Unterredung in Hreodwulfs Wacht (1045)

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Briefspiel
Unterredung in Hreodwulfs Wacht (1045)
Region: Heckenlande
Ort: Hreodwulfs Wacht
Ab Jahr: 1045 B.F.
Zeitraum: Mitte Hesinde 1045
Beendet:

Ja

Kapitel:


Wappen haus heckendorn.png Wappen haus Albarung.png

Galbar Albarung, der frisch bestallte Heermeister der Heckenlande, gibt sich überraschend in Hreodwulfs Wacht die Ehre, um sich mit Bannerfrau Branwen von Heckendorn zu beraten.


Chronologie

1045
Mitte Hesinde: Heermeister Galbar Albarung und Bannerfrau Branwen von Heckendorn besprechen sich in Hreodwulfs Wacht.


Dramatis Personae


Die Bannerfrau und der Heermeister

Es war ein kalter Tag Mitte Hesindes‘, als der frisch bestallte Heermeister der Heckenlande, begleitet von zwei Getreuen aus Grimmhold und seinem Knappen Moreach Calad, sein Ross zügelte und schwerfällig aus dem Sattel stieg. Galbar Albarung ließ kurz seine dunklen Augen über den Innenhof von Hreodwulfs Wacht schweifen und bemerkte mit aufmerksamen Blick eine beschauliche Gruppe von Rekruten, die gerade von zwei Heckenreiterinnen im Waffenhandwerk unterwiesen wurden. Die Heranwachsenden machten einen gesunden und kräftigen Eindruck auf den alten Recken.
Nachdem er einem Pferdeknecht die Zügel seines Zelters in die Hand gedrückt hatte, begab er sich auf den Weg zur Schreibstube der Bannerherrin Branwen von Heckendorn, der Tochter seines alten Kontrahenten. Herr Galbar schlug sich den schweren Rechteckmantel aus braunem Loden über die Schulter. Darunter kam eine Secead aus grüner Wolle zum Vorschein. Diese war gemäß der winterlichen Jahreszeit mit dem Pelz eines Wolfes besetzt und zumeist mit grimmigen Fabelwesen verziert. Unterhalb des aufstehenden Kragens verschloss eine rondrianische Fibel aus Bronze die Zierweste. Sein breiter Schwertgürtel wurde teilweise von seinem imposanten Wanst begraben, welcher dennoch den Blick auf einen Eberfänger und vor allem auf das hervorstechende Gehilz seines Schwerts freigab. Auf dem Haupt trug der hünenhafte Recke, welcher einem Thorwaler in Höhe und Breite in nichts nachstand, eine mit Eichenblattzaddeln verzierte grüne Schlauchmütze.

Die Edle von Gemharsquell brütete gerade über einem Bericht über einen Zusammenstoß zwischen einer Rossschar mit einigen Strauchdieben, als es unvermittelt an der Tür klopfte. “Herein”, rief sie mit befehlsgewohnter Stimme, ehe sie das Tintenfass verkorkte und die Feder sorgsam im Halter verstaute. Meriwen Vialigh hatte sich, nachdem sie Galbar Albarung begrüßt und sein Anliegen erfahren hatte, kurzerhand entschlossen, die Bannerherrin selbst in Kenntnis zu setzen. Auf Branwens Geheiß trat die Schreiberin nun einen Schritt zur Seite und bat den Älteren einzutreten.

“Rondra mit Euch, Wohlgeboren Heckendorn“, eröffnete der Herr von Grimmhold. “Unsere letzte Begegnung ist schon eine Weile her, wie ich meine.“ Galbar schälte sich die gut gefetteten Lederhandschuhe von den Händen, während er der Schreiberin mit einem Nicken zu verstehen gab, dass sie sich nunmehr entfernen durfte.

Die Angesprochene schien kurz zu überlegen. Dann nickte sie langsam. “Rondra auch mit Euch, Wohlgeboren. Es müsste zur Einweihung des Tempels der Opferbereitschaft und Tapferkeit hier in Bredenhag gewesen sein, wenn ich nicht irre. Auf der Rittertafel haben wir uns leider verpasst. Lasst mich Euch daher an dieser Stelle herzlich zu Eurer Berufung als Heermeister beglückwünschen.”

“Habt Dank, Bannerherrin!“, trat es dem bärtigen Hünen mit tiefer Stimme über die Lippen, die für einen Moment an das Geräusch von knirschendem Firn auf der Heide erinnern mochte. “Es zählt wohl doppelt, wenn es von einer Heckendorn kommt, nicht wahr?“ Er brummte und verwahrte dann die Handschuhe hinter seinem Schwertgürtel, ehe er wieder zu Branwen hinunter sah.

Diese verzog das Gesicht zu einem gequälten Grinsen. “Vierfach, wenn es von meinem Vater kommt”, konterte sie. “Aber setzt Euch doch”, Branwen wies mit einladender Geste auf den Stuhl ihr gegenüber, “und verratet mir etwas über Eure nächsten Schritte, so Ihr denn einer Heckendorn so weit vertrauen mögt.”

Bevor dieser weitersprach, legte sich ein schmales Lächeln auf seine Lippen: “Ich bin auch hier, um mir einen Eindruck über die gräfliche Grenzwacht zu verschaffen. Wie ich sehen konnte, habt ihr ein paar weitere Rekruten gewonnen. Dies ist gut, wir werden sie früher oder später brauchen!“, erklärte er knapp.

Die Miene der Bannerherrin wurde ernst. “Eher früher, wenn man dem Gerede über einen Feenkrieg Glauben schenken will”, stellte sie fest. “Ich muss gestehen, dass ich meine Zweifel habe. Wer soll ihr Heerführer sein? Was ihr Ziel?” Nur ungern erinnerte sich Branwen von Heckendorn an ihre Begegnungen mit den Bleichen. Doch auch wenn sie ohne Frage gefährlich sein mochten, einen handfesten Krieg zu führen, traute sie den Feenwesen nicht ohne Weiteres zu.

Der Heermeister hatte inzwischen Platz genommen und fuhr sich nachdenklich durch seinen grauen Vollbart. “Am Firmament dräut ein großer Feenkrieg!“, kam es ihm langsam über die Lippen. “Dies waren die Worte des Grafen vor Fairngard, erklärte er knapp. “Alles weitere liegt wohl im Nebel des Waldes verborgen.“ Der altgediente Recke zuckte mit den Schultern. “Der Saum des Farindel wird seit jeher von zwielichtigen Kreaturen aus der Nebelwelt verheert. Doch seit einigen Jahren ist es besonders schlimm“, erklärte er kopfschüttelnd. “Ihre Namen sind euch bestens bekannt! Doch ob sie sich eines Tages unter einem roten Banner versammeln, weiß nach meinem Dafürhalten niemand!“

“Und was ist entsprechend Eure Weisung, Heermeister?”, fragte die Heckendorn ruhig, aber bestimmt. “Sollen wir abwarten? Oder wollen wir mehr über das erfahren, was den Grafen derart beunruhigt?”... ‘und ihn veranlasst hat, gerade Euch zu berufen’, fügte sie in Gedanken hinzu.

Galbar schüttelte den Kopf: “Abwarten? Ich bin nicht hierher gekommen, um abzuwarten“, betonte er. “Die Gräfliche Grenzwacht sind die Augen, die Ohren und wenn es sein muss, auch der Schildarm der Heckenlande. Ihr habt in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet, Wohlgeboren, und weitere Heckenreiter für Hreodwulfs Wacht hinzugewonnen. Bis zum nächsten Winter will ich einen vollständigen Rossbund!“, verlangte der Ältere, legte dabei den Kopf ein wenig schief und kniff lauernd die Augen zusammen. “Ich verlasse mich lieber auf die erfahrenen Frauen und Männer der Wacht, als auf irgendwelche dahergelaufenen Glücksritter“, ereiferte sich der Heermeister des Grafen. Dass er vor vielen Jahren Jast Irian Crumold nach dem Gemetzel bei Crumolds Auen abgeraten hatte, die Heckenreiter aufzulösen, ließ er unerwähnt. “Tragt Sorge dafür, dass jeder dritte Erkundungsritt in den Saumbereich des Farindel und nach Gemhar führt!“

Ein schmales Lächeln umspielte die Züge der Bannerherrin, dann nickte sie. “Eure Antwort zeigt, dass der Graf eine gute Wahl getroffen hat.” Kurz wurden die beiden unterbrochen, als ein Knecht mit Krug und Bechern eintrat. Branwen von Heckendorn bedankte sich knapp und schenkte ihnen beiden von dem Dünnbier ein. Sie prostete dem Albarung zu, nahm einen tiefen Zug und beugte sich dann zu dem Älteren. Leise meinte sie: “Ich spiele in der Tat mit dem Gedanken, zum nächsten Bognerfest mehr als nur eine Anstellung zu vergeben – so sich denn genügend Männer und Frauen würdig erweisen, versteht sich. Aber sagt, von welchen Glücksrittern sprecht ihr? Wurden bereits weitere Recken entsandt?”

Galbar hob den dargebotenen Becher Branwen entgegen: “Habt Dank! Lasst uns auf die Grenzwacht trinken!“, schlug der Albarung vor und nahm dann selbst einen tiefen Zug. “Als ich gestern Burg Bredenhag erreichte, trafen wir am Löwenbrunnen auf einen Haufen zwielichtiger Abenteurer, wie man sie dieser Tage überall zwischen Havena und Honingen findet. Sieben an der Zahl!“, erzählte Galbar eher beiläufig. “Wie einer meiner Mannen in Erfahrung brachte, sind sie wohl auf dem Weg nach Burg Halians Horn.“

“So?” Branwen von Heckendorn hob fragend eine Augenbraue. “Ich erinnere mich, dass Wohlgeboren von Singersberg im letzten Götterlauf nicht, wie erwartet, das Feenreiten zu Abagund ausgerichtet hat. Und gab es nicht gar einen Aufruf in der Fanfare?” Die Bannerherrin schüttelte den Kopf. “Ich sehe es wie Ihr: Eine Abenteurergruppe wird vermutlich mehr Schaden anrichten als nutzen. Dennoch, guten Gewissens kann ich keine Heckenreiter in den Farindel entsenden, seien sie auch noch so erfahren. Den Feind stellt man besser auf ihm unbekannten Boden.”

“So ist es!“, stimmte ihr Galbar zu, sichtlich zufrieden mit der Antwort der Bannerherrin. “Herr Adalhard muss verzweifelt sein, um sich darauf einzulassen. Und nicht jeder Recke hat so viel Glück wie mein Bruder! Tatsächlich sind diese Vorkommnisse auf dem Lehen der Singersberg beunruhigend. Wir sollten das im Auge behalten, aber auch nicht leichtfertig handeln. Die letzten Heckenreiter, die im Farindel stritten, kamen gerade so mit dem Leben davon und wie man hört, können sie sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie sie dem Wald entkommen sind“, zuckte der Hüne mit den Schultern.

“Glück hin oder her”, warf Branwen ein, Herr Raugrim wird mit seiner Erfahrung eine wichtige Stütze sein, wenn es darum geht, diesen Umtrieben auf den Grund zu gehen… und ihnen hoffentlich unblutig ein Ende zu setzen. Ich denke, es ist in Eurem Sinne, dass er die Rossscharen begleitet, die sich in der Gegend um Halianshall umschauen?”

“Der Pfad meines Bruders war stets ein blutiger!“, gab Galbar zu bedenken. Für einen Moment fuhr er sich nachdenklich durch das Gesicht und legte dabei die Stirn in Falten. “Ihr seid die Bannerherrin, junge Heckendorn“, betonte er. “Es ist sicherlich klug, einen Mann mit seiner Erfahrung unter einer Rossschar zu wissen, welche nach Gemhar zieht. Phex hatte schon immer ein Auge auf meinen Bruder.“

“Habt Dank für Euren Rat”, gab die Jüngere zurück. “Wenn ich ehrlich bin, bin ich nicht einmal sicher, ob Feen bluten können.” Sie verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen, wurde aber rasch wieder ernst. “Gegebenenfalls werde ich mich mit meinem Gemahl beratschlagen – im Vertrauen versteht sich. Immerhin hat Winhall durchaus Erfahrung im Kampf mit Feen.”

“Tut dies!“, bekräftigte Galbar Albarung. “Derlei Hilfe ist mir willkommen und sicherlich wird auch Winhall von diesem Feenkrieg betroffen sein,“ ‘...sofern dieser noch zu meinen Lebzeiten stattfindet‘, grübelte der Alte und sah dabei auf den Boden seines Bechers.

“Das steht zu befürchten”, nickte Branwen. “Wenn es so weit ist, dürfte es an Euch und Hochwohlgeboren sein, den Schulterschluss mit dem Haus Fenwasian zu suchen. Wobei dessen Vertreter sich meiner Erfahrung nach nicht so gern in die Karten blicken lassen...” Die Bannerherrin nahm einen weiteren Schluck aus ihrem Becher. Dann sah sie den Heermeister prüfend an. “Besteht die Möglichkeit, dass ein rein menschlicher Gegner hinter all dem steckt? Oder zumindest darin verwickelt ist? So wie im Fall des jungen Singersberg?”

“Ich weiß von meinem Neffen Brandred, dass das Schurkenstück in der Nähe von Burg Eichenzorn nicht allein Arwulf von Singersberg zuzuschreiben ist, sondern eben auch jenem Feenwesen, welches meinen Bruder seit vielen Jahren heimsucht. Aber sicherlich ist euch dies schon längst bekannt“, vermutete der ältere Ritter und sah Branwen an.

Die Bannerherrin erwiderte den Blick unverwandt. “Deshalb sprach ich von ‘verwickelt’”, entgegnete sie. “Offenbar spielt das Feenreiten eine gewichtige Rolle in dieser ganzen Angelegenheit. Ich frage mich, ob durch die Absage nicht eine Möglichkeit verstreicht, die Anführer der Gegenseite herauszulocken...”

Mit einem wohlwollenden Brummen bemerkte der alte Recke, dass die Bannerherrin die Namen der Andersweltlichen nicht leichtfertig in den Mund nahm und ihnen so womöglich eine Einfallpforte in die Welt der Menschen öffnete. “Ob sich in diesem ganzen Nebel noch ein weiterer Sterblicher verbirgt, weiß ich nicht!“, erklärte Galbar nachdenklich, die Vermutung von Branwen einstweilen zurückstellend. ‘Überraschen würde es mich nicht‘, dachte der Alte stumm. Auch wenn er selbst niemanden benennen konnte. Neugier lag in seinem Blick: “Habt Ihr denn jemanden im Auge?“

Branwen schüttelte den Kopf. “Nein. Aber in der Vergangenheit haben sich immer wieder Adlige mit dem Feenvolk eingelassen. Und sollte die Vermutung stimmen, so halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass die Person von Adel ist. Für solch ein Bündnis braucht es gewisse Eigenschaften.” Sie schwieg kurz, und für einen Moment schien es, als weilten ihre Gedanken weit entfernt. Mit grimmer Miene fügte sie dann an: “Selbstüberschätzung, Wille zur Macht und Skrupellosigkeit. Fällt Euch jemand ein, auf den diese Merkmale zutreffen?”

Die Augen des Heermeisters ähnelten dem schmalen Sehschlitz eines Visierhelms. “Menschen, die mir nicht wohlgesonnen sind, würden mich sicherlich mit derlei Charakterzügen in Verbindung bringen.“ Ein kurzes Zögern flackerte in seiner Stimme auf. “Ich kenne ebenfalls einige Standesgenossen, die ich nicht sonderlich schätze! Aber dunkle Feenpaktierer befinden sich im Allgemeinen nicht unter diesen, und über die Toten will ich kein Wort verlieren“, erklärte er mit kalter Miene. Nun war es Galbar, der seinen Gedanken nachhing und sich für einen Moment ausschwieg. “Und was ist mit einem Druiden? Oder einer Hexe?“, spekulierte der Alte dann schließlich weiter. “Sie haben zwar nicht den Vorzug der Abstammung, aber jenen der Zauberei!“

“Das stimmt wohl”, pflichtete die Heckendorn bei, “allerdings haben sie auch wenig Grund, einen Konflikt zwischen Feen und Menschen heraufzubeschwören. Sagt man ihnen nicht nach, dass sie eher zurückgezogen leben?” Sie stutzte und legte den Kopf schief. “Jedenfalls die meisten. Albarius Graustab hat schon häufiger die Nähe des Adels gesucht. Aber der steckt sicher nicht dahinter. Vermutlich ist es auch nur Wunschglaube. Ich finde es deutlich einfacher, es mit einem Menschen aufzunehmen als mit einem Andersweltlichen.” Sie seufzte. “Sollten wir dem Grafen raten, den Bewohnern der Weiler nahe des Farindel nahezulegen, ihre für eine Weile zu verlassen?”

Galbar legte die Stirn in Falten. “Dies ist fürwahr eine schwierige und folgenreiche Entscheidung. Ich möchte keine neuen Konflikte im Adel provozieren“, gestand er offen und erinnerte sich nur zu gut an die blutige Heckenfehde. “Sicher“, pflichtete die Bannerherrin bei, “es greift in die Herrschaft von Wohlgeboren Singersberg. Vermutlich ist es ratsam, ihn hinzuzuziehen statt über seinen Kopf hinweg zu beraten.“

“Nachdem was ich weiß, ist Herr Adalhard ein pflichtbewusster Mann. Er wird sich über derlei Dinge selbst seine Gedanken gemacht haben. War nicht sogar im letzten Frühling der Graf persönlich auf Burg Halianshorn?“, brummte der Heermeister nachdenklich. “An Rat hat es ihm also kaum gefehlt! Wohl aber an der Tat. Daher bleibe ich bei meinem Urteil! Aber sagt“, fuhr Galbar Albarung unverwandt fort. “Was haltet Ihr von dieser Feenqueste?“

“Das Vorhaben von Wohlgeboren Vialigh?” Branwen von Heckendorn legte den Kopf schief und schien zu überlegen. “Die Tommeldommer Wehrmeisterin wurde vom Grafenhof entsandt. Ich nehme an, der Graf und seine Berater hatten gute Gründe”, erwiderte sie dann ausweichend. “Ebenso wie sie es für richtig befanden, ihr die junge Riondara Iomhar an die Seite zu stellen. Sie wäre eine gute Heckenreiterin geworden”, stellte sie nüchtern fest. “Vielleicht kann sie zum Erfolg der Queste beitragen. Was haltet Ihr davon? Glaubt Ihr, dass Leanna Vialigh mehr Erfolg haben wird als Wohlgeboren von Singersberg?”

“Womöglich“, entgegnete der alte Recke wortkarg. Dann sah er die Tochter seines alten Kontrahenten offen an. “Hegt Ihr einen Zweifel an ihrer Befähigung? Immerhin wart ihr ja nicht die gesamte Zeit bei den Beratungen zu gegen.“

“Welcher Befähigung bedarf es denn in Euren Augen für diese Aufgabe?”, gab die Jüngere prompt zurück. “Alles, was ich weiß, ist, dass sie aufgerufen ist, den andersweltlichen Umtrieben in den Heckenlanden, genauer an den Säumen des Farindel, auf den Grund zu gehen. Ich denke, dass sie hierzu ebenso befähigt ist wie jede andere Reckin.” Branwen legte den Kopf schief und legte die Stirn in Falten. “Könnt Ihr mir mehr darüber sagen?”, fragte sie.

‘Im Grunde nicht‘, dachte Galbar stumm, während er den Kopf schüttelte. “Ich weiß so viel wie Ihr, womöglich sogar weniger! Immerhin wart ihr vor einigen Tagen bei den Beratungen der Rittetafel zeitweise zugegen und hört aufgrund eurer Aufgaben mehr Geflüster als ich“, gab Galbar offen zu bedenken. “Wenn ich etwas Verlässliches wüsste, würde ich es mit Euch teilen“, beteuerte der Rittersmann. “Allerdings kam ich gerade nicht umhin, ein kurzes Zögern in Euren Worten zu vernehmen, als ihr auf die Reckin des Flusses zu sprechen kamt! Und es schien mir ebenso, dass Ihr nicht mit allen auf der Rittertafel getroffenen Entscheidungen einverstanden seid!“

Kurz stahl sich Misstrauen auf die Miene der Bannerherrin. “Schien es so?”, fragte sie und hob eine Augenbraue. “Nun, es ist sicher kein Geheimnis, dass ich mich dafür ausgesprochen habe, die Reihen der Heckenreiter nicht bereits auszudünnen, ehe wir sie geschlossen haben. Ich beziehe mich auf die Angelegenheiten des Hauses Iomhar”, fügte sie erklärend hinzu.

“Nichts anderes habe ich von der Bannerherrin erwartet!“, erklärte der Heermeister mit einem zustimmenden Nicken und machte dabei eine auffordernde Handbewegung, da ihn das gesamte Bild interessierte.

“Was Wohlgeboren Vialigh angeht, gibt es nichts, was ich ihr anlaste. Im Gegenteil, wird sie doch von meinem Vater durchaus geschätzt. Die Zweifel, die Ihr herausgehört zu haben glaubt, gelten eher der Frage, wie Bredenhag mit der Angelegenheit im Gesamten umgehen sollte. Aber das haben wir ja zuvor schon erörtert.”

Galbar Albarung dachte kurz nach und schürzte dabei die Lippen: “Ihr seid doch bestens vertraut mit der Chronik der Wacht. Ist es zutreffend, dass in früheren Zeiten mehr Streiter von edlem Geblüt die Reihen der Grenzwacht füllten?“, fragte der Heermeister interessiert.

Kurz schien Branwen von Heckendorn zu zögern. Tatsächlich war sie sich unsicher, worauf die Frage des Heermeisters zielen mochte. Daher antwortete sie recht knapp, doch wahrheitsgetreu: “Dem ist so, Wohlgeboren. Vor allem Zweit- und Drittgeborene.” Die Bannerherrin lehnte sich leicht nach vorn. “Warum fragt Ihr?”

“Womöglich finden sich noch einige unentschlossene Klingen in den Reihen des Adels, welche man für die Wacht gewinnen könnte! Vielleicht fehlt es ihnen lediglich am rechten Ansporn?“, mutmaßte der Heermeister und sah dabei zuversichtlich zur jüngeren Heckendorn.

Diese schmunzelte. “Wollt Ihr damit etwa andeuten, die Ehre, unsere Grenzen schützen zu dürfen, sei nicht genug? Schwebt Euch denn etwas Konkretes vor?”

“Nach dem was ich weiß, sind besonders jene Geschlechter der Grenzwacht verbunden, die selbst ein Lehen an der Grenze halten. Andere sind es weniger“, führte Galbar aus. “Vielleicht hilft es ja, wenn Ihr gezielt über eine Rossschar Heckenreiter die unverfängliche Unterredung sucht? Selbst wenn Ihr so nur drei Köpfe hinzugewinnen würdet, wäre dies ein Erfolg, sind diese doch zumeist im Waffenhandwerk oder in der Verwaltung unterwiesen.“

Branwen nickte zögernd. “Es gibt durchaus Bestrebungen, Nachwuchs auch abseits des Bognerfestes zu werben. Aber gern nehme ich mir Eure Worte zu Herzen und werde hier etwas verbindlicher. Vielleicht werde ich die ein oder andere Rossschar mit konkreten Namen entsenden. Schweben Euch bereits Häuser vor, die vielleicht nur noch ein wenig überredet werden müssen? Oder überlasst Ihr das ganz mir und meinen Leuten?”

Galbar nickte: “Am besten, Ihr nehmt das eigenverantwortlich in die Hand. Ihr seid die Bannerherrin!“, bekräftigte der altgediente Ritter abermals und sah die Jüngere forschend an. “Dies führt mich zu einem weiteren Anliegen. Ich möchte mich beim Grafen dafür einsetzen, dass zukünftig auch die Bannerherrin der gräflichen Grenzwacht einen Sitz an der Rittertafel erhält. Wäre dies auch in eurem Sinne?“

Hatte die Bredenhagerin zu den Worten des Albarung zunächst noch bestätigend genickt, schien sie nun deutlich überrumpelt. “Ihr... überrascht mich mit diesem Vorstoß, Wohlgeboren”, gab Branwen von Heckendorn zu. “Aber ich gebe Euch Recht: Die Heckenreiter können sicher die ein oder andere interessante Nachricht beitragen. Und sicher wird es auch das Ansehen der Grenzwacht in den Augen des Adels steigern. Es würde der Sache also durchaus dienlich sein.” Die Bannerherrin lächelte. “Habt Dank für Euer Vertrauen, Wohlgeboren.”

“Dann ist es beschlossen!“, entgegnete der Heermeister zuversichtlich, erhob sich dabei und entbot der Tochter seines alten Rivalen zum Abschied die ausgestreckte Schwerthand. “Rondra mit Euch, Frau Branwen!“

“Rondra auch mit Euch”, erwiderte die Bannerherrin, erhob sich ihrerseits und schlug ein. “Möge sie fügen, dass Ihr bei Eurem nächsten Besuch auf Hreodwulfs Wacht deutlich mehr Truppen zu inspizieren habt!”