Hochzeit auf Burg Krähenfels (1044) Teil 03: Die Gäste aus Gemhar und Gemharsbusch

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Chronik

29. Travia 1044
Erste Tsastunde: Die Ankunft im Jagdlager

Die Ankunft im Jagdlager

Magor Calad Wappen haus calad.png

Die Nacht war viel zu kurz gewesen. Magor Calad hatte wohl keine fünf Stunden geschlafen und wenn es nach seinem Schwager gegangen wäre, hätten sie beide bis zum Morgengrauen noch zwei weitere Krüge mit Mhôrnoch geleert, den dieser aus Wallersrain mitgebracht hatte. Wulfwin hatte schon immer weitaus mehr vertragen als er. Auch seine einstige Schildmaid hatte ihn wieder und wieder mit traurigen Weisen an der Tafel gehalten. Magor Calad stieg schwerfällig von seinem Zelter, zumindest hatte die kühle Morgenluft dem dumpfen Pochen in seinem Schädel endlich Einhalt geboten. Der Herr von Crann Calad war ein mittelgroßer Mann mit breiten Schultern, graumeliertem Vollbart und ernsten blauen Augen. Über einer Cota aus teurer blaugefärbter Wolle, trug er eine lange mit Wolfspelz besetzte Secead. Den Schlauch seiner langen Gulain hatte er hinter seinem Rücken in den Gürtel gesteckt. Als Zeichen seines Standes führte er sein Schwert und einen Hirschfänger bei sich. Dazu eine mit dem Wappen seines Hauses punzierte Gürteltasche. Es machte den Anschein, als ob Herr Magor großen Wert auf eine standesbewusste Gewandung legte. Magor war nicht zum ersten Mal auf dieser Lichtung im Flüsterwald. Er kannte den umliegenden Forst von seiner Zeit als Page auf Burg Krähenfels. Zumindest an die ersten eintausend Schritte, konnte er sich noch gut erinnern. Diese Lichtung war schon immer der traditionelle Sammelpunkt von Haus Krähenfels zur Hohen Jagd gewesen. Angrenzend an die Krähenhöhen in ihrem Rücken, hatte man vom Wohnturm der Familie einen guten Blick ins Lager und die nächste Wasserstelle war keine zweihundert Schritte entfernt. Trotz seiner Verbundenheit mit dem Land, war er nicht gewillt auf die Pirsch zu gehen. Er war ein Mann des Schwerts und nicht des Bogens. Aus diesem Grund führten ihn seine Schritte zum großen Festzelt.

Ceriana Riunad Haus Riunad

Etwas unsicher schritt Ceriana Riunad auf das Jagdlager zu. Sie hatte ihren Elenviner Braunen an einen der Knechte übergeben und blickte sich scheu unter den Anwesenden um. Zuletzt hatte sie sich in Gesellschaften stets an den Baron gehalten, und kurz ertappte sie sich bei dem Gedanken, ob wohl einige der Gäste ihr für die Taten ihres verstorbenen Gemahls grollen könnten. Zwar hatte Wulfric ihr entsprechende Bedeckung mitgegeben, doch in gesellschaftlichen Belangen war ihr das keine große Hilfe. Und auch die Kleidung, die sie gemeinsam mit der Baronsgemahlin für diesen Anlass ausgewählt hatte, fühlte sich seltsam fremd an. Zwar musste Ceriana zugeben, dass der Bata ihr erstaunlich gut stand, doch fühlte sie sich damit wie eine Heuchlerin, wollte sie selbst doch mit der Jagd nicht wirklich warm werden. Hatte die junge Frau der langen hellblauen Cota mit farblich abgestimmter Secead noch etwas abgewinnen können, entsprachen dagegen die Beinkleider, eine helle Brogais mit entsprechend abgestimmten Wadenwickeln, die in robusten Lederschuhen mündeten, so gar nicht ihren sonstigen Gewohnheiten. Doch sie hatte Gwynefair zuliebe zugestimmt. Nun sah sich sich suchend nach ihren Eltern um.
“Ceriana mein Kind!”, war von hinten zu hören. Ein älter Mann, gekleidet in eine dunkelblaue Tunika, einen hellblauen Klappenrock mit bestickten Raben darauf und feste Lederstiefel trat an die Edeldame heran. An seiner Seite eine ältere Frau in ein dickeres Kleid in Blautönen gekleidet. Die junge Frau atmete erleichtert auf und wandte sich um.
“Vater”, lächelte sie, “Mutter”. Ceriana gab dem Ritter von Nebelsee einen Kuss auf die Wange, ehe sie Riandra kurz in die Arme schloss. “Ich bin froh, euch bei mir zu haben”, gestand sie, nachdem sie wieder einen Schritt zurückgetreten war. “Es ist alles noch recht fremd für mich, so allein...” Unsicher sah sie zum Festzelt, wo sich bereits einige Gäste versammelt hatten.
“Werdet ihr an der Jagd teilnehmen?”, fragte sie ihre Eltern, um dann hoffnungsvoll hinzuzufügen: “Oder werdet Ihr mir im Jagdlager Gesellschaft leisten?”
“Es ist schön, dich hier anzutreffen.” Ein Lächeln zeichnete sich auf Carricks von Narben gezeichneten Gesicht ab. “Ich werde womöglich an der Jagd teilnehmen. Aber sag, wie ist es dir in der letzten Zeit ergangen?”
Seine Tochter erwiderte das Lächeln schüchtern. “Es tat gut, wieder etwas unter Leute zu kommen”, meinte sie dann. “Das Turnier von Havena war eine schöne Abwechslung.” Riandra erwiderte liebevoll die Umarmung ihrer Tochter und drückte sie fest an sich.
“Ceriana, ich freue mich sehr, dich wiederzusehen, es ist viel zu lange her. Wir hatten eigentlich vor, auch nach Havena zur Turney zu reisen, aber du weißt ja, wie das ist.” Riandra verdrehte etwas die Augen. “Ich bleibe auf jeden Fall hier und leiste dir Gesellschaft.” Sofort wurde das Lächeln der jungen Frau breiter.
“Ach Mutter, das freut mich. Dir gelingt es sicherlich viel besser als mir, Kontakte zu knüpfen. Sag, hast du deine Schwester schon gesprochen?” Ein lauernder Unterton war aus Cerianas Worten herauszuhören.
Riandra lächelt etwas müde. “Ja, wir haben bereits gesprochen, aber nichts von Belang, eventuell treffen wir uns zu einem späteren Zeitpunkt.” Sie strich sich über die rechte Hand, da es doch etwas kühl war. Carrick legte seine linke Hand auf die rechte Schulter seiner Tochter. “Denk nicht soviel über die Vergangenheit nach, ich weiß, das ist schwer, und ich schaffe es auch nicht immer, aber lass dich nicht von deinen Gedanken verzehren”, lächelte Carrick milde und nahm die Hand wieder herunter. “Aber etwas anderes, ich habe gehört, dass dein Bruder auch dort gewesen ist. Hattet ihr Zeit zum Reden oder wart ihr beide zu beschäftigt?”
Ceriana schüttelte lächelnd den Kopf. “Vater, was habe ich schon groß zu tun auf solch einem Turnier? Natürlich haben wir geredet. Nachdem ich Cormacs Brief erhalten hatte, wollte ich ihm eigentlich ins Gewissen reden und ihn überzeugen, nicht mit der Tradition zu brechen. Mit mäßigem Erfolg, wie du weißt... Was sagst du zu seiner Entscheidung?”

Wulfert von Wolkentrutz Wappen haus wolkentrutz.png Madahild von Wolkentrutz Wappen haus wolkentrutz.png

Madahild von Wolkentrutz hielt sich nah bei ihrem Neffen, während sie ihre Warunker Stute im Seitsitz in Richtung des Jagdlagers lenkte. Die Edeldame hatte sich gegen Jagdkleidung entschieden und trug ein schlichtes Kleid in dunklem Blau sowie einen passenden Schleier, der mithilfe eines schmalen silbernen Reifs an Ort und Stelle gehalten wurde. Sie hatte vor, Kontakte zu knüpfen. Und da konnte es hilfreich sein, sich zunächst im Hintergrund zu halten. Nach der Enttäuschung von Havena war es nicht gerade einfacher geworden. Und wer konnte schon sagen, mit wem ihr Schwager hier Kontakte unterhielt. Verstohlen blickte sie sich um. Schließlich seufzte sie leise, straffte die Schultern und reckte das Kinn vor.
Der Erbjunker von Gabelstein, der über einem knielangen, sandfarbenen Cotehardie einen in erdtönen gehaltenen und mit Lederschnallen besetzten Pourpoint trug, hatte die Zügel lässig in der rechten Hand während seine linke auf seinem mit braunem Beinkleid bekleideten Oberschenkel ruhte. Sein kupferrotes Haar floß in Wellen unter dem Chaperon bis auf seine Schultern herab. Lediglich mit einem Hirschfänger schien der, nicht unbedingt als passionierter Jäger geltende Wolkentrutz, das Erlegen weidmännischer Beute am heutigen Tage anderen überlassen zu wollen, wenngleich die Bediensteten sehr wohl Saufeder und Bogen auf sein Quartier im Rabenwerk gebracht hatten.
“Kein leichter Gang, nicht wahr liebe Muhme”, stellte der junge Wolkentrutz mitfühlend fest, “doch auch kein Grund das Haupt gesenkt zu halten. Gibt es jemanden, den du zuerst begrüßen möchtest?”
Ertappt blickte die Edeldame den Jüngeren an. Dann lächelte sie und brachte ihr Pferd näher zu Wulfert, auf dass niemand ihr Gespräch belauschen konnte. “Ich denke, die Gastgeber”, meinte sie, “allein weil Frau Ravindra deine Schwertmutter ist. Und du solltest ein paar Worte mit deinem Oheim Wulfwin wechseln. Warum haben wir ihm eigentlich nicht die Knappschaft von Rahjalyn angetragen?” Einen Moment schien die Ältere nachzudenken, dann zuckte sie die Schultern.
“Wenn du darauf anspielst, was ich mir erhoffe... es sind ja durchaus unverheiratete Herren anwesend. Der Baradhar etwa buhlte doch gemeinsam mit meinem Bruder um die kleine Bienenhain. Wobei der sicherlich auf Nachkommen aus ist. Ob ich ihm die noch schenken könnte...” Sie zuckte die Schultern. “Dann vielleicht doch eher der Bösenbursch. Und wo wir gerade dabei sind – hast du gesehen? Der Hohenfelser hat seinen Jungen dabei. Er müsste gerade im rechten Pagenalter sein. Vielleicht kommt ihr ja ins Gespräch.” Auffordernd blickte sie ihren Neffen an.
Wulfert konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Kaum waren sie angekommen hatte seine Muhme schon ihre Fühler ausgestreckt und war über jedes Gerücht bestens informiert. Dabei war sie mit solch einer Selbstsicherheit ausgestattet, das sich selbst deutlich jüngere Heiratskandidaten ins Auge fasste. Er selbst wusste nicht, wie er damit umgehen würde, wenn ihn eine ältere Dame freien würde.
“Nun, es wäre sicher unverzeihlich den Gastgebern nicht die Aufwartung zu machen, und gut, dass du mich an Wulfwin erinnerst, die Geschwisternschaft meiner Mutter ist bisweilen etwas unübersichtlich. Ich denke, was Rahjalyn angeht, waren Vaters Absichten vermutlich auf Verbindungen außerhalb der Familie gerichtet, aber zu seinen wahren Beweggründen müsstest du ihn schon selbst befragen. Mag sein, dass sich das auch mit den Vorkommnissen in Havena geändert hat.” Madahild schüttelte unwillig den Kopf.
“Sie ist immer noch meine Tochter. Und was immer mein hoher Herr Bruder sich ausgemalt haben mag, ist nun ja wohl mehr als hinfällig. Es schmeckt mir ganz und gar nicht, so von der Gnade des Fürstenhofes abhängig zu sein.” Die Edeldame schnaubte verächtlich, ließ das Thema aber zunächst auf sich beruhen. Wulfert derweil ließ den Blick über das näher kommende Jagdlager schweifen.
“Meinst du nicht, dass die Hohenfelser ihren Spross eher an einem Baronshof, denn in Gabelstein wissen möchten? Vater hätte sicher nichts gegen einen Pagen einzuwenden, doch du weißt ja wie Hohenfelser und Stepahan zueinander stehen. Wollen wir wirklich zwischen Hammer und Amboss geraten? Oder denkst du ein Hohenfels Spross könnte uns in der Fairngard-Frage von Nutzen sein?”
Die Ältere lachte. “Wenn es darum geht, das Haus Stepahan zu verärgern, ist es gerade wohl gleich, ob du den Bösenbursch oder den Hohenfels den Vorrang gibst”, meinte sie. “Von mir aus mag der Graf nach außen hin ja einen milden Kurs fahren, aber auch wenn er dem Anschein nach ganz Politiker ist, so bin ich beinahe sicher, dass seine Frau Mutter ihm eine gewisse Unnachgiebigkeit durchaus mit in die Wiege gelegt haben dürfte... und überhaupt. Dein Herr Vater scheint es nicht unbedingt auf ein gutes Verhältnis zum Grafenhof anzulegen. Oder denkst du, er würde in dem Fall so offen gegen das Haus Heckendorn schießen? Aber sei’s drum.” Madahild lächelte schmal. “Sicherlich kann es von Nutzen sein, sich auf anderem Wege mit dem Hause Bösenbursch zu einigen. Und es liegt auf der Hand, dass es sowohl deinem Vater als auch dem Hause Stepahan gefallen dürfte, wenn die Angelegenheiten um das Junkertum unblutig geklärt werden könnten... Vielleicht gibt sich die Baronin, so sie denn überhaupt die Urheberin des Ganzen war, damit zufrieden, dass ein Zweig ihrer Familie Anteile an dem Lehen hält. Wenngleich auch, zugegeben, auf etwas verschlungenen Pfaden.”
“Es gehörte sicher nicht zu Welferichs Tugenden, vor einer handfesten Auseinandersetzung zu weichen, und das eh schon geschundene Fairngard von den Börsenbursch aussaugen zu lassen, widerstrebte ihm allemal. Ob sie oder ihr missratener Sohn, wir werden sicher nicht den Schwanz einklemmen. Daran wird auch ein Page nichts ändern”, grummelte der Wolkentrutz, während er sein Pferd auf die Festzelte des Jagdlagers zu lenkte. Kurz wollte Madahild einhaken, hatte ihr Neffe doch ihren Vorschlag offenbar missverstanden, dann jedoch zuckte sie die Schultern. “Weißt du eigentlich, was dein Schwager so macht?”, wechselte Wulfert das Thema. “Ich kann mich kaum an ihn erinnern, muss schon ewig her sein, dass ich ihm mal gegenüber stand.”
Die Miene der Älteren verfinsterte sich. “Du meinst, außer meinen Leumund zu zerstören? Nein. Und ich bin froh, wenn er mir so bald auch nicht mehr unter die Augen tritt. Aber wenn es dich interessiert, kannst du ja den Calad fragen. Der war doch sein Schwertvater.”
Wulfert zögerte mit einer Antwort auf Grund der unwirschen Reaktion und seinem fehlenden Wissen, auf was seine Tante abspielte, zudem verkniff er sich einen Seitenhieb, der Madahilds Anteil an ihrem Leumund betraf.
"War er das?", fragte er stattdessen ungerührt. "Ich hatte nur gehört, er habe seinen eigenen Schwertvater erschlagen. Nun denn, dann werde ich ihn wohl ohne deine Begleitung aufsuchen müssen." Wulfert ignorierte den fassungslosen Blick seiner Begleiterin, zügelte sein Pferd nahe anderer Pferde, die offensichtlich Gästen des Jagdlagers gehörten, und schwang sich aus dem Sattel. Dem Pferd klopfte er den Hals und raunte ihm ein paar freundliche Worte zu, bevor er einem herbei geteilten Knecht die Zügel überließ.
"Dann lass uns sehen wo wir die Gastgeber finden liebe Muhme." Geduldig wartete er bis die Ältere abgesessen war. Doch Madahild von Wolkentrutz schien es eilig zu haben. Ohne sich auch nur annähernd so aufmerksam bei ihrem Reittier zu bedanken, überantwortete sie dem Knecht ihre Stute und schloss zu Wulfert auf.
“Wer sagt denn, Adalhard habe seinen Schwertvater erschlagen?”, flüsterte sie. “Oder meinst du den Calad?”
Verwirrt, fast schon erschrocken fuhr der Ritter herum: "Nein, wie kommst du darauf? Der ist doch gar nicht hier”, wobei er ebenso ins Flüstern verfiel wie Madahild und fast empört hinzu fügte: “Ich rede von Wulfwin.” Doch nur einen Wimpernschlag später erhellte sich seine Miene, und er fing an zu lachen. “Haha, oh bei den Göttern, sagte ich Schwager? Was für eine Missgeschick. Ich wollte wirklich nicht an dieser alten Wunde kratzen. Verzeih Tante!”
Die Ältere schüttelte missbilligend den Kopf. “Du solltest wirklich deine Gedanken besser beisammen halten”, schalt sie ihren Neffen. “Und jetzt sollten wir uns sputen. Sicher werden viele Gäste die Jagdgesellschaft begleiten.”