Hochzeit auf Burg Krähenfels (1044) Teil 10: Hornsignale

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Chronik

29. Travia 1044
Ab der zweiten Traviastunde: Rückkehr weiterer Jagdgruppen
Zu Beginn der zweiten Boronstunde: Rückkehr der Jagdgesellschaft um Junker Caran von Krähenfels
Gegen Mitte der zweiten Boronstunde: Rückkehr der Jagdgesellschaft um Junker Brendan Aldewen


Das erste Hornsignal

Loyalität und Ehre
Mit einem souveränen Hornsignal kündete der Rüdemann Daerec schon von weitem die Ankunft seiner Pirschgruppe im Jagdlager an. In Vorfreude ob der warmen Mahlzeit und der abendlichen Feier trug er ein frohes Lächeln zur Schau, offenbar war die Jagd mit Ioric von Krähenfels und Talwen Vialigh gut verlaufen. “Na, Beute gemacht?”, rief ihm einer der Knechte zu.
“Und ob!”, antwortete der alte Jagdknecht, sodass es jeder hören konnte. “Der Hohe Herr von Krähenfels hier hat den geraden Zehnender zur Strecke gebracht, ein Fuchs war das, so heimlich wie er tat! Und einen wahrlich firungerechten Ifirnsstoß hat er ihm auch gegeben, obwohl der Recke noch wehrhaft war!”, tönte er laut. “Hört hört!”, hieß es da vom Knecht und manch anderem noch.
Ioric von Krähenfels saß hoch aufgerichtet im Sattel und quittierte die Glückwünsche mit einer bescheiden abwehrenden Geste, es war jedoch nicht schwer den stolzen Zug auf seinen Zügen und das Leuchten seiner Augen zu bemerken, als er derart begrüßt in das Lager zurückkehrte.
Talwen Vialigh hielt sich währenddessen im Hintergrund und ließ dem anderen für seinen Mut auch seine Anerkennung. Sie selbst hätte sich natürlich auch gerne gewünscht, als erfolgreicher Waidmann im Lager empfangen zu werden, noch dazu, vor den Augen Iorics und Caran, doch nun, da es anders gekommen war, brauchte sie keine. Vielleicht nur etwas Scharfes zu trinken gegen den Missmut, der sich gegen die Akzeptanz stemmte. Noch immer trug sie den erdigen Strich auf der Stirn - von dem nur Daerec und der Krähenfels wussten, was er bedeutete. Lange würde dieser sie nicht mehr zeichnen.
Daerec schwang sich aus dem Sattel und nahm die Zügel von Iorics Pferd.
“Geht nur und feiert, ich kümmer mich um eure Pferde”, sagte er und blickte kurz zu Talwen; auch für sie war das Angebot gedacht! Behände stieg Ioric von seinem Pferd, klopfte ihm auf den Hals bevor er die Zügel an den alten Rüdemann übergab.
Gut gelaunt drückte er dessen Oberarm: “Mir scheint ich schulde euch was...”
Der Rüdemann lächelte: “Nicht mehr als ausgemacht! Ein gutes Wort bei meinem Herrn vielleicht noch...” “Mein Vetter wird erfahren, dass ich keinen Fehl an eurem Dienst finden konnte!”, versicherte Ioric. Auch die Vialigh war abgestiegen, hatte am Sattel zurückgelassen, was sie nicht mehr zwingend brauchte, stattdessen mitgenommen, was nur geliehen war. Nun trat sie mit der geborgten Saufeder in der einen Hand und dem Zügel ihres Rosses in der andern an die beiden schwatzenden Männer heran.
“Geheimnisse?“ fragte sie beiläufig, weil sie nicht umhin gekommen war, zu bemerken, dass es zwischen beiden irgendeine Absprache gab.
Dabei reichte sie Daerec das Leder mit einem Nicken. “Danke.“ Ioric machte eine auffordernde Kopfbewegung in Richtung des Waffenständers und begann langsam in die Richtung der aufgespannten Plane zu schlendern. Talwen musterte er mit einem langen Seitenblick, während sie neben ihm mit der Saufeder lief, er schien etwas abzuwägen. Dann lächelte er, zuckte langsam mit den Schultern.
“Nichts dergleichen. Ich habe ihm eine Flasche Brandt und ein paar Silberstücke versprochen, sollten wir mit dem ausgelobten Hirsch zurückkehren. Nehmt ihr Anstoß daran?”
“War eure Absprache, die ihr mit dem Mann traft, denn anstößig?“ fragte sie zurück, bevor sie hinterhersetzte: “Ach, wisst ihr, Herr Ioric, solange ihr nicht irgendwelche Traditionen und Regeln brecht ist doch alles in Ordnung, oder etwa nicht?“ Talwen schenkte dem Krähenfels ein Lächeln, aber es strahlte keine Herzlichkeit aus.
Ioric blieb einen Augenblick stehen, sein Gesichtsausdruck zwischen Verwunderung und milder Belustigung. Bevor er antwortete setzte er sich erneut in Bewegung. “Ihr solltet Acht geben, dass man euch nicht derart reden hört, am Ende nennt man euch noch bitter und missgünstig.”
Er lächelte dünn. “Nicht gerade Eigenschaften die man für gemein an Gästen einer Hochzeit schätzt...”
Da lachte die Ritterin auf, tatsächlich belustigt durch seine Worte. “Ihr solltet eigentlich wissen, dass ich schon schlimmere Demütigungen ertragen habe als derart Geschwätz. Aber danke, euer Rat ehrt mich.“
Beim Waffenständer angekommen stellte sie die Saufeder mit Schwung zurück, wandte sich dann ebenso schwunghaft um und musterte einerseits den wenig älteren Rittersmann, andererseits auch aufmerksam die Umgebung. Es waren keine Ohren in der Nähe.
“Ich würde euch gerne einen Vorschlag machen, Herr Ioric. Vorausgesetzt, ihr könnt meine Gegenwart noch etwas ertragen.“
Iorics Blick war kurz zu seinem Waffengurt mit dem Langschwert geglitten, er machte aber keine Anstalten es wieder anzulegen. Stattdessen musterte er die junge Vialigh aufmerksam, versuchte in ihrem Gesicht zu lesen.
“Lasst hören!”, forderte er sie sanft auf, auch wenn sich unverkennbar Vorsicht in seine Stimme mischte.
“Wir trinken gemeinsam auf den Zehnender, denn das hat er wahrlich verdient! Und dabei tun wir zum Wohl der Unsrigen so, als stünde nicht Hader wegen jener Sache zwischen uns, sondern wir feiern diese Jagd und dieses Fest und sind einfach nur zwei Gäste auf einer Hochzeit mit Eigenschaften, die man gemein an Gästen von Hochzeiten schätzt“, benutzte sie seine Worte und führte aus, was sie darunter verstand: “Geselligkeit, Heiterkeit, Friedfertigkeit und so, ihr wisst schon, und nachdem euer Vetter den Bund mit der Dame Aldewen geschlossen hat geht ein jeder wieder seiner Wege. Und auf dem nächsten Turnier, das wir beide besuchen, sehen wir ja möglicherweise, ob es dort nicht der bessere Ort für Diskussion wäre.“ Sie meinte eigentlich Auseinandersetzung.
“So müsst ihr nicht fürchten, dass ich die Feier zu Carans heiligem Bunde mit Bitterkeit und Missgunst beschmutze.“ Zitierte sie auch hier wieder seine Worte. “Na, was meint ihr?“
Sie freute sich insgeheim schon auf das lobende Wort ihrer überraschten Mutter, und die verdutzten Gesichter der anderen, aber auch darauf, den unehrenhaften Kerl bei nächster Gelegenheit auf dem Turnierboden zu fordern. Bei einer Gelegenheit, über die nicht der demutfordernde Grimmige, sondern die zornige Sturmherrin gebot.
Für einen Moment flackerte Zorn in Iorics Augen, er hatte sich aber schnell wieder im Griff. Mit einem Schritt trat er an sie heran, sodass nur noch ein guter Spann sie trennte.
“Glaubt ihr wirklich ich hätte genossen was jener Tage zwischen uns geschah?”, fragte er sie, gefährlich ruhig.
“Ich habe euch nicht um Vergebung gebeten, weil es unaufrichtig wäre: würde ich mich heute erneut in derselben Situation finden, ich würde wieder genau so handeln.”
“Gut zu wissen”, entgegnete sie, genauso beherrscht, genauso gefährlich. Ihr Blick aus den zusammengekniffenen Augen war lodernd.
Er machte einen halben Schritt zurück, in seinem Blick lag Mitleid, in das sich eine Spur Geringschätzung mischte.
“Wenn ihr wirklich euer Empfinden von Ehre jederzeit über Loyalität stellen wollt, dann solltet ihr die Farben eurer Familie ablegen und das Rot und Weiß der Sturmherrin anstreben.”
Sie schüttelte ihrerseits bedauernd den Kopf, und auch ein wenig entrüstet.
“Eure Ehre sollte immer wichtig sein, nicht nur, wenn ihr über Loyalität nachdenkt.”
In diesem Moment ging die Waidmagd Brianna an den beiden vorbei, um ihren Speer abzulegen. Es war erst unklar, wie viel sie von den soeben gesprochenen Worten mitbekommen hatte. Als sie den Speer losgeworden war und wieder zurück zur Festtafel schritt, nickte sie den beiden Herrschaften höflich zu; ihre roten Wangen mochten Aufschluss darüber geben, dass sie doch mehr gehört hatte als erwünscht.
Ioric würdigte die Gemeine keinen Blickes, seine Augen klebten an dem irdenen Strich auf der Stirn seines Gegenüber. Er wartete jedoch bis Brianna sich entfernt hatte, bevor er fortfuhr.
“Ihr habt mir die Hand geboten und ich habe sie beiseite geschlagen.”
Aus ihrer Kehle drang ein Brummen. ‘Ach, das war ihm aufgefallen?‘
Zerknirscht senkte er den Blick, er wirkte auf einmal erschöpft.
“Dafür bitte ich um Verzeihung. Eure Geste ehrt euch und ich würde sie gerne in Anspruch nehmen, wenn ihr es immer noch erlaubt.”
“Da heute die Hochzeit von jemandem ist, mit dem wir uns beiden verbunden fühlen. Ja. Mein Angebot gilt noch. Ich stehe zu meinem Wort.”
Wobei sie es zum Wohle der Situation unterließ, letzteres besonders zu betonen. Stattdessen nickte sie langsam. Ioric erwiderte ihr Nicken, sah langsam zum Festzelt hinüber.
“Einfach zwei Gäste, mh?” Er lächelte.
“Dann sollten sich unsere Pfade hier fürs erste vielleicht trennen, sonst gibt es noch Gerede...”, schlug er vor und grinste.
“Ich werde zu späterer Stunde eure Gesellschaft suchen und dann setzen wir euren ersten Vorschlag in die Tat um! - Natürlich seid ihr jederzeit willkommen die meine zu suchen.”
Erneut nickte Talwen zustimmend. ‘Ja, so würden sie es tun.‘


Worte im Wind
Der Rüdemann hatte sich nur eine kurze Stärkung gegönnt und war jetzt bei den Pferden, galt es doch noch einen Hirsch zu bergen. Brianne, die jüngste im Jagdgesinde von Haus Krähenfels, trat dabei an Daerec heran. Ihr Gesicht war noch immer rot.
“Du warst doch mit dem Hohen Herrn von Krähenfels und der Hohen Dame Vialigh auf Pirsch, oder?”, fragte sie den Rüdemann leise und schaute sich immerwieder um, dass auch keiner in der Nähe war.
“Ja. Wieso?”, antwortete der kräftige Kerl, während er das Zuggeschirr auf das Packpferd legte.
“Ich hab die eben getroffen. Glaub’, die sind kurz davor sich Handschuhe ins Gsicht zu werfn...”, fasste Brianne das Gehörte grob zusammen.
“Ach, schon wieder?”, Daerec lachte auf.
“So ging das auf der Pirsch auch! Mal reißen die sich zusammen und ich dacht: Jup, wird schon. Dann sagt wieder irgendwer irgendwas falsches und es geht wieder los”, er hielt inne und schaute zu der jungen Frau.
“So sind se, die Adligen. Schau, dass du nicht dazwischen gerätst! Worum ging’s denn diesmal?”, hakte Daerec nach und verfluchte sich sofort für seine Neugier.
“Der Hohe Herr sagte, er bereue nichts und würde Seiner Wohlgeboren Ildborn sofort wieder das Schwert an die Kehle halten..., oder er hatte was mit der Vialigh am Laufen...”, flüsterte Brianne, nachdem sie sich erneut umgesehen hatte.
Daerec’s Augen wurden weit. Dann trat er an die Waidmagd heran, griff sie fest an der Schulter und fixierte sie mit seinem Blick: “Erzähl das keinem. Nie wieder. Vergiss, dass du das gehört hast! Am Ende fließt noch Blut!” Der Rüdemann nickte, Brianne erwiderte das Nicken.
“Geht euren Hirsch bergen und dann feier! Der Brannt hilft dir schon beim Vergessen!”, dann grinste er wieder und setzte seine Arbeit fort während Brianne sich auf die Suche nach dem Jagdmeister Firutin Waidtmann machte...


Das zweite Hornsingnal

Ein Zeichen des grimmen Jägers
Endlich war auch der Junker von Krähenfels mit seiner Jagdmeisterin Meriwen und Burgvogt Anselm von Hohenfels, schweigsam zum Jagdlager zurückgekehrt. Sie hatten den ausgelobten Hirsch gemeinsam gestreckt. Jene die Carans’ Gesichtszüge wohl zu lesen wussten, erkannten darin Ehrfurcht und eine Spur von Gram. Sie hatten ein Leben genommen und einen Teil ihrer Beute dem Weißen Jäger noch vor Ort als Opfer überlassen. Den erlegten Hirsch würde man mit Hilfe eines Zugpferdes ebenfalls ins Jagdlager überführen. Welchen Anteil der Lehnsvogt daran hatte, war auf den ersten Blick nicht zu erkennen.
Als der Bräutigam ins Lager zurückkehrte machte sich Ioric von Krähenfels auf, seinen Vetter zu begrüßen. Er hatte sich, seit er zurückgekehrt war, in einer der bereitgestellten Waschschalen Gesicht und Hände gereinigt und eine Kleinigkeit gegessen und getrunken. An der Spitze seines rechten Ärmels hatte Blut sein waidgrünes Wams dunkel gefärbt, ihn schien dies jedoch nicht sonderlich zu kümmern, zumindest lag ein zufriedenes Lächeln auf seinen Zügen. Nachdem der Junker von Krähenfels abgesessen war und dieser die ersten Begrüßungen empfangen hatte, lenkte er seine Schritte zum Gastgeber. “Ich hoffe doch, Glückwünsche sind angebracht, euer Wohlgeboren?”, begrüßte er ihn. Caran nickte ihm bedeutungsvoll zu. An seinem Gürtel fand sich ein gebrochener Eichenzweig, als Zeichen einer erfolgreichen Jagd. Er war kein Mann der leichtfertig dem Wild nachstellte, so wie man es hin und wieder aus dem fernen Königreich Garetien hörte. Das Wildbret würde die Speisekammer der Burg bereichern und so manche ihm anvertraute Seele ruhiger schlafen lassen.
“Wir haben den Zwölfender firungefällig gestreckt, Ioric. Ein majestätischer Hirsch mit ausladendem Geweih”, antwortete Caran wahrheitsgemäß. Es lag kein Hochmut in seiner Stimme.
“Hast du den geraden Zehnender firungefällig erlegt?”, wollte Caran mit prüfendem Blick von seinem Vetter wissen.
Ioric nickte langsam und für einen Moment schien sein Blick zu den Geschehnissen im Wald zurückzukehren.
“Er starb rasch und ohne Qualen durch meine eigene Hand, so wie es der milden Tochter Wunsch ist.” Ein Schatten von Ehrfurcht huschte über sein Gesicht und er griff seinem Vetter an den Oberarm, drückte ihn herzlich.
“Ich danke dir für diese Gelegenheit.”
Die Schildhand von Caran legte sich gleichsam auf die linke Schulter seines Anverwandten, mit dem er gemeinsam auf der Burg ihrer Ahnen aufgewachsen war, ehe er zum Pagendienst an den Hof von Junkerin Aldare von Singersberg entsandt wurde.
“Gut gemacht!”, betonte er schließlich anerkennend. Seine Linke verweilte noch einen Augenblick, ehe er sie wieder zurückzog.
Ioric lächelte. “Unser beider Erfolg ist sicherlich ein wohlwollendes Zeichen des grimmen Jägers für deine bevorstehende Vermählung.” Er hielt kurz inne, legte den Kopf leicht schief. “So sagte mir zumindest meine Mitjägerin und ich - ich bin geneigt ihr zu glauben.”
Kurz krauste sich seine Stirn, vermochte aber nicht den gut gelaunten Ausdruck aus seinem Gesicht zu vertreiben.
“Dies wäre zu wünschen!”, unterstrich Caran. “Ich hoffe, es fielen keine misslichen Worte?”
Ioric hob nahezu unmerklich eine Augenbraue ob der Nachfrage, entschied sich dann aber die spöttische Entgegnung die ihm auf der Zunge lag herunterzuschlucken. “Nichts Ehrabschneidendes, was die Eintracht deiner Feier bedrohen könnte”, versicherte er, milde lächelnd, während sich Carans Gesichtszüge merklich entspannten.
“Ich denke wir sind trotz unserer offensichtlichen Differenzen zu einer gewissen Übereinkunft gekommen.” Er blickte nachdenklich in Richtung des Waldes, schwieg einen Moment.
“Eine Übereinkunft?”, wiederholte der Ältere die Worte seines Vetters und sah ihn neugierig an.
Ioric nickte. “Wir wünschen dir beide alles Gute für die Zukunft und sind somit übereingekommen die Schatten der Vergangenheit von den Feierlichkeiten fern zu halten.” Er lächelte kurz.
Caran schürzte die Lippen: “Das ist ja ungemein großherzig von Euch beiden. Übrigens sind hier weder Streitkolben noch Morgenstern schnell zur Hand”, stellte er spitzfindig fest.
Ioric lachte kurz und herzlich: “Für einen Ehrenhändel braucht es nicht mehr als einen Handschuh oder die flache Hand, für einen Aufruhr nicht mehr als ein paar scharfe Worte.” Er zuckte mit den Schultern. “Daher ist es mir wichtig, dass es zu keinen weiteren Streitereien kommt und alle mit einem schreitenden Raben im Wappen besonnen bleiben!“, bekräftigte Caran.
“Ich versprach der Hohen Dame Widra eine Angelegenheit dir zu Ohren zu bringen: Ihre Tochter ist in dem Alter das sie einen Pagendienst antreten sollte und sie ersuchte mich zu fragen ob dies wohl auf Krähenfels geschehen könne.” “Wie heißt das Mädchen doch noch gleich und was weißt du über sie?”, wollte Caran wissen. Er hatte sie zuletzt bei seiner Verlobung auf Burg Eichengrund gesehen. Als Haushofmeister kannte Ioric die Heranwachsende sicherlich gut, um für sie Fürsprache zu halten. “Marhada, heißt sie”, antwortete Ioric, ohne lang überlegen zu müssen. “Ein kluges und fleißiges Kind. Bisweilen etwas willensstark, aber von rondrianischer Gesinnung und eine bemerkenswert geschickte Reiterin, für ihr Alter.”
“Dein Wort genügt mir in dieser Sache vollkommen Vetter!”, unterstrich Caran.
“Du kannst der Ritterin ausrichten, dass ich mir gerne ein Bild von der jungen Marhada machen möchte. Weißt du warum Frau Widra ihre Tochter nicht gleich mitgebracht hat?”
Ioric zuckte mit den Schultern. “Wir haben nicht darüber gesprochen. Ich bin mir sicher, sie und ihre Mutter fühlen sich sehr geehrt durch deine Einladung.”


Mutter und Tochter
“Was ist das für ein Dreck in deinem Gesicht? Oder hattest du eine Begegnung mit dem Boden?“, raunte die Edle von Unkengrund der Jüngeren zu, nachdem sie und ihre Tochter bei den Erfrischungen zusammentrafen.
“Es ist ein Zeichen“, seufzte Talwen. Ihre Mutter wusste mal wieder gar nichts von den Riten firungefälliger Jagd, doch das war ihr nicht neu. Die Frau, die sie geboren hatte, hielt es wesentlich mehr mit den Feen der Flüsse.
“Aha. Und wofür?“, fragte Leanna weiter.
“Für Demut“, antwortete Talwen wahrheitsgemäß, wandte sich anschließend ab und ging ein paar Schritte zu einem Platz, an dem sie sich setzen konnten und welcher abseits anderer Gäste lag.
Ihre Mutter folgte ihr mit hochgezogenen Brauen und nahm das Gespräch auf, kaum, dass sie neben Talwen Platz genommen hatte.
“Für den Grimmigen malst du dir Dreck ins Gesicht? Sicher ein Brauch unter Heckenreitern, den ich noch nicht kenne“, schmunzelte Leanna, seufzte aber innerlich. Lange gehalten zu haben schien dieses Versprechen ja nicht. Der Ton ihrer Ältesten war schon wieder so missgefällig. Hoffentlich fand sich bald ein Mann für Talwen, der ihr entweder den Unsinn austrieb oder ihr düsteres Gemüt mit Zuneigung aufzuhellen vermochte. Sie seufzte abermals. Das würde noch ein ganz schönes Stück Arbeit werden... “Nein, es ist das Zeichen einer Übereinkunft“, antwortete Talwen und trank von dem Becher mit Würzwein, den sie sich besorgt hatte.
“...mit dem Grimmigen“, schloss Leanna, sorgsam prüfend.
“Nein, mit…arr,“ Talwen hielt genervt inne und drehte sich ihrer Mutter ganz zu.
“Willst du es denn wirklich wissen, oder ist es dir nur peinlich, dass ich mit verschmutztem Gesicht herumlaufe?“, fragte sie ihre Mutter.
Leanna funkelte die Widerspenstige drohend an. “Nicht in diesem Ton. Wir sind hier auf einer Hochzeitsfeier.“
“Auf einer Jagd,“ berichtigte Talwen unbeeindruckt.
“Ah, ja, sicherlich.“ Mit einem Blick der Warnung, den Bogen nicht zu überspannen, sah Leanna die Jüngere an.
“Ich gebe dir einen guten Rat. Du solltest weniger trinken und dich zusammenreißen!“ Dann schlug sie einen versöhnlicheren Ton an, um das Gespräch zu deeskalieren: “Ich habe gehört, dass eure Jagd erfolgreich war und dass du und der Krähenfels euch nicht an die Gurgel gingt. Das freut mich zu hören. Ich hatte…“
“...Sorge, dass ich die Fehde ausrufe?“, fiel Talwen ihrer Mutter ins Wort, die daraufhin erneut grimmig dreinschaute.
“Nein. Aber doch, dass du möglicherweise den ersehnten Firunsdienst nicht genießen kannst, weil dich andere Dinge zu sehr ablenken.“
“Hältst du mich für blöd, Mutter? Ich würde nie...“
“Ich halte dich zumindest für leicht aus der Ruhe zu bringen, wenn es um die Sache von damals geht.“
“Ich habe die Jagd genossen, Mutter. Sie war gut. Der Zehnender war ein würdiger Gegner. Und der Herr Ioric und ich waren eine Jagdgesellschaft.“
“Ich habe gehört, der Herr Ioric hat den Hirschen gestreckt.“
“Ja. Hat er. Mit einem Ifirnsstoß“, erklärte sie angespannt, denn Talwen platzte gleich der Kragen. Auf was wollte ihre Mutter hinaus. “Und?“ Sie wartete, ob noch etwas käme.
“Nichts und. Das ist nur das, was ich gehört habe.“ Leanna zuckte mit den Schultern und stieß mit ihrem Becher gegen den ihrer Tochter. Aha. Wieder war der Krähenfels ihrer Tochter über gewesen, womöglich kam daher deren Gereiztheit.
“Euer Erfolg ehrt euch vor Firun und vor den Augen anderer.“ Doch Talwen sah immer noch mit Verwirrung zu ihrer Mutter hin.
“Habt ihr überhaupt ein Wort miteinander gewechselt, du und der Krähenfels?“, wollte die Edle wissen.
“Ja. Tatsächlich mehr als eines.“ Immer noch lauerte Talwen, um nicht zu verpassen, auf was ihre Mutter eigentlich anspielte.
“Ich nehmen an, es fiel kein Wort der Schande.“ Leanna trank nebenbei einen Schluck.
Talwen verdrehte die Augen. “Natürlich nicht!“ Dann konnte sie nicht mehr an sich halten: “Sorgst du dich etwa nur um deinen Ruf oder darum, was dein neuer ‚Verbündeter‘ denkt, wenn seinem Vetter mal jemand zur Abwechslung das Schwert an die Kehle hält?“
“Ich rate dir dringend, mäßige dich, Talwen Vialigh! Oder willst du mich weiterhin beschämen“, zischte die Edle.
Talwen klappte bei den harschen Worten ihrer Mutter der Mund auf und sie rang einen Moment um Luft. Da benahm sie sich und dann war es auch wieder nicht recht. Kopfschüttelnd setzte sie gerade zu einer Erwiderung an, da ertönte ein Hornsignal. Und dann noch eines, welches Talwen sofort auf die Beine zog, denn es verhieß nichts Gutes.


Das dritte Hornsignal

Düstere Kunde
Und wieder war aus der Ferne ein Hornsignal zu hören. Nur dass dieses gänzlich anders klang. Kaum war es verhallt, ertönte es von neuem: drei lange, tiefe Töne. Jagdmeisterin Meriwen, die soeben noch mit Brianne im Gespräch gewesen war, wurde sofort ernst und lauschte. Dann suchte sie mit ihrem Blick erst den Diener der Peraine, dann Caran von Krähenfels, der gerade eben noch in ein Gespräch mit Ritter Wulfwin von Tannengrund und Burgvogt Anselm von Hohenfels vertieft gewesen war. Die graugrünen Augen des Gastgebers hatten sich geweitet. Die Hornstöße ließen nichts Gutes erwarten.
“Entschuldigt mich bitte”, wandte er sich mit knappen Worten an seine Gäste, welche die Beunruhigung des Junkers von Krähenfels spürten. In der letzten ausstehenden Jagdgruppe war ausgerechnet sein zukünftiger Schwager Brendan Aldewen. Hoffentlich war diesem nichts schlimmes zugestoßen.
“Nur zu!”, rief ihm der Erbjunker von Maradom hinterher, als Caran bereits nach Meriwen Ausschau hielt und dann mit großen Schritten auf sie zutrat. Diese war ihm auf halbem Wege entgegengekommen. “Wir erwarten noch die Rückkehr der Gruppe um Euren baldigen Schwager”, stellte sie fest. “Ich unterrichte Seine Gnaden Widhold und das Gesinde. Wenn Ihr die anwesenden Heilkundigen weisen könntet, sich im Heilerzelt bereit zu halten...”, sie atmete tief durch und straffte ihre Haltung. Die Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben, war doch ihr eigener Sohn Teil dieser Gruppe. Caran nickte ihr nur rasch zu. Umgehend machte er sich auf den Weg zum Zelt von Cuib ui Birda, welcher seinen zwölfjährigen Sohn Gwynn vorsichtshalber zu Ceriana Riunad schickte, um die Edeldame zu bitten sich vorsichtshalber bereit zu halten, so wie sie es nach dem Auftakt zur Jagd besprochen hatten. Meriwen hatte den Perainegeweihten an der Tafel vorgefunden, wo er sich gerade in einem Gespräch befand.
“Euer Gnaden, Ihr werdet gebraucht!”, sprach sie ihn bestimmt an und blickte entschuldigend zu seiner Gesprächspartnerin. Der Geweihte nickte und erhob sich.
“Was kann ich für Euch tun?”, fragte er, worauf die Jagdmeisterin ihn mit einem Kopfnicken aufforderte, ihr zu folgen, sodass sie abseits kurz sprechen konnten: “Wir erwarten die Ankunft der Pirschgruppe um Seine Wohlgeboren Brendan Aldewen. Diese hat ihre Ankunft im Lager soeben mit dem Notsignal angekündigt. Wir müssen davon ausgehen, dass wenigstens einer der Jäger verletzt ist, vermutlich schwer.” “Seid ihr sicher?”, hakte Widhold nach.
“Ja. Wegen eines vertretenen Fußes würde keiner dieses Signal absetzen..!”
Die Jagdmeisterin und der Geweihte führten ihre Unterredung noch kurz weiter, kurze Zeit später suchte Meister Ährengold den Gastgeber auf, während Knechte damit beschäftigt waren, Wasser zu erhitzen, die Lampen im Zelt des Heilers zu entzünden und weitere Vorbereitungen zu treffen. Alles in der Hoffnung, am Ende doch nur übertrieben zu haben...
Gwennafaer Aldewen hatte sich mit besorgter Miene zu ihrem zukünftigen Gemahl gesellt. Das Brautpaar stand am Heilerzelt und sprach gerade mit Widhold Ährengold. Auch Sinjer Albarung, die Gemahlin des Junkers stand bei ihnen mit bangem Blick, eine Hand auf ihren Bauch gelegt. Beinahe hätte sie ihren Zelter gesattelt und wäre in die Richtung geritten, in welche die Jagdgruppe um ihren Gemahl am heutigen Morgen aufgebrochen war. Nur Dank der gesetzten Worte von Ravindra von Krähenfels waren die beiden Frauen bereit, sich mit ihr in einen der Baldachine zum stillen Gebet zurückzuziehen.
Am Ende warteten am Eingang zum Lager in gefasster Erwartung die Jagdmeisterin mit zwei weiteren Knechten, Junker Caran von Krähenfels, der Geweihte der Herrin Peraine Widhold Ährengold und der Burgmedicus Cuib ui Birda. In einigem Abstand hielt sich auch Ceriana Riunad, die sichtlich besorgt in Richtung des Weges blickte. Sie hatte sich vom Medicus soweit ins Bild setzen lassen und sandte ein kurzes Gebet zur milden Peraine, während sie der Dinge harrte.
Die Runde an der Tafel indes hatte ebenso mitbekommen, dass etwas vor sich ginge, wenn auch nicht jedem klar sein mochte, was es genau wäre. Die allgegenwärtige Spannung in der Luft sorgte zumindest für gedämpfte Gespräche und höchstens verhaltenes Lachen...