Des Falken letzte Ehr` (1045) Teil 04: Das Jagdlager

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Dramatis Personae

Johril Dragentrutz Ritter Wappen haus dragentrutz.png (Alter: 40)
Callean Vialigh Knappe Wappen haus vialigh.png (Alter: 15), Schildknappe von Johril Dragentrutz
Caertan von Nymphensee Ritter Wappen haus nymphensee.png (Alter: 21)
Gerwine Golla Fischerin aus Schilfensee (Alter: 52)


Das Jagdlager

Von Weitem konnte man klar zwei Zelte ausmachen, welche unweit des Flussufers standen. Dazwischen stieg die sanfte Rauchfahne eines Lagerfeuers zum Himmel. Es herrschte Stille und es waren keine Bewegungen auszumachen. Als sich der Kahn näherte, erkannte die Reisegemeinschaft ein Holzgestell, auf dem bereits eine imposante Sau aufgehängt war. Niemand war zu sehen. Gerwine setzte gleich neben dem anderen Kahn am Ufer an, so dass sich die hohen Herrschaften nicht die Stiefel beschmutzen mussten. Kraftvoll stemmte sich die Flussschifferin gegen das Stakholz um den Bootsrumpf sicher mit dem Bug voran festzusetzen.

Callean half beim Anlegen des Kahns, in dem er beherzt ans Ufer sprang und eines der Seile um einen nahen Baum band. Erst dann sah er zu, dass er sich um das Gepäck seines Schwertvaters kümmerte und auslud, was sie mitgebracht hatten. Auch Caertan von Nymphensee hatte mit wenigen Handgriffen seine Habseligkeiten beisammen und tauschte leichtfüßig die Holzplanken gegen den festen Untergrund aus. Johril stand indessen regungslos am Ufer und musterte die Umgebung, ehe er zur Feuerstelle schritt und dabei auch den beiden Zelten einen flüchtigen Blick schenkte. Da die Plane von einem der Zelte zur Seite geschlagen war und zwei Lagerstätten enthüllte, musste vermutlich einer der beiden Jagdknechte seines Schwiegervaters noch in der Nähe sein. Sicher ließen diese ihre Lager nicht unbewacht. Zudem lagen noch ein paar glimmende Äste im Feuer. Allerdings fehlte es daneben an weiterem Brennholz.

Nachdem Callean die Ausrüstung ausgeladen hatte, besah er vor sich aufgereihten Mitbringsel: Zeltstangen und -planen, Decken, Seile, Werkzeuge, Fackeln und den Proviant. „Herr Johril, soll ich mich schon gleich ans Aufstellen des Zelts machen?“, fragte Callean pflichtbewusst.

Nachdem er selbst ausgeschlossen hatte, dass ihnen hier keine Gefahr drohte, nickte Johril dem Jungen zu, während sein Blick flüchtig die Ausrüstung streifte. “Wären wir auf einer Turney würde ich dich loben. Allerdings ist dies hier nicht der Lanzenhain einer Burg, sondern die Wildnis”, entgegnete sein Schwertvater knapp. “Lasse stets deinen Blick über einen Lagerplatz schweifen, bevor du mit dem Zeltaufbau beginnst. Vor dir liegt das Jagdlager von Wohlgeboren Falkraun. Callean, welche Schlüsse zieht dein Verstand?”

Calleans Augenmerk wanderte über die Umgebung, von den beiden Zelten zu dem noch sanft rauchenden Feuer und der aufgehängten Sau.
„Die erste Jagd war erfolgreich, jetzt scheint seine Wohlgeboren noch einmal aufgebrochen zu sein, denn das Lager ist schon eine Weile verlassen, wie man an dem erloschenen Feuer sieht. Seine Wohlgeboren ist wohl auch nur mit wenigen Mitjägern hier, vielleicht zu viert? Und da uns noch niemand begrüßen kam, ist wohl keiner im Lager. Vielleicht wartet eine Wache etwas waldeinwärts“, schloss der Junge aus dem, was er sah.

“Und dieser hat uns bislang nicht gehört?”, entgegnete Johril ungläubig. “Wo würdest du dich positionieren, um die Umgebung im Blick zu behalten?”
„Hm, Ihr habt Recht, Herr Johril“, erwiderte der Knappe leicht zerknirscht auf den sanften Tadel seines Schwertvaters, denn dies führte Callean mal wieder vor Augen, dass er in seiner Pagenschaft unter dem Herrn Jaran und zeitweise dessen Schwester Firlynn eine solide höfische Ausbildung genossen hatte, die zwar etliche Turnierbesuche und Festivitäten einschloss, aber besagte Wildnis nur mäßig. Die Frage nach einem guten Ort für einen unbekannten Späher, ließ den Vialigh dann die Umgebung erneut in den Blick nehmen. Er wusste nicht, ob ein Jagdknecht des Herrn Lûran tatsächlich auf Bäume klettern würde, doch er sagte, denn sein Schwertvater hatte ja gefragt, wo er, Callean, sich positionieren würde: „Auf einen der Bäume. Mit Blick zum Fluss und über den Lagerplatz. Möglicherweise mit einem Rufhorn ausgestattet, um meinen Herrn Zeichen geben zu können.“ Er war sich jedoch nicht sicher, ob seine Antwort diesmal gefallen würde.
“Dies ist eine Möglichkeit. Ich hingegen höre nur die Grillen zirpen”, bekannte sein Schwertvater und zuckte mit den Schultern. Offenbar war es Herr Johril wichtig, dass sein Knappe auch den Weg der Hecken erlernte. “Glaubst du denn, dass sich im Geäst der umliegenden Bäume eine Wache verbirgt?”, fragte Johril.

„Vermutlich nicht“, antwortet Callean wahrheitsgemäß, nachdem er noch einmal nachgedacht, die Umgebung mit einem weiteren Rundumblick beobachtet und dabei nun auch das Ufer miteinbezogen hatte. „Ich denke eher, es war jemand am Ufer, der uns schon von weitem gesehen und längst Meldung gemacht hat.“ Er deutete zum Ufer und und auf einige Büsche unweit der Stelle, an der die Boote festgemacht waren. „Der Altarm ist von dort gut einsehbar, während man selbst durch das Gestrüpp vor Blicken geschützt wäre.“

Johril war dem Fingerzeig von Callean gefolgt und ließ seinen Blick kurz über das Ufer schweifen. “Gewiss ein anständiger Beobachtungsposten. Wenn dort aber tatsächlich eine Wache war, wo ist sie dann geblieben? Meinst du wirklich, dass sie das Lager verlassen hat, um nun irgendwo im Holdenaich Herrn Lûran zu suchen? Und was hätte sie ihm dann berichtet auf dessen berechtigte Frage, wer denn dort auf dem Kahn zu sehen war? Nun ja, zumindest spricht die offene Zeltplane dort vorne für deine Überlegungen”, erklärte der Ritter mit einem aufmunternden Unterton. Wenngleich Johril die Mannen und Frauen in den Diensten seines Schwiegervaters inzwischen kannte und niemand unter ihnen als leichtfertig oder gedankenlos galt. Aber dies konnte der Junge in wenigen Monden auch selbst in Erfahrung bringen. Es war eine Sache aus den Erfahrungen anderer zu lernen, aber nochmals eine gänzlich andere an seinen eigenen Irrtümern zu reifen. Johril sah noch einmal zum blauen Himmel über ihnen und nickte dann Callean zu: “Ich denke, dass du unser Zelt nun aufbauen kannst! Scheue dich nicht nach Hilfe zu fragen, wenn du sie brauchst.” Für einen Moment sah man keine Sorgen auf Herrn Johrils’ Antlitz und ohne den Tod seines einstigen Schildknappen und Freundes wäre das Leben gut gewesen.

Callean Vialigh nickte entschlossen. „Ja, bitte helft mir, Herr Johril. Ich fürchte, ich habe die Sache nicht verstanden. Wo ist denn nun die Wache hin und wo war sie eurer Ansicht nach, als sie uns sah? Es interessiert mich sehr.“ Begierig, seine Wissenlücke zu füllen, sah er den Ritter an.

Caertan von Nymphensee war inzwischen an Callean und dessen Schwertvater herangetreten. Die beiden wussten nicht allzu viel über ihn. Doch er hatte seine Knappschaft in der Grafschaft Winhall vollbracht und schlief schon so manche Nacht unter dem Licht des Sternenzelts, fern von sicheren Mauern und hohen Türmen.
“Sie ist vermutlich noch ganz in der Nähe”, betonte der junge Ritter beiläufig. “Vermutlich sammelt sie Holz und kehrt jederzeit zurück!”
Herr Johril schürzte die Lippen und nickte dem Rittersmann knapp zu.
“Ja, gut möglich!” Dann wandte sich Johril Dragentrutz seinem Schützling zu: “Auf jeden Fall war sie nicht hier in der Nähe des Ufers, sonst hätte sie uns begrüßt. Immerhin kennt mich das Gefolge des Junkers. Auch um seine Notdurft zu verrichten, war reichlich Zeit. Aus diesem Grund spricht viel dafür, dass sie das Lager zwar verlassen hat, sich aber ganz in der Nähe aufhält. Vielleicht sammelt sie gerade ein paar Kräuter für das Abendmahl oder Totholz vom Boden auf. Zumindest wird es Totholz sein, da bislang niemand von uns den Klang einer Axt hörte.” Es war gut, dass der Junge wissbegierig war, so war es leichter für ihn etwas zu lernen.

Zufrieden nickend zeigte Callean, die Umstände jetzt zu durchschauen. Dass er die Rückschlüsse als solche erkannte und verstand, dafür sprach auch, dass er die Gedanken aufnahm und weiterentwickelte: „Soll ich mich denn dann jetzt das Zelt kümmern oder ebenfalls Holz für das Feuer sammeln gehen? Ich könnte dabei die Augen nach der Wache aufhalten, wenn ihr wollt“, bot er sich an. “Zuerst das Zelt!”, bestimmte sein Schwertvater. Denn das Holz sammelte ja mutmaßlich ein Anderer. Obschon es nicht nach einem sommerlichen Regenbruch aussah, konnten sie so ihre mitgeführten Sachen anständig verwahren und das Zelttuch hielt ihnen in der Nacht die Stechmücken vom Leib.

Selbst wenn er vielleicht das Holzholen lieber gemacht hätte, nickte und fügte sich der Junge ohne Widerworte. Weisungen akzeptierte Callean gleich. Und auch das bedingungslose Dienen musste der Dragentrutz ihm nicht mehr beibringen, das hatte er in seiner Pagenschaft bereits. verinnerlicht.
“Vier Hände sind besser als zwei. Ich helfe Dir besser!”, erklärte Johril mit schmalen Lippen. Es war gut, sich für geraume Zeit mit etwas anderem zu beschäftigen, als mit dem Tod seines einstigen Schützlings, Freundes und Schwagers. Johril nahm einen tiefen Atemzug und schluckte die Beklemmung in seiner Kehle hinunter. “Alleine kannst du das Gestänge ohnehin nicht aufstellen. Ebenso braucht es zwei weitere Hände um die Verankerungen richtig zusetzen und die Seile sicher abzuspannen!” Er hätte es natürlich auch alleine versucht, wenn sein Schwertherr dies gewünscht hätte, aber zu zweit ging es wirklich besser.
“Da vorne wäre doch ein guter Platz, um das Zelt aufzustellen, Herr Johril, nicht wahr?” fragte Callean, während er mit dem Finger auf eine halbwegs bodenebene Fläche deutete und sich dann nach der Ausrüstung bückte. Und so machten sich die beiden ans Werk, während Herr Caertan ebenfalls sein Nachtlager bereitete.