Hochzeit auf Burg Krähenfels (1044) Teil 05: Die Gäste aus Tommeldomm

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Chronik

29. Travia 1044
Erste Tsastunde: Die Ankunft im Jagdlager

Auf Burg Krähenfels

Leanna Vialigh Wappen haus vialigh.png Talwen Vialigh Wappen haus vialigh.png

“Warum hast du ihn mitgenommen, wenn wir Großwild jagen gehen, Mutter? Wie willst du ihn denn im Wald fliegen lassen?” Talwen sah mit einem Ausdruck von Verständnislosigkeit auf den jungen Adler, den ihre Mutter da aufzog und welcher für den Moment mit aufgezogener Kopfkappe, aber unruhig auf dem ledernen Handschuh saß, den die junge Ritterin trug. Unruhig deshalb, weil er immer wieder die Flügel spreizen wollte und beständig nervös fiepte.
“Er ist eine sie und du weißt wie sie heißt.”
Talwen verdrehte die Augen bei dieser Antwort.
Ihre Mutter, die gerade die letzten Handgriffe an ihrer Garderobe tat, sah zu ihrer Tochter und dem Vogel. “Außerdem machst du sie nervös.”
“Ich finde, Jarwa ist immer noch kein guter Name. Vater hätte...”
“...ist tot! Und du bist tatsächlich die einzige, die sich an diesem Namen stört!”, fuhr die Edle ihrer Tochter über den Mund.

Die ließ sich das allerdings nicht gefallen. “Ja, weil er dämlich ist. Wer benennt schon ein Jagdtier nach dem eigenen Ehemann?” Wieder rollte die junge Ritterin mit den Augen.
Leanna hielt in ihrem Tun abermals inne und funkelte ihre Älteste zornig an. Sie überraschte jedoch damit, dass sie sich nicht auf die Diskussion einließ, auch nicht wie sonst ein gestrenges Machtwort sprach. Ihr war vielmehr daran gelegen, hier ein gutes Bild abzugeben, da viele Leute die zarten Bande der Freundschaft beobachteten, welche sie mit dem Krähenfelser jüngst erst in Moranshall geknüpft hatte.
“Tochter, du bist also der Meinung, dass es nicht richtig war, den guten Namen eures tapferen Vater, der sein Leben für die Freiheit und den Schutz Tommeldomms gab, als Vorbild für die Benennung zu nehmen?”, stellte sie stattdessen die provokante Frage und legte abwartend den Kopf schief.
“Ja, dieser Meinung bin ich.“
“Schade, dass du so denkst.“
“Schade, dass du ihn den Nostriern überlassen hast. Du wusstest, wie es endet und hast dich doch dafür entschieden.“
“Wirklich, Talwen, du möchtest mit mir tatsächlich jetzt eine Grundsatzdiskussion über Ehre und Pflichtbewusstsein führen? Ist das dein Ernst? Hier? Vier Götterläufe nach Ende der Fehde? Du vergisst wohl, wo wir sind.“
“Nein, ich...“
“Dann lass es sein! So und jetzt gib mir die arme Jarwa.“ Dabei zog Leanna ihren Falknerhandschuh an und trat humpelnd an ihre Tochter und den Vogel heran. “Und überlege dir, ob du nicht etwas gegen deine schlechte Laune unternehmen möchtest“, brummte sie verstimmt, aber beherrscht, während sie den Vogel behutsam von der Hand ihrer Tochter auf die eigene nahm und das junge Adlerweibchen erst einmal beruhigend über die Rückenfedern strich, dem Tier dabei leise und gut zuredete. Tatsächlich schien es sich durch die vertraute Stimme und die ruhige Tonlage zu sammeln. Leanna sah kurz an sich herunter. Viel auf die Jagd ging man auf Unkengrund nicht. Zumindest nicht auf die Jagd in den Tann, denn davon gab es weder viel noch tiefen. Aber mit Greifvögeln hatte ihr Vater schon immer gerne am Tommel gejagt, auch boten die Wachholderheiden guten Jagdgrund für die Beiz. Daher war Leannas Aufzug eher weniger wehrhaft denn praktisch. Nicht edel, aber dies hier war ja auch kein Ball. In Wald und Flur wurde man schmutzig. Außerdem gab die Vialigh nicht viel auf glitzernde Mode. Ihrer Tochter wiederum sah man die Ausbildung bei einem erfahrenen Waidmanne, wie es Yaron Ildborn nun einmal war, an: Talwen hatte Kettenhemd und Wappenrock der Heckenreiter gegen Leder getauscht und war mit einem Bogen zugange, den sie nun an sich nahm. Leanna nahm den Gesprächsfaden von eben noch einmal auf.
“Zu deiner Frage, Talwen: Ich habe Jarwa mitgenommen, damit sie den Wald kennenlernt. Selbst, wenn sie nicht viel zur Jagd beitragen kann, wird es ein großartiges Spiel für sie sein, das wir für sie gestalten werden, damit sie daran lernt und reift. Ein Jungvogel braucht das. Er muss lernen, damit er, wenn er ausgewachsen und flügge ist, die richtigen Entscheidungen treffen kann,“ sagte die Edle mit einem Ton, der vermuten ließ, dass sie nicht nur den Vogel meinte. In ihrem Rücken verdrehte ihre Tochter wieder die Augen.
“Bist du soweit, dass wir uns zeigen können?“ Eigentlich eine überflüssige Frage, denn ihre Tochter hatte sich zuerst umgezogen für die Jagd. Im Grunde meinte Leanna eher ‚Hast du dein Gemüt beruhigt?‘
“Ja, Wohlgeboren“, kam es von Talwen mit aufgesetzter Freundlichkeit und sie wollte schon an ihrer Mutter vorbei zu Tür gehen, da hielt die Ältere die Jüngerer noch einmal am Arm fest.
“Wenn es gar so eine Qual für dich ist, hättest du der Einladung des Herrn Caran nicht zusagen dürfen.“ Neben Strenge schwang auch ein Hauch mütterlichen Verständnisses in den Worten der Edlen mit.
“Hatte ich denn eine Wahl?“, kam es patzig, was in Leanna jeden Funken liebevoller Fürsorge erlöschen ließ.
“Man hat immer eine Wahl.“
“Hatte Vater auch eine?“
“Schluss jetzt, es wird erbärmlich! Vielleicht sollte ich allein zur Jagd hinunter und stattdessen sagen, du seiest unpässlich.“
“Nein, Mutter, lass nur. Du wünschtest ja keine Blamagen mehr. Also werde ich nun da ins Lager runter gehen, mir die Erlaubnis erbeten, mitgehen zu dürfen, und mich amüsieren, wenn ich den Pfeil in den warmen Leib meiner Beute treibe.“
Damit brachte Talwen ihre Mutter trotz allen Ärgernisses für den Moment zum Lachen, doch es war erfüllt von Sarkasmus. “Oh es wird doch sicher der eine oder andere Ledige anwesend sein, den du dir erjagen kannst. Und wenn er ein rechter Mann ist nimmst du mir viel Arbeit ab. Vielleicht triffst du diesmal eine bessere Wahl.“ Ein ‚Du weißt, sonst tue ich das‘ brauchte sie nicht aussprechen. Dann ließ sie Talwen los und trat an ihr vorbei mit Jarwa auf dem Arm aus der Kammer. Den Schmerz in ihrem Bein versuchte sie dabei zu ignorieren.

Die Ankunft im Jagdlager

Wenig später kamen die beiden Ritterinnen aus dem Edlengeschlecht Vialigh im Jagdlager an. Die Edle von Unkengrund führte einen jungen Adler auf dem Arm mit sich, ihre Garderobe war, eher praktisch denn wehrhaft, aus schwach-blauem Stoff, der Oberkörper steckte in einer auf Taille geschnittenen Cotehardie, die das Vialigh‘sche Wappen auf der Herzseite aufgenäht hatte. Am Gürtel der 51-jährigen war neben einem Langdolch eine lederne Tasche angebracht, die ein paar tote Küken enthielt. Dazu trug Leanna hohe Stiefel, ein Barett, ebenfalls in der Farbe ihres Untergewands, nämlich eine Art blass gefärbtes Dunkelblau, und ihr langes schwarzes Haar zu einem strengen einzelnen Zopf geflochten. Die Edle von Unkengrund hinkte auch ein wenig, was aus einer Schonhaltung heraus resultierte, mit der sie den linken Fuß zu entlasten versuchte. Ihre Tochter wiederum war in gut gefettetes, daher sehr weiches Leder gekleidet. Daneben trug sie zwei unterschiedlich lange Jagdmesser am Gürtel - eines hatte den Knauf eines weißen Bären und war mal ein Geschenk ihres Schwertvaters gewesen - neben einem Köcher mit Pfeilen und natürlich einem Bogen. Die Stimmung zwischen den beiden Frauen schien angespannt - wie schon so oft in letzter Zeit.

Leanna Vialigh Wappen haus vialigh.png und Widhold Ährengold

Widhold Ährengold, welcher ganz in der Nähe der Pferde stand, schenkte den beiden Ritterinnen ein anerkennendes Nicken. Der Geweihte der Herrin Peraine war in grüne Wolle gewandet und führte eine große lederne Umhängetasche bei sich. Seine blauen Augen ruhten auf dem Adler, welcher seiner Besitzerin eine gewisse Würde zu sprach. Sicherlich war das Tier in den Gemharauen von großem Nutzen, beispielsweise bei der Jagd auf Niederwild wie Feldhasen. Wenngleich in diesem Falle der abgerichtete Vogel wohl alleine seinem angeborenen Jagdinstinkt folgte, mutmaßte Widhold in Gedanken. Ob diese Art der Jagd besonders firungefällig war? Er hatte seine Zweifel, würde sich aber aus kundiger Quelle informieren. Dennoch wurde die Beizjagd gerade im Adel bisweilen mit großer Begeisterung begangen. So ein Adler war eben ungemein imposant und bei weitem noch beeindruckender als ein Falke. Er war hin und hergerissen hier noch für einen Moment zu verweilen, oder weiter zum Zelt des Heilers zu schreiten, dem er am gestrigen Tage seine Hilfe angeboten hatte. Da sein Gruß jedoch in eben jener Weise erwidert wurde, dass die Edle mit dem Tier am Arm in Begleitung der Jüngeren auf ihn zu schwenkte, wurde dem Geweihten die Entscheidung abgenommen.
“Die Saatmutter zum Gruße,“ grüßte die Ältere von beiden freundlich. Auch die jüngere nickte huldvoll. Nun von nahem mochte das feine Gespür des Endvierzigers für nicht nur körperliche Wehwechen der Gläubigen eine untrügliche Spannung ausmachen, welche die Jüngere einen Hauch Abstand von der Älteren halten und mürrisch dreinblicken ließ. Der Ähnlichkeit nach handelte es sich um Mutter und Tochter. Seinem Wissen nach um die Edle von Unkengrund und ihre Erbin. Seinem Gefühl nach um einen jüngsten Streit, oder mindestens eine handfeste Diskussion, die nur für eine der beiden, nämlich die Edle, gut ausgegangen war.
“Sagt, geht Ihr mit auf Jagd, euer Gnaden?”
“Die Gütige auch mit Euch, Wohlgeboren Vialigh!”, erwiderte seine Gnaden mit bedachter Freundlichkeit den Gruß der Edlen von Unkengrund. Ihrer Tochter nickte er abermals gewogen zu. “Es ist mir eine Freude Euch wiederzusehen. Seit der Einweihung des Tempels der Herrin Peraine im Frühjahr, haben sich die Blätter inzwischen gelb und rot gefärbt”, erklärte der Geweihte in einem angenehmen Tonfall. “Wie wir scheint, seit ihr bestens für eine Beizjagd gewappnet!”
“Ja, ich hoffe, auf eine Gelegenheit, denn aus Sauen und Hirschen mache ich mir nicht viel. Ich lasse gerne anderen hierbei den Vortritt“, erklärte sie aufrichtig und streichelte dem Vogel, der wieder völlig ruhig auf ihrem Arm saß, fürsorglich über das Rückengefieder. “Es mag vielleicht ehrlicher sein, dem Wild das Leben selbst zu nehmen, doch ich halte es in der Jagd wie mein Herr Vater und dessen Vater vorher. Wir überlassen das Töten der Natur.“ Dabei strich sie über die beeindruckenden Klauen, die der Jungvogel schon jetzt besaß. Beeindruckend spitz, beeindruckend tödlich. Nach dieser Preisgabe eines Stückes ihrer Lebensphilosophie sah Leanna auf und hinüber zu ihrer jungen Begleiterin.
“Darf ich euch meine Erstgeborene vorstellen? Talwen Vialigh, Ritterin und Mitglied der Gräflich Bredenhager Grenzwacht. Sie ist hingegen versiert im Umgang mit dem Bogen.“
Leanna wartete ab, bis der Geweihte ihre Tochter begrüßt hatte, dann wandte sie sich unvermittelt an die junge Frau: “Geh doch schon mal den Herrn Caran suchen. Du wolltest ihn ja etwas fragen.“ Talwen riss sich daraufhin zu einem feinen Lächeln zusammen und nickte noch einmal huldvoll in die Richtung des Geweihten, bevor sie abtrat und sich nach dem Zelt des Jagdgesindes umsah.
Leanna wandte sich wieder an den Geweihten: “Ihr aber seht mir ebenfalls nicht aus, als würdet Ihr der Saujagd frönen wollen, euer Gnaden“, meinte die Edle.
“Oh gewiss nicht! Wenngleich der Junker in Absprache mit seiner Jagdmeisterin, ich meine ihr Name ist Meriwen, festlegt, welche Tiere tatsächlich erlegt werden dürfen!”, betonte der Geweihte.
“Natürlich. Sein gutes Recht“, entgegnete Leanna.
“Was für eine Jagd bevorzugt Ihr? Oder seid ihr wegen der möglichen Jagdverletzungen hier? Es kann ja doch einiges passieren da draußen im firungefälligen Zweikampf mit Geweih und Hauern, nicht wahr?“
Insgeheim spielte Leanna mit dem Gedanken, den Geweihten zu fragen, ob er dem Ruf Carans oder dessen Mutter hierher gefolgt war, eine Anspielung darauf, dass sich der Götterdiener für Ravindra von Krähenfels eingesetzt hatte, aber sie entschied sich dagegen.
“Ich und jagen? Da kennt Ihr mich aber schlecht Euer Wohlgeboren. Dies überlasse ich gerne Ihro Gnaden Firuwen Ildborn, erklärte der Geweihte der Herrin Peraine und bemühte sich um ein Lächeln.
“Tatsächlich habe ich kurz nach meiner Ankunft, Meister Cuib ui Birda meine Hilfe bei der Versorgung von Blessuren und Wunden angeboten. Ich hoffe allerdings, dass es dazu nicht kommen wird. Wie mir scheint, habt Ihr eine gute Intuition!” Widhold wollte die Edle gerade fragen, ob sie ein Beinleiden habe, aber in diesem Moment erklangen gleich mehrerer Jagdhörner und riefen zur Zusammenkunft!

Die Jagdmeisterin von Haus Krähenfels Wappen haus kraehenfels.png - Letzte Planänderungen

“Und du bist sicher, dass es der Eis’ge war?”, die Stimme der Jagdmeisterin machte deutlich, dass ihr die Kunde nicht gefallen hatte, die ihr soeben von ihrer Waidmagd überbracht worden war.
“Ja. Ich konnte ihn gut sehen, vier Enden in der Krone und die Eissprossen waren auch deutlich zu erkennen.” Meriwen atmete einmal tief durch und beugte sich wieder über den Tisch, auf dem eine grobe Karte der Umgebung lag. Einige Figürchen aus Holz waren schon auf die Karte gelegt worden, daneben lag auch eine Liste mit Namen und Schreibzeug.
“Gut, dann ist es so: er hat seinen Einstand im Erlschlag. Dann führe ich Wohlgeboren von Krähenfels in den Erlschlag, auf dass wir dort den Zwölfer für ihn finden. Daerec geht mit dem Haushofmeister von Burg Eichengrund zur Eschenhöhe”, sie atmete einmal tief durch, vertauschte einige der Holzfigürchen und lächelte Brianna freundlich an.
“Du weißt, wo du hin musst? Oder sollen wir es noch einmal durchgehen?” Die junge Frau überlegte kurz, lächelte dann auch und schütttelte den Kopf.
“Na, bis zur Wetterau find ich schon den Weg und dann den Bruchzeichen nach!” Meriwen nickte zufrieden.
“Gut, dann geh und sag dem Herrn von Krähenfels Bescheid, wir sind soweit und könne gleich Anblasen!”
Brianne nickte und wandte sich dann zügig zum Gehen. Meriwen blickte ihr kurz nach, wie sie sich durch das Gewusel im Lager den Weg bahnte. Ihr Blick fiel noch einmal auf den Bereich der Karte, die den Erlschlag markierte: eigentlich nur ein kleiner Bachlauf in einer Senke. Allerdings blieb es dort lange kühl, der Nebel sammelte sich auch und im Volke hielt sich wacker das Gerücht, dass dort ein Feentor sei; wo die Äste von Weide und Erle einander trafen und gegen ihre Art und jede Natur umschlangen, sollten fremdartige Wesen ein und aus gehen. Und nun gerade dort war nicht nur der Zwölfender zu finden, der als Beute für den Herrn von Tannengrund erkoren war. Nein, auch der Eis’ge hatte dort in den letzten Tagen seinen Einstand gewählt; der einzige Hirsch, den zu schonen ihr von der Firungeweihten geboten worden war! Wird schon schief gehen, dachte sie bei sich, straffte ihre Haltung und legte ihr Rufhorn an. Dann trat sie unter dem Wettersegel hervor ins Freie und suchte Caran von Krähenfels. Der Junker stand etwas abseits und sprach gerade mit dem Erbjunker von Tannengrund und dem Ritter von Gnadengrund.