jagd!"
Yaron nickte freundlich. "Gerne nehme ich Eure Einladung an, Wohlgeboren. Auch Ihr seid mir ein gern gesehener Gast bis zum Winter und auch zum Tag der Jagd”, gab er zurück. Seine Gemahlin bekräftigte die Einladung ebenfalls und schob dann aber behutsam nach: "Der Tag der Toten liegt gerade erst hinter uns, Wohlgeboren. Die kommenden Tage mögen zwar meiner Tochter und ihrem zukünftigen Gemahl gelten, heute aber möchte ich Euch einladen, gemeinsam mit mir später im Zingelhof am Opferstein Talia zu gedenken. Sie wird mir...”, und sie blickte dabei kurz zu Yaron, "...sie wird uns nicht vergessen sein."
Alburian brauchte keinen Opferstein, um sich an seine Tochter zu erinnern. Sie war hier auf Burg Môranshall gefallen, als sie Hof und Herd dieser Leute vor dem Waffenvolk der Riunad zu schützen suchte. Talia wurde ehrenvoll zu Rondra befohlen, ihr Wirken war für ihn hier noch immer gegenwärtig. Dennoch wusste er die Geste seiner Gastgeberin sehr zu schätzen. "Habt Dank. Gerne an einem anderen Tag. Denn dieser soll ganz im Zeichen der Herrin Travia stehen und nicht im Zeichen des Herrn Boron", beteuerte der alte Ritter wohlwollend. "Aber glaubt mir, Eure Worte bedeuten mir viel."
"Natürlich...”, gab Gwynna zurück, "...natürlich… Wohlgeboren.” Die Junkersgemahlin nahm die Ablehnung Alburians gefasst an, allerdings änderte dies nichts an ihrem Vorhaben für den Abend.
"Außerdem darf ich Euch, Wohlgeboren, zur Nachfeier der Hochzeit einladen”, ergriff wieder Yaron das Wort. "Da die Hochzeiter unmittelbar nach den Feierlichkeiten gezwungen sind abzureisen, werden wir die Vermählung zum Tag der Jagd im nächsten Götterlauf nochmals nachfeiern.”
"Gerne nehme ich Eure Einladung an, Euer Wohlgeboren”, brummte Alburian von Schilfenberg mit einem zustimmenden Nicken.
"Wie macht sich die junge Taldair, Wohlgeboren?”, fragte Yaron seinen Nachbarn, der einige Zeit nach der Heckenfehde die Erbin des im südlichen Tommeldomm gelegenen Rittergeschlechts als Schildmaid in Obhut genommen hatte.
"Diszipliniert und anständig, Euer Wohlgeboren. Vor einigen Jahren hat sie sich bei einer Hatz an der Seite Eures ehemaligen Schildknappen schwer verletzt und mit dem Ross wohl überschlagen. Wie Ihr wisst, hat ihre Frau Mutter die Pagenschaft nach ihrer Heimkehr aus den Schwarzen Landen und dem Ende der vermaledeiten Heckenfehde gelöst”, gab Alburian knapp zur Antwort und ein bitterer Zug stahl sich bei der Erinnerung an die Kämpfe in Tommeldomm, dem Verrat der ehemaligen Junkerin Ravindra und dem damit einhergehenden Tod seiner Tochter, hier auf Burg Môranshall, in seine Züge. Kurz wandte er seinen Kopf, um nach seinem Grafen zu sehen, der ihm dankenswerterweise mit einem Fingerzeig bedeutete in Ruhe zu schließen.
"Mein Neffe Raidred kümmert sich um ihre Fertigkeiten mit Schild und Schwert und ist zufrieden mit ihr. Kommenden Mond endet ihre Pagenschaft auf Broch Eodan.” Yaron war den Ausführungen gefolgt und nickte nun kurz, da ihm der Blick Alburians nicht verborgen geblieben war. "Dafür ein gutes Gelingen”, wünschte er knapp. Die Junkersgemahlin setzte zum Abschied noch hinzu: "Richtet bitte Frau Rondraine Grüße von uns aus, Wohlgeboren.”
"Das werde ich”, sagte der alte Ritter, verneigte sich und begab sich dann mit Uachdan zum Ausgang.