Familienrat auf Dun Glaoran (1045) Teil 02: Zeit bis zum Rat

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Zeit bis zum Familienrat

Leomar B. und Luzia

Nachdem Leomar eine Nacht über die Ideen geschlafen hatte und sie weiterhin als sehr gut befand, wollte er direkt den Tag nutzen um als erstes mit Luzia darüber zu sprechen. Nach dem Frühmahl ging Leomar zu Luzia und fragte sie: „Hallo Liebes, hast du kurz Zeit für mich?“

Die Angesprochene hob eine Augenbraue und sah mit einem fragenden -und vielleicht etwas genervten- Gesichtsausdruck zu Leomar hinüber. Sie hatte ihm schon zigmal gesagt, dass er sie nicht so nennen sollte, aber das war wohl vergebene Liebesmüh. “Natürlich, Herr Großvater.” Sie überlegte kurz, wo man gerade am Besten sprechen könnte. Der Rest der Familie zerstreute sich soeben in der Burg. “Vielleicht gleich hier am Kamin?” Sie bewegte sich in Richtung der Feuerstelle in der herrschaftlichen Stube.

Leomar hatte ihren Blick gesehen und wusste das sie das nicht mochte, nur war sie für ihn die einzige Person, neben seiner Frau natürlich, die er wirklich sehr gern hatte aus der Familie. Sie nahm ihn nämlich so wie er war und er konnte sich immer auf sie verlassen. Und natürlich mochte er es ein klein wenig, seine Enkelin zu ärgern. “Das ist eine prima Idee.” Und er folgte ihr in Richtung Kamin. Kurz bevor beide da waren, fing er das eigentliche Gespräch schon mal an: “Wie geht es dir? In ein paar Tagen ist ja der Familienrat und ich habe mir zu ein paar Punkten Gedanken gemacht und würde gerne mal deine Meinung haben. Du weißt ja, dass es deiner Großmutter immer schlechter geht und durch den Familienrat wird es mit ihrem aktuellen Gesundheitszustand bestimmt nicht besser werden. Es wird mit Sicherheit eine arge Stresssituation für sie werden. Und um sie nicht länger als nötig belasten zu müssen wäre es am besten wenn manche Entscheidungen schnell getroffen werden. Unter anderem wird bestimmt das Thema Familienoberhaupt zur Sprache kommen und es wird einige geben, die gerne das weiterführen wollen. Und da hatte ich eine wunderbare Idee. Ich würde dich gerne als das neue Familienoberhaupt vorschlagen.” Leomar war ein wenig nervös als er ihr das sagte, denn die beiden sprachen nur selten über solch ernste Themen.

Luzia hatte sich üblicherweise sehr im Griff. Sie hatte schon über hundertmal vor Gericht gestanden, doch selten hatte sie etwas derart aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Advokatin atmete einige Male tief durch und konnte sich so weit beherrschen, dass ihr nicht die Kinnlade herunterfiel. Ihr Gesicht musste aber wohl Bände sprechen. Entgeistert sah sie Leomar an. “Fffffamilienoberhaupt?!” Blitzartig schaute Luzia sich im Raum um. Sie waren allein. “Woher kommt denn das?! Wessen Idee war das?”

Leomar rechnete schon fast mit einer solchen Reaktion und deutete ihr an, etwas ruhiger zu sprechen. Auch wenn sie alleine im Raum waren, sollte trotzdem keine große Aufmerksamkeit erregt werden. Er sprach im ruhigen Ton zu ihr: “Es ist meine Idee und bisher weiß es noch kein anderer. Nicht einmal deine Großmutter. Ich wollte erstmal mit dir darüber sprechen. Ich mache mir aktuell sehr große Sorgen um sie. Ihr geht es nicht gut und ich möchte ihr nicht so großen Stress zumuten wenn der Familienrat stattfindet. Durch ihren Gesundheitszustand wird sie sowieso schon in Frage gestellt werden. Je nach dem wie du dich entscheidest, werde ich selbstverständlich mit ihr sprechen und ihr ins Gewissen reden den Posten abzugeben und das ist natürlich einfacher, wenn ich eine akzeptable Nachfolgerin für sie habe. Ich vertraue dir zu 100% das du das schaffen kannst. Und für das Lehen hab ich auch schon eine Idee.” Er hoffte, dass Luzia verstand, wie wichtig ihm dieses Anliegen war und sie sich für den Posten entscheiden würde.

Leomars Enkelin kniff kurz die Augen zusammen und schüttelte dann den Kopf. “Weder Frau Großmutter noch Frau Praihild würden das akzeptieren. Schon gar nicht ohne weitere Unterstützer, und selbst dann will ich nicht der nächste Zankapfel dieser Familie werden. Wenn das Thema zur Sprache kommt, kann es doch nur eine von ihnen sein, oder nicht? Überhaupt verstehe ich nicht… nein, doch, ich verstehe schon, warum ihr es in der großen Runde besprechen wollt, aber wenn dir wirklich an Frau Großmutter gelegen ist, dann gibt es nur einen Weg, wie du sie schützen kannst: Du musst vorher mit ihr sprechen und sie davon überzeugen, die Position freiwillig abzugeben. Viel hängt eh’ nicht daran. Es ist ein Prestigeposten, aber Frau Großmutter muss den Titel schon aus Gewohnheit sehr schätzen. Das weißt du sicher besser als ich.” Luzias Gesicht war große Sorge anzusehen. Sie fasste mit einer Hand seinen linken Unterarm. “Falls das wirklich beim Rat angesprochen wird, musst du an ihrer Seite stehen, selbst, wenn es aussichtslos ist. Sie würde es dir nicht verzeihen, wenn du jemand anderen als sie unterstützt.”

Leomar war im ersten Moment ein wenig geknickt, doch je mehr er darüber nachdachte, wurde ihm klar das sie vollkommen recht hatte. “Ich kann dich verstehen das du nicht noch mehr zwischen den Fronten stehen möchtest, als du es ohnehin schon tust. Und natürlich hast du recht, ich sollte hinter deiner Großmutter stehen und sie für den Rat vorbereiten und ihren Rücken stärken. Ich danke dir für deine ehrlichen Worte. Ich hätte selbst noch mehr über diese Idee nachdenken sollen. Danke das du dir Zeit für mich genommen hast. Ich bleibe noch ein wenig am Kamin sitzen. Wenn du magst, darfst du natürlich gerne bleiben.” So saß er dort am Kamin und guckte in das Feuer und dachte nach, wie er seine Gattin am besten unterstützte.

Luzia hatte es vorgezogen, sich in ihre Kammer zurückzuziehen und über Leomars Worte nachzudenken. Der Vorschlag war aus heiterem Himmel gekommen, und dennoch wollte sie ihn nicht einfach so verwerfen. War dies ein weiterer Versuch, sie auf irgendeine Seite zu ziehen? Nein, dafür wäre es zu plump gewesen. Das bedeutete, Leomar musste es entweder gut bedacht und ernst gemeint haben, oder Rahjalins Verfassung hinterließ langsam auch an seinem Nervenkostüm ihre Spuren. Die ganze Situation trug nicht gerade dazu bei, ihre Sorgen um ihre Großeltern zu mildern. Und sowieso: sie selbst als Familienoberhaupt? Ganz abgesehen davon, dass es außer Frage stand: Sie hätte doch gar nicht das Zeug dazu, dieses Haus zusammenzuhalten, oder? Wehmütig dachte sie zurück an Gudos Tod. Sie war doch schon einmal an der Sturheit und Rechthaberei der Familie gescheitert. Luzia presste ihre Lippen aufeinander starrte einige Augenblicke missmutig die Wand ihrer Kammer an. Dann beschloss sie, die Sache zunächst zu vertagen. Solche Grübelei führte zu nichts. Sie musste erst einmal den Kopf freibekommen. Unbewusst nahm sie den kleinen Stapel Briefe zur Hand, der sich in ihrem Sekretär gebildet hatte und den erstaunlich oft ein gewisses Siegel mit sechs Dukaten darauf zierte…

Praiophan, Leomar B. und Wappen des Hauses Bösenbursch Rahjalin

Praiophan machte normalerweise keinen Verdauungsspaziergang. Er brach sogar mit seiner liebgewonnenen Gewohnheit, sich nach dem Essen für ein Stundenglas hinzulegen, als er mitbekommen hatte, dass sich sein Schwager aufmachen wollte, um sich die Beine zu vertreten. Und da er den Mann seiner ältesten Schwester sowieso unter vier Augen sprechen wollte, hatte er sich nach draußen in die Kälte gewagt und nicht wie sonst zu einem Verdauungsschläfchen hingelegt. So kam er nun auf ihn zu: “Ah, Schwager Leomar, das trifft sich. Können wir sprechen?”

Leomar, der nach dem Essen an die frische Luft gegangen war und sich ein wenig die Beine vertrat, war ein wenig überrascht, als ihn sein Schwager ansprach, da er nicht davon ausging, dass außer ihm noch jemand einen Spaziergang machte. “Huch? Guten Tag Schwager Praiophan, was machst du denn bei der Kälte hier draußen? Ja natürlich können wir sprechen. Was gibt es?”

„Ich hörte, wie du sagtest, einen Spaziergang machen zu wollen. Und da ich vorhatte, noch mit dir zu sprechen, packte ich die Gelegenheit sogleich beim Schopfe.“ erklärte Praiophan wahrheitsgemäß, denn er war ein sehr praiosfürchtiger Mann, der Lügen verabscheute. „Tatsächlich bin ich in erster Linie daran interessiert, zu erfahren, wann meine werte Schwester gedenkt, ihrer Lehenspflicht wieder nachzukommen, die sie so schändlich vernachlässigt. Ich werde sie das schon selbst noch fragen, keine Sorge, doch interessiert mich zuvorderst deine Meinung darüber.“

Leomars Laune verschlechterte sich augenblicklich. Er hatte auf ein versöhnlicheres Gespräch gehofft. Er atmete einmal tief durch und gab zurück: “Meine Meinung zur Herrschaft meiner Frau? Was glaubst denn du, was ich jetzt sage? Bin ich nicht vielleicht wirklich der falsche Ansprechpartner…?” Er schaute kurz auf, erkannte die Ironie seiner Lage und setzte, etwas verträglicher, nach: “Warum fragst du? Wonach sieht es denn für dich aus?”

“Ich würde es schätzen, wenn du mir ehrlich und ungeschönt erklärst, was dieser Irrsinn soll.” antwortete Praiophan nachdrücklich, bevor er mit einem verzweifelten Seufzen, das tief aus seinem Innern zu kommen schien, in seiner ihm innewohnenden Verstimmtheit - in den Nordmarken Bruddeligkeit genannt - fortfuhr und gleichzeitig deutlich machte, warum er dieses Gespräch suchte:

“Moosgau ist ein Lehen, das ich nicht geschenkt bekommen möchte, das kann ich mit gutem Gewissen sagen. Aber Lehenspflicht ist nun mal eine heilige Pflicht! Und es ist nun mal auch so, dass unser Haus seit Generation dem Herre Praios und seinen uns übergesetzten Dienern dient. Und noch nie, Leomar, noch nie hat es diese Pflichtverletzung gegeben!! Es ist beschämend. Es schädigt den Ruf des guten Namens Bösenbursch - den übrigens auch du trägst, lieber Schwager!” Dabei sah er den anderen mit Strenge an, wie er es generell gern tat. “Du bist haargenau der richtige Ansprechpartner, denn es ist wiederum deine heilige Pflicht, dein Weibe - die nun mal durch das Recht der Primogenitur mit diesen Stand von Praios höchstselbst betraut wurde - dazu zu bringen, ihren Platz in der Ordnung wieder zu besetzen! Schnellstmöglich. Der Baron von Eisenstein ist wahrlich niemand, mit dem man es sich derart verscherzen sollte! Der Fürst Alverans noch weniger! Aber das brauche ich dir doch nicht sagen, nicht wahr? Und ich brauche dir sicher nicht sagen, dass die Sache unangenehmer wird, als du denkst, und zwar für uns alle, wenn Seine Hochgeboren Keyserring nicht zügig Wertschätzung erfährt, wie es Gebot ist! Daher nochmals die Frage, werter Schwager: was macht ihr hier in der Fremde? Bei den Göttern, ihr habt doch hoffentlich wenigstens einen Vogt eingesetzt??”

Praiophans Schwager schien das Anliegen durchaus verstanden zu haben, winkte aber ab und grummelte in gleicher Weise zurück. “Eins nach dem anderen. Über Moosgau…”, er hob beiläufig eine Hand, und es sah fast so aus, als wollte Leomar den erhobenen Zeigefinger kreisen lassen, “...sprechen wir sowieso noch. Das ist eines der Themen, die hier geplant sind. Ich kann dir sagen, dass wir unsere Verantwortung mitnichten von uns weisen. Moosgau wird gehalten, egal, wie schwierig es ist. Aber-” Leomar brach kurz ab, anscheinend, um die richtigen Worte zu finden. “Nein, ich kann es dir nicht sagen. Das gehört sich nicht. Du führst das Wort des Herrn im Munde, Schwager, aber du umgehst absichtlich deine Schwester, die das Lehen nunmal führt, und fragst mich lieber hinten herum. Da frag’ ich mich doch, was das soll?! Sie ist es, die dir diese Antworten geben sollte.” Der alte Beamte schien sich ehrlich in dem Dilemma zu befinden, antworten zu wollen, aber nicht zu können. “Unter anderen Umständen… ach, was soll’s. Weißt du, was? Wir machen es richtig. Wir gehen jetzt zu Rahjalin und dann bekommst du von uns beiden alle deine Antworten, die du haben willst!” Leomar wandte sich zum Gehen, offenbar in der Erwartung, dass Praiophan ihm schon folgen würde. Brummelnd fügte er noch hinzu: “...auf die eine oder andere Weise…”

„Hintenherum?“ Praiophan mochte durch die Zurückweisung verstimmt sein und gerade dieser Vorwurf gefiel ihm gar nicht. Er furchte seine Stirn noch etwas mehr, während er den Kopf vehement schüttelte. „Nein. Ich sagte doch: ich möchte erst einmal deine Meinung von Mann zu Mann hören, ohne all diese weibische Beschönigungen oder Ausflüchte.“ brummte er mürrisch. „Einfach einen unverblümten, ehrlichen, direkten und detailgenauen Bericht über die Sache. Wer, wenn nicht du, könnte ein besserer Informant sein, nachdem meine holde Frau Schwester es ja nicht in die Wege leiten konnte, mal einen Brief mit einer Erklärung abzugeben, noch auf einen der meinigen letzten zu antworten? Falschheit liegt mir so fern wie die Verehrung des Herrn Phex, Leomar, das solltest du eigentlich wissen!“ gab er pikiert von sich, um seinen Grundsatz noch einmal herauszuarbeiten. Dann seufzte er und schlug einen Ton an, der zwar immer noch einen Tadel enthielt aber zumindest auch ein Entgegenkommen. „Na schön. Wie du willst. Gehen wir zu meiner Schwester.“

Leomar drehte sich nicht nochmal um und ließ Praiophan vor sich hinreden. Allerdings konnte er sich einen weiteren Seitenhieb nicht verkneifen. “Informant, soso.” Während die beiden sich einen möglichst kurzen Weg durch die überraschend labyrinthenen Gänge Dun Glaorans bahnten, sprach er weiter. “Es geht nicht um Ausflüchte. Manche Dinge sind einfach nicht an mir zu verraten, aber du wirst schon noch verstehen, was ich meine. Und dann wird sich auch klären, warum ich dir nicht einfach antworte.”

„Aha,“ brummte Praiophan nur.

Mittlerweile standen sie vor der Tür des Zimmers, das das Paar auf der Burg bezogen hatte. Dun Glaoran hatte einmal der neue Sitz der Grafschaft werden sollen, doch dazu war es nie gekommen. Infolgedessen war das Gemäuer für einen Baronshof deutlich zu groß und viele Zimmer standen leer. Vermutlich war diese Kammer für Teile der gräflichen Familie oder als Gästezimmer gedacht gewesen- jedenfalls lag sie etwa mittig zwischen dem Rittersaal und den Gemächern der Baronin. “Warte kurz.” Leomar klopfte kurz und verschwand für einen Moment im Raum, während Praiphan die Augen rollte. Wer war jetzt der mit der Geheimniskrämerei, fragte er sich seufzend, wartete aber artig, denn es blieb ihm nichts anderes übrig. Es waren Stimmen zu hören, dann öffnete sich die Tür und Praiophan wurde von Leomar hineingelassen. Mit einem Brummen wie aus der Kehle eines großen Hundes, trat der Elenviner beherzt ein.

Die betagte Edle von Moosgau saß in einem Schaukelstuhl nahe einem der beiden Fenster und sah nach draußen in den verschneiten Burghof. Rahjalin war beinahe 10 Götterläufe älter als Praiophan und mittlerweile sah man ihr das Alter definitiv an, obwohl sie nur im Profil sichtbar war. Sie trug dasselbe unmodische Kleid, das sie schon beim letzten Zusammentreffen mit ihrem Bruder getragen hatte, obschon dies einige Zeit zurücklag. Leomar schloss die Tür hinter den beiden und ging an die Seite seiner Gattin. Diese sah ihren Gast nicht direkt an. “Praiophan, ja? Leomar sagte, du hast Fragen an uns. Setz’ mich ins Bild.”

Der so Angesprochene trat näher. Er war kein Bittsteller und dies war hier nicht ihr Heim. Auch sie weilte nur als Gast hier, entsprechend wenig würde er sich von ihr sagen lassen. Außerdem war er es nicht gewohnt, irgendwo im Raum zu warten. Andere musste das auf ihn, aber er nicht. Er kam zu beiden ans Fenster, so dass er seine Schwester besser in Augenschein nehmen konnte.

„Praios zum Gruße, Schwester.“ Allein schon in seinen höflichen Grußworten steckte die Botschaft, dass er nicht hier war, um Tee zu trinken. „Da musste ich also diese dümmliche Reise in die Westlande machen, damit du mal etwas von dir gibts und dann möchtest DU, ausgerechnet, dass ICH DICH ins Bild setze?“ Er grunzte kopfschüttelnd. „Verzeih, werte Schwester, doch hätte ich gerne, dass DU MICH ins Bild setzt! Und zwar darüber, was dieser Flohzirkus hier soll. Als Edle von Moosgau müsstest du in Moosgau sein und dort deinen praiosgefälligen Verpflichtungen nachkommen. Du weißt, dass dein schändlich aufmüpfiges Verhalten deinem Baron gegenüber auf unseren guten Namen zurückfallen wird? Ich rate dir eine wirklich gute Erkärung für all das zu haben.“ Er warf Leomar einen Blick zu. „Dein Gatte war so frei, mir eine solche zu versprechen. Nun, ich bin ganz Ohr.“

Rahjalin schien das Meiste gehört zu haben, aber anscheinend war sie schon recht früh in Praiophans Tirade über etwas gestolpert, das sie verwirrt hatte. Schließlich sah sie ihren Bruder mit großen Augen an; in ihnen spiegelte sich eine tiefe Traurigkeit. "Ich war jetzt schon so lange nicht mehr in Elenvina, aber jetzt, wo ich es endlich einmal wieder geschafft habe, kommst du her und hast nichts Besseres zu tun, als deine große Schwester so anzublaffen? Und was soll mit Moosgau sein? Gudo kümmert sich doch darum, während ich weg bin! Er muss doch lernen, mit Keyserring umzugehen, wenn ich mal nicht mehr bin...!" Währenddessen sah Leomar seinen Schwager ernst über seine Gattin hinweg an.

Praiophan stutzte, kaum, da seine Schwester das Wort Elenvina in den Mund genommen hatte, in dem Glauben, sie wäre dort. Aber als seine Schwester dann auch noch von ihrem verstorbenen Enkel sprach, als sei dieser noch am Leben, faltete der mürrische Beamte die Nasenwurzel und zog sein Monokel heraus, um einen Blick hindurch auf die Sitzende zu werfen. „Was bei allen Zwölfen ist mit ihr?“ fragte er Leomar entrüstet. Er schien nicht gewillt zu sein, Rahjalins Ansprache in irgendeiner Weise zu erwidern.

Diese wiederum schien das nicht zu stören. Sie fragte noch nachdenklich “Mit wem…?” bevor sich ihr Geist wieder anderen Dingen zuwandte. Leomar schüttelte den Kopf. “Das wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass es seit…” Er sah kurz zu Rahjalin. “...seit der Banditenhatz schlimmer geworden ist. Es kommt und geht.” Dann zog er einen Flunsch. “Eigentlich war heute ein guter Tag. Das hatte ich nicht erwartet.”

Sich nachdenklich das Kinn kratzend schwieg Praiophan einige Momente. “Das kommt unerwartet,” kam er alsdann nüchtern zum Schluss. Falls er Mitgefühl hegte, verbarg er es wohl hinter Geschäftigkeit und seiner mürrischen Art. “Hm, euren Enkel hält sie wirklich für noch nicht verblichen. Interessant. Ich nehme ebenfalls an, sie weiß folglich auch überhaupt nicht, dass das hier nicht etwa Elenvina sondern Feindesland ist. - Hat sie denn etwas auf den Kopf bekommen? Was sagen die Ärzte? Gibt es überhaupt eine Heilung, Linderung für diesen… diesen… diesen Zustand… oder bleibt das nun so?” Er sah mit sanftem Kopfschütteln und fast etwas verächtlich auf seine älteste Schwester hinab und fand sich recht schnell damit ab, wie es den Anschein machte, als er mit den Schultern zuckte. “Wie dem auch sei… Ich gehe doch aber davon aus, dass Baron Keyserring in Kenntnis darüber ist und wenn du sagst, dass Moosgau um jeden Preis gehalten werden soll, dass er einen männlichen Nachfolger, den dieser Familienrat bestimmen wird, zu akzeptieren bereit ist.” machte er deutlich, dass er von den Anforderungen, die in der Baronie Eisenstein, in der das Gut lag, herrschten, wusste. Es war auch eigentlich keine Frage, mehr eine prüfende Vermutung.

”Bislang konnte niemand Näheres dazu sagen. Wir wollen aber demnächst nach Crumold’s Ruh. Dort gibt es seit Kurzem ein Golgaritenkloster. Vielleicht gibt es dort jemanden, der weiterhelfen kann.” Es war aus seiner Stimmlage offensichtlich, dass Leomar Praiophans Art missbilligte, aber vermutlich wollte er vor Rahjalin keinen Eklat riskieren. “Keyserring weiß genug. Nach allem, was passiert ist, ist er uns sowieso noch etwas schuldig. Allerdings stellt sich dann die Frage, wer Moosgau weiter führen soll. Liudger ist in Kirchendiensten und weder Luzia noch ihre… also, sie…” -Leomar schien den Namen seiner Erstgeborenen bewusst zu vermeiden- “werden unter Hochgeboren Keyserring die nächste Edle werden. Und das ist genau die Frage, die wir hier in den nächsten Tagen klären wollen.”

„Dieses ‚um jeden Preis‘ wird auf der Waagschale zeigen, was es wert ist,“ brummte Praiophan wenig hoffnungsvoll. Sein mitleidiger Blick, den er tatsächlich jetzt aufsetzte, galt allerdings Leomars Hoffnung zum Trotz nicht dem schleichenden Vergehen, dem seine Schwester ausgesetzt war, sondern der Tatsache, dass er sich wohl jetzt mit dieser Problematik auseinandersetzen musste, ob er wollte, oder nicht. Praiophan wandte sich seiner Schwester zu, indem er vor sie trat und sich ihr, da sie saß, etwas entgegenbeugte. „Erkennst du mich?“ fragte er die Sitzende.

Rahjalin hatte die letzten Augenblicke scheinbar abwesend wieder aus dem Fenster geschaut. Nun sah sie erneut zu ihrem Bruder auf und lächelte. “Selbstverständlich, Brüderchen. Was für eine Frage.” Der jüngste Austausch zwischen den beiden schien sie nicht mehr zu bedrücken.

Praiophan richtete sich wieder auf und bedachte Rahjalin mit einem langen stummen Blick, als habe er eine Antwort in ihren Augen gesucht, aber leider nur Fragen gefunden. „Natürlich,“ sagte er dann zu ihr, als er sich von den Gedanken losriss, die ihn umtrieben. Er suchte noch einmal Leomars Blick: „Kommt und geht, verstehe,“ erklärte er dem anderen und räusperte sich, während er einen Schritt beiseite machte und sich zum Gehen wandte. „Nun, wir sehen uns später. Hab Dank für deine Zeit.“ Dann schickte er sich an, das Zimmer zu verlassen.

“Du bist jederzeit willkommen. Es scheint ihr zu helfen, vertraute Stimmen zu hören…”, warf Leomar seinem Schwager wenig optimistisch hinterher, ließ ihn aber ansonsten ziehen.

Wappen des Hauses Bösenbursch Praihild, Travialin und Wappen des Hauses Hohenfels Anselm

Praihild von Bösenbursch saß an diesem Morgen, wie so oft dieser Tage, in ihrer Schreibstube und brütete über ihren Plänen für den Familienrat. Daneben hatte sich ein kleiner Stapel unbearbeiteter Korrespondenz gebildet. Kaum einen Halbfinger hoch, aber trotzdem unschön, wie sie bemerkte. Die Baronin schob ihre Kladde zur Seite und nahm das erste Stück Papier zur Hand. Ganz obenauf hatte ihr Lehnsvogt ihr eine Notiz von Morena Aldewen gelegt. Ihre Nichte Travialin war gestern Abend mit ihrem Gemahl eingetroffen und wünschte sie zu sprechen. Praihild sah hinüber zum Gästehaus, welches endlich einmal den Namen wert war. ‘Dann wollen wir mal…’, dachte sie, bevor sie nach den beiden schicken ließ.

Travialin von Bösenbursch trat gemeinsam mit ihrem Mann, dem Burggrafen von Hohenfels, in die Schreibstube der Baronin. Sie trug ein weit fallende blaue Cotta aus Brokat mit wertvollen Stickereien am Hals und den Ärmeln. Ihr Haar lag unter einem kostbaren Seidenschleier verborgen, welcher von einem fein gearbeiteten Reif gehalten wurde. “Praios mit Euch, Hochgeboren”, grüßte sie ihre Muhme.

Ihr Mann, Anselm von Hohenfels, trug eine edle dunkelgrüne Schecke, welche mit feinem sonnegelben Stoff gefüttert war. Auf der Herzseite war eine sehr detaillierte Stickerei eines Greifen aufgebracht. Sein Haupt wurde von einem dunkelgrünen Chaperon geziert. Auch er neigte höflich das Haupt. “Hochgeboren, habt dank für den Empfang.”

Praihild hatte sich zwar eigentlich nur zum Arbeiten niedergelassen, war aber anlässlich der vielen Besucher auf der Burg eine Note besser angezogen als üblich. Über einer weißen Cotte trug sie einen dunkelblauen, gefütterten Surcot mit silbernen Borten an den Säumen. Kopf und Stirn zierte ebenfalls ein Haarreif, allerdings ohne Schleier. Sie verneigte sich gleichfalls vor ihren Gästen. “Praios auch euch zum Gruße, hochgeborener Herr Vogt- euer Wohlgeboren. Willkommen auf Dun Glaoran. Ich hoffe, die Reise und der Empfang waren angenehm?” Sie gestikulierte gleich zu zwei gepolsterten, eichenen Stühlen nahe ihres Schreibtisches, die offenbar für Gäste gedacht waren, und bewegte sich ihrerseits wieder auf ihren Sitz zu. “Leider hat sich das Wetter seit Hesinde nicht gerade zum besten gewandt…”, seufzte sie dabei.

Travialin blickte kurz zu Anselm. Der ihr mit einem Nicken antwortete. Sie nahmen beide Platz und Travialin übernahm das Wort. "Habt dank und die Reise war unauffällig." Sie blickte erneut zu ihrem Mann. "Der Empfang war herzerwärmend und der Herdmutter würdig. Sehr begrüßenswert bei diesem Wetter." Sie faltete die Hände ineinander. "Doch, Hochgeboren, Muhme, wenn ihr es erlaubt. Wie ist euer Befinden?", fragte sie mit sanfter Stimme.

Praihild sah von einer zum anderen. Für die meisten Menschen wäre dies wohl eine rhetorische Frage, aber nicht in diesem Fall. Sie bemühte sich, ihren üblichen herrischen Tonfall auch weiter zu mäßigen, stütze ihre Ellenbogen auf den Armlehnen ab und faltete die Hände. Hinter ihr war vor einem der beiden Fenster des Raumes ein Betstuhl zu erkennen. Scheinbar reichte der Baronin die wohldimensionierte Kapelle der Burg nicht aus. “Passabel. Gespannt, könnte man sagen. In den letzten Jahrzehnten ist Vieles unausgesprochen geblieben, aber irgendwann muss man schlafende Hunde eben wecken. Ansonsten ist es mir schon schlechter gegangen. Es ist eine Freude, wenn die Dinge vorangehen. Und bei euch?” Sie schien die Frage hauptsächlich an Travialin gestellt zu haben, aber auch Anselm sollte wohl mitgemeint sein.

Travialin nickte verständnisvoll und antworte mit sanfter Stimme. “Wir ertragen die Unbilden des Lebens. Die Seuche hat uns so viel gekostet…”, sie griff die Hand ihres Mannes und ihre Augen nahmen einen feuchten Glanz an. “Verzeiht…”, mit der freien Hand wischte sie ganz ungeniert die Tränen aus dem Auge, “...der Verlust unseres Kindes…ich…” Der Burggraf lehnte sich vor, ohne die Hand seiner Gemahlin loszulassen. “Wir alle haben schmerzhafte Verluste in der letzten Zeit hinnehmen müssen. Die Götter geben, nehmen und die Zeit heilt alle Wunden. Euch gilt unser tiefempfundenes Mitleid, doch wir haben vom Herren Praios eine Aufgabe und diese darf nicht ruhen. In Hohenfels ist diese Aufgabe eine große Herausforderung, aber Herausforderungen formen einen Hohenfelser” Travialin hatte sich wieder gefasst. “Verzeiht, ich hätte mich nicht gehen lassen dürfen. Uns geht es den Umständen entsprechend gut, Hochgeboren”, antwortete sie gefasst. “Ich bin erfreut, unser Haus an einem Platz versammelt vorzufinden und vielleicht geeint auseinander gehen zu sehen.”

Praihild hatte den Ausbruch ihrer Nichte diskret ignoriert, wobei sie selbst Schwierigkeiten hatte, ob ihres eigenen Verlustes nicht auch die Fassung zu verlieren. ‘Ich sollte später noch einmal allein mit ihr sprechen…’ Die Baronin nickte Travialin mit einem schmalen Lächeln zu. “So ist zumindest die Hoffnung.” Auch Anselm bedachte sie mit einem Nicken. “In der Tat. Dennoch will ich betonen, dass euer Haus unsere Hilfe genauso in Anspruch nehmen kann, wie -wie ich hoffe- wir eure. Ob es sich nun um ein gegenwärtiges Geschehen dreht oder dessen Folgen.” Unter anderen Umständen hätte der Satz vermutlich etwas plump geklungen, aber Praihild hoffte, dass er unter gleichgesinnten Praiosgläubigen recht verstanden wurde.

Anselm nickte der Baronin zu. “Eure großzügige Hilfe in der Not wird nicht vergessen und seid Euch unserer Unterstützung gewiss. Wir….”, der Burggraf schmunzelte, “...Andersdenkenden hier in Albernia können nicht nah genug zusammenstehen, um unsere Anliegen gemeinsam zu vertreten und durchzusetzen.” Dann seufzte er gespielt auf. “Die neuen und vorläufig unsrigen Probleme in Hohenfels sind noch meine…unsere Last allein. Doch es gibt schon erste Scherereien, die unsere Grenzen überschritten haben. Traviarim. Noch erhoffe ich mir einen Verbleib der Probleme in unseren Ländern, aber wenn der Zorn des freien Alberniers einmal entflammt ist…wir sollten alle im regelmäßigen Austausch stehen, um gewappnet zu sein.”

Praihild schnaubte verächtlich, aber zustimmend. “Was der Zorn des freien Alberniers bewirkt, das haben wir erst gesehen. Wenn es nun dazu kommt, dass sich weitere Renegaten offenbaren, dann werden sie sehen, was sie davon haben. Ich habe ohnehin vor, Gemharsbusch mit Blick auf diesen ominösen kommenden Feenkrieg besser aufzustellen. Gut möglich, dass meine Bewaffneten etwas Übung gebrauchen können.” Nach einer kleinen Kunstpause fuhr sie fort: “Aber ich gebe euch Recht, es ist schwierig genug, hierzulande angemessene Verbündete zu finden. Der Tod Praiodan Valdorins war höchst beklagenswert.” Wieder schwieg sie kurz und lehnte sich leicht zurück. “Was unsere Häuser anbetrifft, gibt es vielleicht schon etwas zu besprechen, bevor wir im Rat sowieso darauf kommen, denn das wird ansonsten sicher passieren. Ich frage also direkt- habt ihr bereits einen neuen Kandidaten für eure Nichte ausmachen können? Womöglich in Wolfsstein?”

Anselms eben fast noch offen zu bezeichnende Miene verschloss sich. “Nein!”, sprach er etwas zu laut und wohl auch ungehalten. “Diese Thematik ist ein Belang des Familienrates unter unserem Oberhaupt Ihrer Hochwürden Pradiane, meiner Schwester. Sie erbat sich noch Zeit einen Ratschluss zu finden. Sie ist Mystikerin…”. “Was mein Gatte sagen will ist, dass die Ereignisse in Havena meine Nichte erheblich schockiert haben. Meine Schwägerin, ihre Mutter, ist sichtlich erbost über diesen schändlichen Skandal und betont sehr deutlich die Bedeutung der kommenden Wahl. Noch einen so missglückten Vorfall kann es nicht noch einmal geben. Daher ist hier guter Rat gefragt und ihre Hochwürden versteht sich außerordentlich darauf, die Zeichen des Götterfürstens zu deuten. Doch ist dies kein schnelles Handwerk. Nicht, werter Gemahl?”, sprach sie abschließend zu Anselm. Dieser schnaufte nur kurz, vermutlich zustimmend.

Die Baronin löste ihre Hände aus deren Verschränkung und hob beschwichtigend eine davon halb an, bevor sie weitersprach. Sie schien mit einer heftigen Reaktion gerechnet zu haben. “Versteht mich bitte nicht falsch und lasst mich erklären. Beim anstehenden Rat soll es auch um die vielen noch unverheirateten Kinder meines Hauses gehen. Zweifellos wird dies eine…”, sie rollte mit den Augen, “...interessante Debatte. Dennoch werden wir wohl kaum daran vorbeikommen, dass jemand, und das muss nicht ich sein, diesen Vorschlag macht. Denn es ist, wenn ihr erlaubt, eine geradezu logische Verbindung, und es braucht wahrlich kein Genie, um auf diese Idee zu kommen. Nichtsdestotrotz lässt sich so etwas natürlich nicht über’s Knie brechen. Daher spreche ich es zuerst hier an, wo sich gerade die Gelegenheit ergibt, um etwaige Zweifel auszuräumen. Es ist niemandem damit gedient, wenn es später doch auf den Tisch kommt und einer von uns die Fassung verliert.” Praihild nickte dankend zu Travialin und sah zu Anselm. “Es ergibt sich jedoch eine Gelegenheit, diese Frage zu umschiffen. Meinem Sohn droht eine Verlobung mit Faehenhold von Wolkentrutz. Das Ganze ist noch nicht vollends ausgemachte Sache, aber es ist wahrscheinlich genug, um ihn vorerst aus dem Spiel zu nehmen. Wenn die Sprache also auf Garmwart kommt, gibt es keinen Grund für irgendjemanden hier, nervös zu werden. Es ist besser, wenn wir beim Rat eine Sprache sprechen, was die Baronets angeht.” Praihilds Worte klangen hart und direkt, aber in erster Linie klarstellend und nicht übelwollend. Sie schien bei Anselm tatsächlich die Karten auf den Tisch werfen zu wollen- freilich kräftig genug, dass sie vom Holz abprallen und jemandes Auge aufschneiden könnten, aber das war ein anderes Paar Schuhe…

Travialin blickte zu ihrem Mann und übernahm das Wort. “Ich danke für Euren Vorstoß zu dieser Sache. Wir wollen doch alle unnötige Komplikationen vermeiden. Es wird hier genug andere Themen geben, die vielleicht auch erst auf den zweiten Blick gewichtiger sind und dann wollen wir uns alle nicht mit dem Vermeidbaren aufhalten.” Sie blickte noch einmal zu Anselm. “Ein Thema wird, so denke ich, sicher zur Sprache kommen. Die Kinder unseres verdienten und treuen Ritters Gerfrid meines Vetters, eures Neffen. Es würde mein Herz erfreuen, wenn es uns gelingt seine Kinder zu Bösenburschs zu machen. Ein Verdienst für ihre lange Loyalität.” Sie hob kurz die Schulter an. “Ich weiß, dass dieser Wunsch nicht bei allen Mitglieder unseres Hauses auf Gegenliebe stoßen wird, doch hoffe ich, euch für unsere Sache gewinnen zu können?”

Die Angesprochene sah zu ihrer Nichte hinüber. Diesmal war es Praihild, deren Gesichtszüge sich verhärteten. Die Antwort wirkte zwar nicht einstudiert, aber durchaus vorbereitet. “Wohlgeboren Rahjalin und ich haben diesen Punkt in den letzten Monaten mehrfach angesprochen. Nicht unbedingt den Punkt von Herrn Gerfrid, sondern das Konzept der Legitimation an sich. Um dieses ganze Wirrwarr vermeintlicher Traditionen endlich einmal zu kodifizieren.” Sie seufzte tief. “Es ist dieser Tage nicht einfach, eine belastbare Aussage von ihr zu bekommen, soviel will ich sagen. Aber soweit ich vernommen habe, ist ihre Tendenz klar- als Familienoberhaupt, und das ist sie als Edle von Moosgau nunmal nach wie vor, wird sie niemals eine solche Entscheidung treffen.” Die Aussage ließ sie erst einmal bewusst so im Raum stehen, obwohl sie sicher noch mehr zu sagen hatte. Praihild schürzte in Erwartung der Reaktion der Hohenfelser bereits leicht die Unterlippe. Es würde nicht einfach werden, aber es war gut, dies schon jetzt mit den beiden anzusprechen. Nicht auszudenken, wenn all das erst im Familienrat auf den Tisch käme.

Nun war es an Anselm zu reagieren. Seine Miene blieb verschlossen, doch er schürzte die Lippen. "Das wäre bedauerlich und man muss sich fragen, ob man in der Position ist, diese Agenda durchzusetzen. Hat sie das alleinige Wort dazu?"

“Gewissermaßen. Bisher sind diese Regeln zwar nicht schriftlich niedergelegt, aber sie hat die Tradition auf ihrer Seite, und das will etwas heißen. Die Situation, dass die Edle von Moosgau nicht zugleich die höchstrangige Bösenbursch ist, ist eben ungewöhnlich. Ich will nicht ausschließen, dass es diese Situation vielleicht schon einmal gab, aber ich konnte bislang noch keinen Präzedenzfall finden, in dem die Autorität des Oberhauptes angezweifelt worden wäre. Zumindest nicht auf diese Weise.” Praihild presste für einen Moment die Lippen aufeinander und legte die Stirn in Falten. “Die Situation ist also etwas verfahren. Zweifellos fehlen ihr die Mittel, aber auch, wenn sie im Rang deutlich unter mir steht, werde ich das Gewohnheitsrecht unserer Familie respektieren- solange es eben um Familienangelegenheiten geht und nicht unmittelbar die Belange der Baronie betrifft.” Ihre Miene klärte sich etwas auf. “Doch auch hier gibt es eine Lösung. Ich habe vor, einen Amtswechsel vorzuschlagen.”

Der Burggraf zog die Stirn in Falten. "Mit welcher Begründung?"

Praihild antwortete trocken: “Dienstunfähigkeit. Was den Abtritt Rahjalins betrifft. Und ein Verweis auf die praiosgewollte Ordnung der Dinge, was meinen Antritt betrifft.”

Anselm nickte stumm und seine Frau ergriff wieder das Wort. “Wenn es der Familie und der Ordnung dient, dann ist es ein gerechtes Anliegen. Kann ich, können wir dazu beitragen, dass der Ordnung genüge getan wird?”

“Hm.” Praihild schien diese Frage unangenehm zu sein. “Entscheidungen im Familienrat werden vom Familienoberhaupt getroffen. Es sind Beratungen und die Einsprüche von Anwesenden werden üblicherweise berücksichtigt, aber am Ende des Tages gibt es keine Mehrheitsentscheidung. Ein solcher Antrag müsste sich wohl mehr oder weniger einstimmig äußern, wenn sie sich direkt gegen das Oberhaupt selbst richtet. Eure Entscheidung ist jedoch am Ende die eure, das will ich euch nicht nehmen. Zumal ich selbst der Legitimation von… unehelichen Kindern skeptisch gegenüberstehe.”

“Ist dem so?”, Anselm hob eine Augenbraue und lehnte sich vor. Da schaltete sich Travialin ein. “Wir alle, Hochgeboren, sehen Leichtfertigkeit als unangebracht bei der Legitimation von Bastarden. Doch sollten wir uns nicht grundsätzlich der Legitimation verschließen. Unsere Familie musste just ihre Wurzeln in den Nordmarken aufgeben und hier neue Wurzeln schlagen. Je stärker die bestehenden Wurzeln hier in Albernia schon sind, um so besser kann sich unsere Verwandtschaft mit der neuen Heimat verbinden. Wir Nordmärker und Reichstreue haben hier doch schon eh einen schweren Stand und warum sollten wir uns den Weg noch zusätzlich erschweren. Ich bitte euch, geht in euch und überdenkt im entscheidenden Moment eure Vorbehalte zum Wohle unserer Familie.” “Ich kann meiner Frau nur beipflichten. Ich werde mit meinem Ritter noch einmal reden und ihn bitte, das bisherige Schweigen zu der Mutter seiner Kinder zu überdenken. So können letzte Zweifel ausgeräumt werden”, ergänzte Anselm abschließend.

Praihild nickte. “Ich stehe der Sache nicht so unversöhnlich gegenüber wie meine Schwester.” Wieder schürze sie etwas die Lippen und sah kurz zu Travialin. “Dass wir dringend kräftige Arme und Hände brauchen, ist unbestritten. Dennoch können wir es uns nicht so einfach machen. Diese Entscheidung braucht einen guten Grund-”, sie schaute wieder Anselm an. “-und dass Herr Gerfrid sein Schweigen bricht, ist ein wichtiger Schritt. Wir haben bereits eine Bösenbursch mit zweifelhaftem Werdegang, das ist schlimm genug.” Damit konnte sie nur ihre Nichte Jolenta meinen. “Wenn sich die Kinder in euren Diensten bewiesen haben, wie ihr sagt, und die Umstände ihrer Geburt es zulassen, bin ich gewillt, das Vorhaben zu unterstützen.”

Anselm dachte nach und schwieg wenige Momente. “Die junge Erlinau hat ihren Charakter in der Heckenfehde bewiesen und zeigt eine geeignete Veranlagung, das Amt der Kastellanin auszufüllen. Ihr Bruder? Nun, er weilt in Kuslik, das Liebliche Feld kann jeden tugendhaften Charakter verderben. Doch ist er Geweihter des Hesinde, also ein kluger Kopf, sicher mit etwas zu modernen Ansichten, aber sollte sein Charakter der Familie nicht behagen, dann ist es ihm sicher ein wie das andere, ob er in Kuslik Erlinau oder Bösenbursch heißt” Er blickte zu seiner Frau und dann zu Praihild. “Ich erlaube mir die Mutmaßung, dass wir hier in die gleichen Richtung ausgerichtet sind?”

Praihild runzelte die Stirn. “Was die Tochter angeht, ja. Bei Leomar bin ich noch nicht überzeugt. Ich denke, wenn es für ihn keinen großen Unterschied macht und er- abgesehen von der Weihe, die natürlich auch respektabel ist- noch nichts vorzuweisen hat, würde ich diese Entscheidung gerne vertagen. Ohnehin ist es ja nicht nur an uns, so ironisch, wie es klingt.”

Der Burgraf nickte. "Dann sind wir uns ja einig. Dann, bei Praios, hoffen wir auf einen guten Ausgang für uns."

Praiophan und Fridegard

„Oh du meine liebe Güte!“ Fridegard hielt sich vor Entsetzen den offenen Mund, während sie auf einen der Stühle niedersank, von denen zwei neben einem kleinen Tischchen im Gästezimmer der Elenviner Bösenburschs standen.

„Dein Mitleid ist völlig unangebracht. Sie ist ja nicht verstorben,“ brummte Praiophan, der seinen Rock abgelegt hatte und sich nun mit einem Seufzen der Erleichterung in das Bett gleiten ließ, das ihn und seine Frau des Nachts beherbergen würde. Er hatte nun vor, seinen Mittagsschlaf nachzuholen. Die Gelegenheit war günstig. Seine neugierige Gemahlin war informiert, womöglich würde sie gleich loslaufen zu seiner Schwester, um sich selbst von deren Zustand zu überzeugen, und dann würden sie bestimmt Weibergespräche führen, Fridegard würde vielleicht sogar heulen wie ein Wasserfall, in jedem Falle aber würde die Sache ihm etwas Ruhe verschaffen, denn er wollte selbst einige Gedanken zu den neuesten Ereignissen sammeln. Und dann sein gewohntes Nickerchen machen. Es war längst überfällig. Er hatte schon zu viel Zeit verplempert.

„Ja, aber….ihr Gemüt…“ stammelte Fridegard und starrte ihren Gemahl geradezu an, als sei wirklich jemand gestorben. „Sie ist deine Schwester! Geht dir das nicht …nahe, dass sie so… so…“ Die Elenvinerin suchte nach einem Begriff.

Er kam ihr zuvor: „…hilflos ist?“ fragte er, lachte aber belustigt auf. „Weit gefehlt, lass dich nicht täuschen, sie kann immer noch recht gut schimpfen,“ entgegnete er ihr, die in diesen Augenblicken um Fassung rang. Sah er es sogar in ihren Augenwinkeln glitzern? Er grunzte verächtlich und machte es sich in dem Bett gemütlich, zog die Decke über sich und faltete die Hände auf der sauber über seinem Leib glatt gestrichenen Decke.

„Wenn ich mir vorstelle, wie der arme Leomar leiden muss… Ich könnte diese Qualen nicht aushalten… Es muss schrecklich sein, nicht zu wissen, was sein wird, wann sie im Geiste da ist und wann nicht. … Oh, Praiophan, das, das tut mir so leid. Kann ich denn irgendetwas für dich tun?“ Zu allem Überfluss kam seine Gemahlin auch noch zu ihm hinüber und setzte sich neben ihn auf die Bettkante, legte die Hände auf die seinen und sah ihn wie ein treues Hündchen an.

„Mich in Ruhe lassen, Fridegard, das kannst du. Ich möchte jetzt meinen Mittagsschlaf machen.“

„Ja, ich verstehe, du musst das erst mal auf dich wirken lassen….“

„Nein, ich muss schlafen. Ich bin schon viel zu spät dran.“ brummte er ungehalten und entzog sich ihres Griffes.

„Praiophan, ich kenne dich,“ sagte Fridegard, als er die Hand unter den ihren herauszog. Sanft fasste sie in sein Gesicht und streichelte voll Mitgefühl seine Wange. „Dir ist das nicht egal, du magst das nicht zeigen, aber ich weiß, dass dich tief in deinem Inneren der Schmerz zerreißt.“

Genervt fasste er mit einer Hand nach ihrer Hand, die ihn seinem Gesicht herum fummelte und drückte diese fort. „Sei versichert, dass es mich weder zerreißt, noch dass ich die Notwendigkeit sehen, deshalb überflüssig in Tränen auszubrechen. Nochmal: meine Schwester ist ja nicht tot. Dümmlich und eingeschränkt rechtsfähig, das wohl. Aber lebendig. So. Fertig. Und jetzt lass mir meine Ruhe!“ Demonstrativ schloss er die Augen.

„Dauert es dich denn kein bisschen?“ Fridegard wich zurück, blieb aber neben ihm auf dem Bett sitzen.

Er öffnete angestrengt seufzend die Augen wieder. „Es dauert mich, dass niemand den Mut hatte, mir davon zu berichten, so wie sich das gehört hätte, aber was will man erwarten bei so vielen eigensinnigen Köpfen in dieser Familie. Und es macht mich wütend, dass mein Schwager ausgerechnet mir vorwirft, kein wahres Wort zu sprechen. Das ist eine Frechheit! Eine bodenlose Unverschämtheit. Aber dauert es mich, dass meine Schwester nun eine Verrückte ist? Nein. Sie wollte schon immer alles selbst machen. Dazu hat sie nach wie vor Gelegenheit.“

„Aber Praiophan!“ Fridegard holte empört Luft. „Wie kannst du nur so gehässig daherreden, wo bleibt dein Anstand? Sie ist deine Schwester! Von deinem Blute!“

„Das hat sie bisher auch wenig gejuckt und ich denke nicht, dass sich das jetzt noch ändert. Sie ist nicht mehr ganz richtig im Kopf, Fridegard! Das kann man nicht anders sagen. Und für die Familie ist sie jetzt ein großes Problem. Das lässt sich auch nicht schönigen. Doch zuvorderst gönne ich mir nun meinen Mittagsschlaf. Und wenn ich wieder aufwache, werde ich mir weitere Gedanken machen. Vorher nicht. Bis später.“ Wieder schloss er zur Verdeutlichung seiner Worte die Augen. Er hörte, wie seine Frau aufstand, schniefte, und den Raum durchmaß. Nur Augenblicke später fiel die Tür ins Schloss und Praiophan atmete erleichtert aus.

Leomar Erlinau und Rude von Beilunk

Da es in der Burg geradezu vor Familienmitgliedern, die Leomar nicht einmal kannte, wimmelte, er gerade keine Lust hatte, sich von seiner Schwester die Namen sämtlicher Burgbewohner vorbeten zu lassen, da sie den zweiten Teil ihrer Knappschaft hier verbracht hatte, und es draußen wirklich unangenehm kalt war, hatte der junge Geweihte sich - nachdem er sich kurz frisch gemacht hatte - entschlossen die Kapelle aufzusuchen, um dort etwas Ruhe zu finden, ehe ab dem nächsten Tag sicherlich eine nicht unerhebliche Geräuschkulisse zu erwarten war. Sofern Roana und er denn überhaupt zum Rat zugelassen würden. Leomar war sich nicht schlüssig, was ihm da lieber wäre. Sicherlich würde es interessant werden und sie waren schließlich von ihrem Vater anerkannt. Andererseits waren ihm emotionsgeladene Diskussionen, die sämtliche Rhetorik und Logik einfach ignorierten, vollkommen zuwider.

Die Kapelle war leer, als Leomar leise eintrat. Er sah sich neugierig um. Es war recht offensichtlich, dass die Baronin großen Wert auf die Gestaltung und Instandhaltung der Kapelle legte. Ob sie dies tatsächlich aus Gründen der Frömmigkeit tat oder doch eher zur Selbstdarstellung, vermochte Leomar natürlich nicht zu sagen, doch taugte die Kapelle in jedem Falle zum Zweiten. Der Blick des jungen Hesindedieners blieb am Schrein Schelachars hängen. Wenn er sich recht entsann, wurde der Luchs weiter im Norden statt der Löwin als heiliges Tier der Sturmherrin verehrt. Schon eigenartig, überlegte er, dass gleichzeitig der Sonnenluchs als dem Götterfürsten heilig und als sein nächtlicher Wächter betrachtet wurde. Er ließ den Blick über das Triptychon wandern. Den Stil befand er zwar als sehr altbacken, doch da entdeckte er die Bücher im unteren Teil des Schreins. Interessiert ging Leomar davor in die Knie, um sich die Titel genauer anzusehen. Neben dem dünnen Octavo “Voltan Peloros Kommentar zum normärkischen Zollrecht, ergänzte und vollständig aktualisierte 3. Auflage von 976 BF” und ähnlichen Spannung verheißenden Titeln fanden sich hier einzelne Festschriften und sogar die eine oder andere Prachtausgabe. Zwar waren die meisten dieser Werke hoffnungslos veraltet und dürften selbst zu ihren Zeiten ein arg begrenztes Publikum gehabt haben, aber als Devotionalie für den Alveraniar des Gesetzes taugte diese Sammlung wohl durchaus. Sollte Leomar einmal die Lust oder den Zwang verspüren, die Rechtmäßigkeit vergangener nordmärkischer Verwaltungsakte des letzten Jahrhunderts zu prüfen, würde er hier wohl fündig werden.

Kurze Zeit, nachdem Leomar die Kapelle betreten hatte, öffnete sich die Tür im hinteren Bereich des Raums, die zum Rest der Burg führte, und ein Mann im Ornat eines Praiosgeweihten trat herein. Rude von Beilunk trug seine braunen Haare kurz und stramm nach hinten gekämmt, was sowohl seine Geheimratsecken als auch die sorgsam geformten Koteletten weiter zur Geltung brachte. Der Geweihte mochte nicht viel älter als 30 Götterläufe sein, doch alles an ihm schrie geradezu “Traditionalist!”: Sein Ornat war bis auf die Sphärenkugeln und das Sonnenszepter symmetrisch und wies keinerlei unordentliche Falten auf, sein Blick ging stoisch zum Altar, sein Schritt war geradlinig und bestimmt und sein Gesicht wirkte so, als könnte er selbst einer Wand aus Stein noch einen moralischen Fehler vorwerfen. Er trug eine kleine, goldfarbene Waage bei sich, welche er ehrfürchtig auf dem Altar abstellte, bevor er den Gast eingehend musterte. ‘Ein Geweihter der Hesinde… das kann eigentlich nur Leomar Erlinau sein. Interessant. Zumindest muss ich mir bei ihm wohl keine Sorgen um die Bücher ihrer Hochgeboren machen.’ “Hesinde zum Gruße, euer Gnaden. Willkommen auf Dun Glaoran und im Haus des Herrn.”

"Praios mit Euch, Euer Gnaden", erwiderte Leomar höflich und blickte zu dem Älteren auf. Er hatte keines der Bücher angefasst oder gar herausgezogen, sondern sich auf die Lektüre der Buchrücken beschränkt. Alles andere hätte er selbst als unhöflich empfunden. Er erhob sich nun langsam und war, wenn man ihn mit seinem eher untersetzten Vater verglich, von beachtlicher Größe. Für einen Gelehrten wirkte der junge Mann recht breitschultrig und seine Bewegungen ließen Ein gutes Körpergefühl erahnen. Er lächelte leicht, als er nun nachträglich das Haupt zum Gruß neigte. Seine braunen Haare wirkten unordentlich. "Habt Dank für die freundliche Begrüßung. Das ist eine beachtliche Sammlung und sicherlich auch von historischem Wert."

Rude nickte und lächelte breit. Der Praiot schien ob der Einrichtung der Kapelle einen gewissen Stolz zu verspüren, auch, wenn er selbst vermutlich wenig dazu beigetragen hatte. Er trat einige Schritte näher heran, blieb aber etwas weiter entfernt stehen, als es für eine Konversation üblich gewesen wäre. Ob er von Leomars Erscheinung eingeschüchtert war oder andere Gründe dafür hatte, war unklar. “Ihre Hochgeboren sammelt schon länger. Ein Unterfangen, das wohl überraschend einfach von der Hand geht. Leider wissen die Eigentümer solcher Werke oft nicht zu schätzen, was sie an ihnen haben.” Die Mimik Rudes änderte sich unwesentlich; sein Lächeln schwand etwas. “Selbstverständlich steht es euch frei, die Bücher zu konsultieren, wenn ihr mögt. Der Inhalt ist heute oft nicht mehr relevant, aber viele der Grundgedanken sind natürlich noch aktuell. Es kann dem Herrn nur gefallen, wenn wir uns in der Rechtskunde bilden.” Leomar konnte nicht umhin, eine leicht prüfende Note im Tonfall des Geweihten zu bemerken. Rude schien genau zu wissen, wen er vor sich hatte, sich aber noch kein abschließendes Urteil gebildet zu haben.

Leomar schmunzelte und erwiderte: "Aiunt multum esse, non multa." Natürlich hatte er sich mit der Rechtskunde grundlegend beschäftigt, doch seine Interessen lagen anderswo. "Darf ich fragen, ob Hochgeboren auch eine weltliche Bibliothek mit aktuellen Werken ihr Eigen nennt, Euer Gnaden?"

Der Praiot, der zunächst etwas die Stirn gerunzelt hatte, blinzelte und sah zur gegenüberliegenden Wand, während er nachdachte. “Wenn es um Werke der Rechtskunde geht, dann ja, aber wir teilen uns diese zu dritt.” Er sah zurück zu Leomar. “Also, ihre Hochgeboren, die Schreibstube und ich. Irgendjemand braucht schließlich immer etwas. Leider haben sich konkret zu Albernia bislang nur wenige Werke eingefunden.” Rude schien nicht optimistisch zu sein, dass sich dieser Umstand in absehbarer Zeit ändern würde. “Abseits davon, weltlich… wenig. Zumindest wüsste ich nicht von einer nennenswerten Sammlung auf der Burg, wenngleich ich es nicht mit Sicherheit sagen kann. Wenn ich richtig informiert bin, war auch die vormalige Baronin eher anderweitig interessiert. Gibt es Themen, die euch besonders interessieren?”

"In der Tat meinte ich weltlich lediglich im Gegensatz zu den hier befindlichen Werken, die doch sicherlich eher Devotionalien sind?" Leomars Frage war offensichtlich rhetorisch, denn er fuhr sogleich fort: "Ich hatte durchaus an Werke zur Rechtskunde gedacht. Ich bezweifle ein wenig, dass Hochgeboren Historiae oder gar Werke über die Vinsalter Oper besitzt." Der Hesindediener schmunzelte. "Da frage ich sie doch lieber nach einem Buch, das ihre Interessensgebiete widerspiegelt."

Rude nickte. “Wie gesagt, es gibt aktuelle Werke auf der Burg, die in Benutzung sind. Ich bin sicher, die Schreibstube hat nichts dagegen, euch Einsicht zu gewähren, ich ebensowenig. Bei Ihrer Hochgeboren müsstet ihr selbst anfragen, was ihre Interessen angeht...” Der Praiosgeweihte setzte kurz aus, um Leomar Gelegenheit zu geben, weitere Anliegen vorzubringen, schien aber auch selbst noch eine Frage zu haben.

Leomar nickte: "Habt Dank und das werde ich sicherlich einmal nachfragen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Werdet Ihr beim Familienrat anwesend sein, Euer Gnaden?"

Diesmal nickte Rude nicht, sondern sah Leomar direkt an. “Ich wurde gebeten, den Segen des Herrn zu erbitten und dem Rat beizusitzen, aber ich werde mich nicht an den Beratungen beteiligen, wenn es nicht ausdrücklich gewünscht wird. Frau Morena Aldewen wird auch zugegen sein, um mitzuschreiben. Sicher könnt ihr hinterher eine Abschrift von ihr erhalten.”

"Zu gütig, Euer Gnaden", verneigte sich Leomar leicht. Damit waren nun also zweierlei Dinge klar: Zum einen wusste der Praiot offenbar genauestens über die Familienmitglieder bescheid, zum anderen wäre es vielleicht möglich, in seiner Rolle als Geweihter teilzunehmen. Immerhin hätte er statt des Namens Erlinau auch ebenso gut 'von Havena' als Weihenamen annehmen können. Und welche Rolle spielte schon Geburt, wenn man als Mitglied des Klerus doch ohnehin außerhalb der Adelshierarchie stand. Roana würde schäumen vor Wut, wenn nur sie ausgeschlossen würde. Leomar grinste unwillkürlich bei diesem Gedanken.

Rude runzelte die Stirn. “Wenn ihr mögt, könnt ihr gerne sagen, was ihr denkt. Ich selbst hielte es für unangemessen, euch am Rat teilnehmen zu lassen, aber es ist ohnehin nicht meine Entscheidung.”

“Das mag sein, aber mich interessiert dennoch aus welchem Grund Ihr es für unangemessen haltet”, gab Leomar interessiert zurück.

Der andere nickte wieder. Mittlerweile schien es ihm geradezu ein Bedürfnis zu sein, sich mitzuteilen. “Solange eure Herkunft nicht geklärt ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob ihr den Namen Bösenbursch, oder vielmehr den Adelsstand, tragen dürftet.” Das allein schien ihm schon Grund genug zu sein; der Rest klang eher wie eine Erklärung. “Diese Sache sollte geprüft werden, bevor eine Entscheidung dazu getroffen wird. Das ist aber nicht möglich. Euer Vater schweigt sich nach wie vor zu den Umständen aus, anstatt sich zu erklären. Womöglich hat er etwas zu verbergen, vielleicht auch nicht, aber etwas muss wohl auf seinem Gewissen lasten, was ihn daran hindert, die Wahrheit zu bekennen. Und genau das macht mich misstrauisch. Deshalb halte ich es auch für unangebracht, im Zweifel zu euren Gunsten zu entscheiden.” Dann fügte er noch an: “Soweit zumindest meine Sicht der Dinge.”

Auch Leomar nickte ernst, meinte aber: "Nun, ich sehe an Eurer Argumentation einige Unklarheiten, Euer Gnaden. Die Ausgangslage ist sicherlich korrekt: mein Vater schweigt sich darüber aus, wer meine Mutter ist oder war - und natürlich auch die meiner Schwester. Inwiefern könnte aber ihre Identität eine Auswirkung auf unsere Familienzugehörigkeit haben? Welcher Umstand ihre Identität betreffend könnte etwas daran ändern, dass unser Vater uns als seine Kinder anerkannt hat?"

“Der Umstand, dass sich die Familienzugehörigkeit derer von Bösenbursch im Wesentlichen nach der nordmärkischen Definition richtet. Demnach sind Kinder von Adligen mit Gemeinen generell nicht von Stand. Folgerichtig tragen sie auch nicht den Familiennamen. Wie euch eventuell bereits aufgefallen ist, sind auch diejenigen Familienmitglieder, die eine bürgerliche Ehe eingingen, nicht zugegen, obwohl sie blutsverwandt sind. Anerkennung und Legitimation sind gewissermaßen separat zu sehen. Allerdings sind diese Regeln zugegebenermaßen nicht niedergeschrieben, weshalb ich nur meine Ansicht kundtun kann. Wenn ich richtig informiert bin, soll diese Definition Teil der Beratungen sein.”

“Wie ist es mit adoptierten Kindern? Es ist nicht unüblich, dass Adlige, die keine Kinder und damit keine Erben haben, jemanden an Kindes Statt annehmen. Den Lehren der Traviakirche zufolge können Adoptivkinder sogar die Blutslinie weiterführen. Sicherlich kommt so etwas auch in den Nordmarken vor. Gewiss würde doch ein Adoptivkind den Familiennamen tragen?”

“Die Adoption ist eine andere Sache. Sie ist ein Sonderweg. Es ist beispielsweise auch möglich, dass eine Legitimation nachträglich erfolgt, obwohl ein Kind eigentlich kein Anrecht auf den Namen gehabt hätte. Allerdings ist dies stets eine Ausnahme, wie eben auch die Adoption. Beides sollte nicht als Regelfall betrachtet werden. Im Zweifel ist der ordentliche Weg, den ich eben ansprach, vorzuziehen. Wenn außerordentliche Gründe für eine Legitimation vorliegen”, wohl ein Konzept, das Rude sichtlich zuwiderlief, “können diese natürlich vorgebracht werden. Allerdings wäre Frau Rahjalin in diesem Fall die richtige Adressatin.”

“Oh, ich will Euch nicht überzeugen, Euer Gnaden”, warf Leomar rasch ein und lächelte. “Das heißt also, dass sich ein Anrecht auf den Namen Bösenbursch über den Adelsstand begründet?”

“Müsst ihr auch nicht, euer Gnaden. Ich will mir nur nicht vorwerfen müssen, euch im Unklaren gelassen zu haben.” Rude lächelte ebenfalls. “Aber fast richtig. Soweit wir es eruiert haben, müssen beide Ehepartner adlig gewesen sein und einer von ihnen musste den Namen vererben können. Entweder, weil er ihn selbst trägt, oder weil die Zugehörigkeit der Kinder zu Beginn der Ehe so festgelegt wurde.”

"Mmm", machte Leomar nachdenklich. "Was ist mit dem Enkelkind eines Edlen, das geehelicht wird? Das ist per definitionem nicht adelig, der Titel ist nicht erblich. Ebensowenig wie es ein Kind der Donata Lumini Walburga von Bösenbursch wäre."

Rude dachte kurz nach und antwortete dann etwas zerknirscht: “In diesen Fällen wird der Name vom Enkelkind üblicherweise höflichkeitshalber trotzdem geführt, besonders, wenn das Kind des Edlen standesgemäß heiratete. So ist es zum Beispiel mit den jetzigen Enkeln von Wohlgeboren Rahjalin. Es entspricht also in diesen Fällen nicht der Rechtslage, aber zumindest guter und geduldeter Übung.”

“Ah”, machte Leomar und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Der große Vorteil an einer Diskussion mit einem Bruder in Praios war, dass er nicht aus falschem Stolz irgendetwas vertuschte, nur um Recht zu behalten. Er hingegen sparte sich lieber den Hinweis, dass die Regel mit der bürgerlichen Heirat im Grunde auch seinen Vater ausschließen müsste, wenn hier doch nicht galt, dass im Zweifelsfalle zugunsten der strittigen Person entschieden wurde.

“Mir ist noch ein weiterer Punkt aufgefallen”, fuhr er stattdessen fort. “Ihr sagtet, Ihr haltet meine Teilnahme für unangemessen, da nicht klar ist, ob ich den Namen Bösenbursch tragen darf beziehungsweise dem Adelsstand angehöre. Letzteres tue ich unzweifelhaft ohnehin nicht und ersteres wäre mit der Weihe ebenfalls eine obsolete Frage, da ich mir auch einen Weihenamen hätte aussuchen können. Ich könnte darum bitten, als Geweihter teilnehmen zu dürfen. Nicht viel anders als Ihr, Euer Gnaden.”

Rude nickte erneut. “Durchaus, durchaus. Allerdings bin ich auf explizite Bitte ihrer Hochgeboren anwesend, weil Praios nunmal die Hausgottheit der Familie ist. Nicht, weil ich eine Weihe empfangen habe. Ich schließe nicht aus, dass eure Bitte von Erfolg gekrönt sein würde, aber womöglich könnte es den Unmut eurer Verwandten erregen, wenn ihr diesen Weg beschreitet.” Dann schien er kurz über etwas nachzusinnen. “Oh, bezüglich des Weihenamens. Das ist eine interessante Frage, die beim Rat besprochen werden sollte. Ich fürchte, bei den Beratungen im Voraus wurde dieses Detail vergessen. Insofern ist die vorbereitete Definition unvollständig.” Der Praiot legte den Kopf schief. “Wie ist euer Plan? Wenn ihr tatsächlich um eine Teilnahme ersuchen wollt, wäre ich gewillt, euch einen sachdienlichen Grund zu bescheinigen. Da ihr den Punkt aufgeworfen habt, solltet ihr die Gelegenheit haben, zumindest diesen vorzubringen.”

Leomar hob leicht die Schultern und verzog den Mund. “Ich bin mir noch etwas unsicher. Ihr habt sicherlich recht, dass es meiner Schwester sauer aufstoßen würde und womöglich noch anderen Familienmitgliedern. Allerdings bin ich natürlich an der Diskussion interessiert. Und wenn Eure Fürsprache mir erlauben würde, den Punkt der Weihenamen einzubringen, wäre ich Euch natürlich sehr dankbar.”

Der Praiot hob eine Augenbraue. “Eure Schwester meinte ich tatsächlich weniger.” Dann zuckte auch er mit den Schultern. “Ich kann nicht garantieren, dass es euch weiterhilft, aber ich werde mit ihrer Hochgeboten hierzu sprechen.” Er schwieg und legte leicht fragend den Kopf schief, so als ob er wissen wollte, ob Leomar weitere Anliegen hatte.

Der hatte zunächst bubenhaft gegrinst, da ihm der Unmut der ihm größtenteils unbekannten Verwandtschaft recht egal war - ganz im Gegensatz zur absehbaren Verärgerung Roanas. Nun aber glättete er seine Gesichtszüge und nickte ernst. “Habt Dank, Euer Gnaden, für die in Aussicht gestellte Fürsprache und für dieses Gespräch. Ich werde mich mal auf die Suche nach Hochgeboren machen, um sie nach den Büchern in der Schreibstube zu fragen.”

Fridegard, Leomar B. und Wappen des Hauses Bösenbursch Rahjalin

Nur wenig später nach dem Besuch Praiophans klopfte es an der Tür zum Gemach Rahjalins und Leomars. Als Leomar öffnete stand Praiophans Gemahlin davor. Die Augen der Elenvinerin waren gerötet, die Nase ebenso und ihre Stimme, mit der sie Einlass erbat, klang belegt.

Leomar, der vom Gespräch mit Praiophan noch ein wenig gereizt war, sah sich Fridegard kurz an und kam dann zum Schluss, dass sie mit Ihrem Gatten scheinbar gesprochen haben musste und sich jetzt wohl selbst ein Bild der Lage machen wollte. "Komm herein. Ich weiß aber nicht, wie sie reagiert, wenn sie dich sieht." Mit diesen Worten ging er einen Schritt zur Seite, um sie einzulassen und hinter ihr die Tür zu schließen.

“Oh, Leomar, Praiophan hat mir alles berichtet. Sag, ist es wirklich so schlimm?” fragte Fridegard beim Eintreten mit gesenkter Stimme, und blieb bei der Tür stehen. Sie hatte gleich schon durch das Zimmer gelinst, schien sich aber angesichts seines Kommentars noch nicht hinein bewegen zu wollen. “Ich…möchte mich im übrigen für etwaige Worte meines Gatten, die möglicherweise zu Verstimmungen geführt haben, entschuldigen. Er…naja…ist in seiner Art manchmal etwas…hm… ruppig.” fügte sie noch schnell entschuldigend hinzu. Dabei berührte sie sanft Leomars Arm. “Bitte sieh es ihm nach. Ihn nimmt die Sache sehr mit.”

„Du brauchst dich nicht für ihn entschuldigen, ich weiß ja wie er ist.“, sagte Leomar mit einem leichten Kopfschütteln. „Nur für mich ist das ganze auch nicht einfach. Bisher war es täglich ein Münzwurf, wie ihre Verfassung ist, aber vorhin zeigte sich einmal wieder, dass es sich auch augenblicklich ändern kann. Aber am besten machst du dir selbst ein Bild.“ Indem schloss er hinter Fridegard und ihm die Tür. Er wandte sich wieder zu Fridegard. „Geh zu ihr.“ Leomar wusste selbst nicht wie seine geliebte Gattin reagieren würde und war ein wenig aufgeregt.

„Es schreitet also fort?“ entgegnete sie ihm schockiert und gleichzeitig wie eine schmerzhafte Feststellung und machte sich auf den Weg zu der, über die sie sprachen.

Rahjalin saß noch immer in ihrem Stuhl und beobachtete das Treiben im Burghof. Als Fridegard den Raum betrat, wandte sie sich zu ihr um, stand aber nicht auf, sondern hob nur lächelnd die Hand. “Ah, Praios zum Gruße, Wohlgeboren!”

Fridegard stutzte im ersten Moment, weil sie diese Anrede nicht erwartet hatte. Fragend, ob die andere sie nicht verwechselte, sah sie zu Leomar hin.

Leomar war nicht sehr überrascht über die Anrede, da er schon daran gewöhnt war über solche Momente, in denen seine Gattin die Menschen nicht erkannte. Er sagte mit ruhiger Stimme zu Fridegard: “Nimm dir einen Stuhl und setz dich neben sie.”

Sichtbar aufgeregt zog sich die Elenvinerin einen Stuhl herbei und setzte sich zu der noch amtierenden Edlen von Moosgau ans Fenster. Voll Mitgefühl legte Fridegard eine Hand auf die Rahjalins und sprach: „Liebe Schwägerin, ich grüße dich im Namen des Götterfürsten und seiner elf Geschwister. In diesen Tagen natürlich ganz besonders im Namen der Herrin Travia. Du, ähm, kennst mich doch noch, hoffe ich? Wir haben uns leider schon so lange nicht mehr gesehen. Ich bin‘s, Fridegard. Die Frau deines Brudes Praiophan,“ gab sie sich der anderen zu erkennen.

“Ah! Ja, natürlich. Manchmal bin ich etwas in Gedanken, weißt du?” Sie kicherte kurz. “Es ist wirklich schon lange her, Fridegard. Wie ist es dir ergangen?” Die Betonung des Wortes “dir” schien absichlich gewesen zu sein. Ob Rahjalin nun aber wirklich auf Praiophans Persönlichkeit abzielte, führte sie nicht aus.

Die jüngere lächelte erleichtert, als das Missverständnis geklärt war. Er später fiel Fridegard auf, dass Rahjalins Worte nicht unbedingt bedeuten mussten, dass sie sie wiedererkannt hatte. “Es ist viel zu tun in Elenvina. Erst recht seit bekannt wurde, dass uns Ihre Majestät beehren wird.”

Rahjalins Augen weiteten sich. Sie schien erfreut. “Die Kaiserin kommt? Etwa nach Elenvina? Wann?”

“Du weißt nichts davon?” Fridegard schaute überrascht. “Die Kaiserin kommt im nächsten Jahr und hält Hof auf Pfalz Angroschgau! Aber..aber….hat dir der Baron von Eisenstein nichts dergleichen mitgeteilt, oder--” Sie biss sich auf die Zunge, um nicht zu sagen, Rahjalins Gedächtnis sei schlecht.

“Ach, deshalb braucht der junge Rajodan die Sondersteuer! Ja, gut, dann ergibt das ja doch Sinn.” Sie hob eine Hand und klopfte beiläufig aufgeregt mit ihren Fingerknöcheln auf Leomars Hüfte. “Leomar, wir müssen unbedingt dorthin reisen! Wir können uns doch unmöglich die Gelegenheit entgehen lassen, nochmal ihre kaiserliche Majestät zu sehen, bevor ich ins Gras beiße!” Dabei lachte sie kurz auf.

Leomar nahm die Hand seiner geliebten Gattin, schaute sie an und lächelte. “Sobald das Familientreffen beendet ist, veranlasse ich, dass wir beide dorthin verreisen können. Das wollen wir uns beide nicht entgehen lassen.” Dabei streichelte er die Hand seiner Frau.

“Warum habt ihr denn Moosgrund überhaupt verlassen?” wollte Fridegard wissen, vornehmlich von der Edlen, ihr mitfühlender Blick fasste jedoch auch ihren Schwippschwager ein. “Ist es wegen….dem armen Jungen?” Sie ging davon aus, dass sie den Namen des Verstorbenen nicht erwähnen brauchte. Gerade machte Rahjalin auf sie einen recht wachen Eindruck, was Fridegard innerlich freute. Gleichzeitig aber auch traurig machte, weil es wohl nur ein temporärer Zustand war.

Diese schaute erst etwas verwirrt. “Moosgrund? Moosgau! Du wirst doch wohl nicht alt, oder?” Dabei lächelte sie breit, bevor sich ihr Gesichtsausdruck zu einer art bittersüßem Grinsen verzog. “Gudos Tod hat unsere Familie zerstört, Fridegard.” Ihre Finger bohrten sich etwas in die Armlehnen des Stuhls. “All die Jahre.” Dann rang sie einen Moment um Fassung.

Leomar nutzte diesen Moment und sagte: ”Wir haben tatsächlich mehrere Gründe gehabt, hierher zu ziehen. Zuerst brauchte Praihild wegen einer Adelsfehde dringend Unterstützung. Die Einheit der Familie im wichtigsten Lehen der Bösenbursch war dafür ein wichtiges Signal. Somit konnten auch alle Moosgauer Familienmitglieder ein wenig Zeit finden, Gudos Tod zu verarbeiten. Wie lange jeder hier bleibt, ist aber unklar. Desweiteren gibt es aktuell auch keinen Vogt in Moosgau. Liudger hat selbst in Elenvina keinen gefunden, der das übernimmt. Warscheinlich ist der Baron der Grund dafür. Wir haben uns dann mit Praihild beraten, ob sie eventuell einen Kandidaten hat, aber bei den Gesprächen kamen wir auf die Idee mit dem Familienrat, um generell auch einen reinen Tisch zu machen.” Leomar wandte sich zu seiner Liebsten, streichelte ihr sanft über den Rücken und schaute, ob sie wieder ihre Fassung gefunden hatte.

Diese hatte sanft mitgenickt und schien keine Einwände zu haben. Sie legte ihre Hand auf die Leomars und hielt sie kurz fest.

Fridegard, die sich alles in Ruhe angehört hatte und die bei den so melancholisch vorgetragenen Worten ihres Schwippschwagers mit ihrer eigenen Fassung kämpfte, hatte mittendrin die Augen geweihtet. „Aber… warum habt ihr nicht nach meinem Mann geschickt, um euch zu unterstützen?“ wollte sie nun wissen, halb verwirrt, halb entschlossen, zu helfen oder zumindest mit dem Ansinnen, zu vermitteln, obgleich sie die Meinung ihres Gatten zu den Prinzipien, mit denen das Eisensteiner Lehen durch die jüngste Zeit getragen wurde, sehr genau kannte. „Praiophan könnte das Amt des Vogtes zur wirklich allerbesten Zufriedenheit des Barons ausfüllen. Warum habt ihr ihn nicht zumindest gefragt? Er kennt bestimmt jemanden, der sich für diese Arbeit eignet. Er hat Kontakte. Bessere als ich.“ Kurz blickte die Buchhalterin selbst nachdenklich, schüttelte dann aber den Kopf. Nein, ihr Mann hätte es ihr mit Sicherheit gesagt, wenn er von Liudger oder Rahjalin gefragt worden wäre. Praiophan konnte nie etwas für sich behalten, er lebte die Offenkundigkeit mindestens ebenso sehr wie ein Praiosgeweihter.

Rahjalin seufzte. “Ich weiß. Aber Praiophan ist auch kein junger Bengel mehr. Das sind wir doch alle nicht. Und den Baron muss man wirklich zu nehmen wissen. Moosgau braucht frischen Wind, weißt du? Ich schäme mich, es zuzugeben, aber wie meine Mutter schon habe ich immer zu lange gehadert. Eine harte Hand ist gut und schön, aber um das Lehen zu sanieren, muss man noch die Kraft der Jugend haben, wenn du verstehst, was ich meine. Da ist eine Menge zu tun, das braucht Zeit. Man muss die Leute überzeugen. Leomar, holst du mir mal bitte Gudos Pläne…?” Sie gestikulierte in Richtung einer Reisetruhe.

“Aber natürlich" sagte Leomar und ging zur Truhe. Er holte die Pläne, ein ziemlich dicker Stapel, wenn man bedachte, dass es sich hier “nur” um Moosgau handelte. Auf den Plänen waren radikale und teure Vorschläge zu sehen. Unter anderem waren groß angelegte Umsiedlungen, Rodungen und vieles mehr zu lesen. Es stand sogar das Wort “Kredit” im Raum. Die Pläne waren sehr ambitioniert, um das Lehen zu sanieren. Als Leomar wieder zurück war, hielt er Fridegard die Pläne hin. “Hier, das sind die Pläne von Gudo. Wir haben schon mit Praihild darüber diskutiert, aber leider ist sie nicht so sehr davon überzeugt. Sie hat wohl eigene Pläne, für die sie Geld braucht.”

Als Leomar Fridegard das Paket in die Hand drückte, welches über die Zukunft Moosgaus entscheiden hätte sollen, blätterte sie erst zaghaft, dann augenscheinlich andächtig. Stumm überflog sie alles grob. Als sie die Sammlung auf ihren Schoß sinken ließ, entrann ihr mit einem fragenden Blick ein tiefer Seufzer. „Ist das alles wirklich nötig? Praiophan spricht zwar dauernd davon, dass das Gut finanziell schlecht dasteht und er wird, zugegeben, nicht müde, sich darüber zu beschweren, dass ihr ihn nicht um Hilfe bittet, doch finde ich, wäre das angesichts des vielen Geldes, welches hierfür,“ sie legte die Hand flach auf den Stapel auf ihrem Schoß, „veranschlagt wird, doch vielleicht, hm… sinnvoll?“ Fragte sie zaghaft, da sie nicht wusste, ob es auch Seitens Rahjalin ‚Dinge‘ gab, weshalb sie nicht wollten, dass ihr Bruder die Kasse Moosgaus prüfte. „Aber, falls ihr es doch in Erwägung zögt, euch eine größere Summe zu leihen, wäre es aus meiner Sicht ratsam….“ sie hielt kurz inne. Dann verwarf sie den Gedanken kopfschüttelnd, denn sie wollte ihren Mann nicht übergehen, in dem sie nun Vorschläge für Geldgeber machte, die ihn nur noch mehr zetern lassen würden, wenn er davon erfuhr.

Rahjalin entfuhr ein genervter Laut. “Nicht alles davon ist nötig. Gudo hatte eine Menge vor, und einige Dinge habe ich selbst nicht ganz verstanden. Die Ruine Zaman erkunden zu lassen, zum Beispiel. Das ist doch viel zu unsicher, für das Geld, das man da reinsteckt. Aber wir müssen die Bauern am Krähenbach wirklich in die Erdesch umsiedeln. Es geht so nicht weiter. Jeden zweiten Winter müssen wir beim Baron zu Kreuze kriechen, weil die Waldfelder nicht genug abwerfen.” Sie wiegte den kopf leicht hin und her. “Praiophan könnte das durchsetzen, ja…”

Fridegard überlege einen Augenblick, dann nahm sie den Stapel in die Hände und rang sich zu einem Vorschlag durch, den sie möglicherweise noch bereuen würde. Doch die Verwandten ihres Mannes taten ihr im Grunde genommen leid. „Ich, hm, könnte die Sachen Praiophan mal zeigen. Vielleicht kann er euch zumindest beraten. Dürfte ich das mal mitnehmen?“

Rahjalin nickte. “Natürlich. Es kann nicht schaden, wenn nochmal jemand darüberschaut.”

Luzia und Himiltrud

Luzias Schritt wirkte ungewöhnlich leicht, als sie auf ihre Schwägerin zuhielt. Die Juristin wirkte mindestens motiviert, womöglich sogar glücklich, eine Stimmung, in der man sie im Moment selten genug antraf. Auch ihre Frage war merkwürdig unspezifisch: “Himiltrud, was hast du vor?” Und- war das etwa ein leichtes Grinsen auf Luzias Gesicht? Irgendetwas musste passiert sein.

Als Himiltrud gewahr wurde, dass es ihre Schwägerin war, die sich näherte, hellte sich ihr melancholisches Gemüt auf. Luzia war schließlich die einzige, der sie sich öffnen konnte und bei der sie das Gefühl hatte, verstanden zu werden. Sicherlich hatte sich ihre Verbindung, seitdem Gudo so gewaltsam aus ihrem Leben genommen wurde, noch einmal vertieft. Luzia und Himiltrud kannten sich noch aus ihren Zeiten in Elenvina und hatten dort nicht nur amtlich am Reichsgericht miteinander zu tun. Sie hatten auch viele Stunden ihrer oft eher spärlichen Freizeit miteinander verbracht und Luzia war auch nicht wenig daran Schuld, dass Himiltrud ihren Bruder Gudo kennengelernt hatte. “Nichts spezifisches”, antwortete Himiltrud knapp und schaute Luzia in die Augen. Ein wenig verwundert musterte sie die Züge ihrer Freundin. Irgendetwas Besonderes musste vorgefallen sein. “Worüber bist du so erfreut, Luzia?”

“Nun, ich habe gehört, dass in Otterntal vor einigen Monden ein Manuskript meiner… warte…” Luzia musste etwas nachdenken. “Groß… tante… zweiten Grades? Dritten Grades? Ich glaube, es war der Zweite. Wie dem auch sei. Jedenfalls hieß sie Rahjalieb. Sie war Ritterin. Ungewöhnlich, ich weiß, aber sie war Dienstritterin bei der Otterntaler Baronin. Also, bei der Otterntaler Baronin von Isoras Gnaden. Rahjalieb fiel im Krieg, aber offenbar hat sie der Nachwelt etwas hinterlassen. Ein unfertiges Werk über die albernische Rechtskunde!” Die sonst so beherrschte Advokatin schien von ihrer Entdeckung ziemlich begeistert zu sein.

Auch in Himiltruds Augen blitze Begeisterung auf. “Echt? Das ist vorzüglich!”, bestätige sie ihr Freundin. “Es scheint ja so gut wie unmöglich zu sein, eine ordentliche Systematik des albernischen Rechtswesens zu finden. Manchmal habe ich hier den Eindruck, die Albernier richten noch wie die Thorwaler auf ihren Hjaldings.” Dabei lächelte sie schräg. “Und? Wann brichst du auf, um dich zu überzeugen, dass es dieses Manuskript gibt? Wirst du es sichern und fertigstellen?”

“Sobald wie möglich nach dem Familienrat”, gab Luzia schnell zurück und nickte. “Scheint so, als hätten die Albernier das Werk letzten Sommer zurate gezogen, als irgendeine Hexe einen Tempel bestohlen hat. Es liegt wohl seit dem Krieg unbenutzt in einer Schublade in einem Ort namens Landsquell. Das heißt, ich muss mich mit dem Gutsverwalter besprechen. Willst du mitkommen?” Sie sah hoffnungsvoll zu ihrer Freundin hinüber.

Himiltrud seufzte. Es war eigentlich gar nicht ihr Ding, auf irgendwelcher Erkundungs- oder Forschungsreisen zu gehen. Aber die Aussicht, mit ihrer Freundin aus dem oft auch sehr wenig abwechslungsreichen Alltag auf Dún Glaoran entfliehen zu können, reizte sie. Zumal hier auch endlich mal wieder ihre Fachkompetenz als Rechtsgelehrte gefragt zu sein schien. Darum antwortete sie Luzia mit einem Lächeln: “Sehr gerne!” Dann fragte sie aber vorsichtig noch einmal nach und Luzia konnte in ihrer Stimme eine leichte Besorgnis vernehmen: “Aber die Hexe ist gefasst, oder?”

Luzia zuckte mit den Achseln. “In der Havena-Fanfare stand, dass man sie der Perainekirche überstellt hat. Sie ist also wohl nicht mehr da. Ich bin nur gespannt, ob uns der Verwalter des Guts Zugang zu dem Dokument gewährt. Der dient ja einem Niamad.” Die implizierte Frage, wie das thorwalstämmige Haus zu den Bösenbursch stand, sprach sie nicht direkt an. Jedenfalls schien sie sich in den letzten Monaten gut über die Verhältnisse in Albernia informiert zu haben.

“Oh”, erwiderte Himiltrud, “da blicke ich noch nicht so ganz durch, wer hier in Albernia mit wem verbündet und wer gegen wen steht. Ich verstehe wohl, dass nach den Geschichten der jüngeren Jahre wir als Nordmärker nicht überall offene Türen finden werden. Aber versuchen sollten wir es doch.”

“Nun, die Niamad sind Nachfahren der Thorwaler. Wie sie zu uns und unserem Anliegen stehen werden, bleibt abzuwarten. Freut mich, dass du dabei bist!”

“Thorwaler also. Mmh.” Himiltrud grinste Luzia an. “Dann lag ich vielleicht gar nicht so falsch mit den Hjaldings.” Dann legte sie ihren Kopf leicht schräg. “Also ich bin jedenfalls schon sehr gespannt und begleite dich gern.” Dann wich das Grinsen. “Was denkst du? Was wird uns bei diesem Familienrat erwarten? Ich kenne die Familie ja kaum. Einige habe ich bei meiner Hochzeit gesehen, aber nicht wirklich lange mit ihnen gesprochen. Ich kann das gar nicht einschätzen.” Sie schaute Luzia fragend an.

Luzia biss kurz die Zähne zusammen. “Es wird sicher anstrengend. Ich weiß selbst nicht alles, aber ich habe die dringende Vermutung, dass es unter anderem um Traviabünde gehen wird. Mindestens für Liudger, Garmwart und mich wird es ernst werden. Vielleicht auch für den armen Gosbert.” Hoffnungsvoll schaute sie Himiltrud an und lächelte schmal. “Zumindest haben sie dich nicht so sehr im Griff wie uns.”

“Für dich?”, fragte Himiltrud leicht neugierig nach und kurz war das Grinsen wieder in ihr Gesicht gehuscht. “Gibt es da schon jemand, der in Frage käme?”

Nun rollte Luzia kurz mit den Augen, dann errötete sie leicht. “Nicht… das ich wüsste. Zumindest haben sie mich nicht darauf angesprochen. Aber sowas wird hier gerne mal über unsere Köpfe hinweg entschieden. Liudger ist entschlossen, sich dagegen zu wehren, wenn sie jemanden für ihn bestimmen wollen. Ich hab’ ihm davon abgeraten, aber naja…”

“Du möchtest das hier einfach über dich bestimmt wird?” Himiltrud schaute ihre Freundin entsetzt an. “Ich meine: Du möchtest das einfach geschehen lassen? Dass die hier auf diesem Familienrat über d e i n e Zukunft beraten und bestimmen?” Sie schaute Luzia weiter mit großen Augen an.

Diese schaute mit genauso großen Augen zurück. “Natürlich nicht!”, erwiderte sie erschrocken. “Aber das ist keine Frage des Wollens, Himiltrud. So ist das hier eben. Eure Ehe wurde doch auch ‘vermittelt’. Ich sehe das schon eine ganze Weile auf mich zukommen, Liudger auch, aber es scheint, als wolle er gegen diese Windmühle kämpfen.” Sie zuckte mit den Achseln und schien sich die Chancen ihres Bruders nicht allzu rosig auszumalen. “Nun, wenn es wirklich hart auf hart kommt, habe ich ja immer noch ein Ass im Ärmel…” Luzia lächelte leicht und schien zu glauben, dass Himiltrud schon wisse, was gemeint sei.

“Nun, ja”, lenkte Himiltrud ein, “meine Großmutter und die deine habe Gudos und meine Hochzeit arrangiert. Aber wir hatten uns bereits zuvor in Elenvina kennengelernt. Und ich wollte Gudo heiraten.” Sie überlegte kurz, blickte ein wenig verlegen nach unten und gab zu: “Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn es anders gewesen wäre…” Dann schaute sie wieder zu Luzia auf. “Ein `Ass im Ärmel´? Was meinst du?”

“Na, im Notfall kann ich immer noch den Herrn von Münzberg ins Gespräch bringen.”

“Baldos von Münzberg?”, fragte Himiltrud neugierig nach. “Der ist doch verwandt mit dem Eisensteiner Baron, nicht wahr?” Selbstverständlich wusste sie, wer der Kyndocher Ritter war und dass seine Großcousine die Gattin Rajodans war. Doch sie versuchte durch die Frage noch ein wenig mehr herauszukitzeln, denn Luzia war offensichtlich zögerlich und zurückhaltend mit Informationen. “Woher kennst du ihn?”

Die schüttelte den Kopf. “Nicht Baldos. Hadebrand. Dienstritter bei Abilacht.” Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. “Er hat mich beim Bredenhager Buhurt angesprochen und seitdem schreiben wir uns.”

“Hadebrand?”, fragte Himiltrud nach. Sie merkte, dass sie das Haus Münzberg offensichtlich nicht gut genug kannte. “Ist das ein Vetter von Baldos?” Dann legte sie ihren Kopf leicht schräg, als ob die Münzen erst in die richtige Richtung kullern mussten. “Ihr schreibt euch? Hat er ernste Absichten?”

Auch Luzia wiegte ihren Kopf hin und her. “Ich habe zumindest den Eindruck. Schwer zu sagen. Aber immer noch besser, als einen Unbekannten zu ehelichen, denke ich. Schlimmstenfalls verschafft es mir etwas Zeit.” Sie klang resigniert, aber nicht traurig. Diesen schicksalhaften Moment schien sie schon länger zu erwarten.

“Ich finde, du solltest dir in all dem möglichst viel eigenen Willen behalten, die Angelegenheiten auch zu deinen Gunsten beeinflussen", riet Himiltrud ihrer Freundin, “bei allem Respekt vor deiner Loyalität dem Hause Bösenbursch gegenüber.”

Himiltruds Freundin nickte und lächelte. “Keine Sorge, ich verstehe schon. Wollen wir doch mal sehen…”