Die Reise von Graf Arlan Stepahan nach Weiden (1043-1044) Teil 01: Ein Ende ist ein Anfang

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Dramatis Personae


Kaiserpfalz Biberstein Herzogtum Weiden, Mitte Praios 1044

Die Praiosscheibe stand hoch am Firmament und kaum ein Wölkchen trübte den azurblauen Himmel. Auch wenn Weiden nicht für besonders heiße Sommer bekannt war, blieb ein Sommertag ein Sommertag und Praios Strahlen vermochten einem den Schweiß auf die Stirn zu treiben.
Dementsprechend waren bereits einige der erschienen Besucher in den Schatten der wenigen Bäume gewichen. Die kleine Schar, die sich eingefunden hatte, bestand zum großen Teilen aus den Knappen und dem Gefolge des Grafen Bredenhags. Nur wenige Hiesige füllten die Reihen, so dass die Anzahl überschaubar blieb.
Ein kleiner Baldachin war errichtet worden, unter dem Graf Arlan Stepahan mit seiner Familie Platz gefunden hatte, der aber nicht genug Raum für die Edlen, Ritter und Würdenträger bot, die ihn begleiten. So hatte sich ein Halbkreis der Versammelten gebildet, in dessen Mitte nun Josold von Firunsgrund, der Mann, der zu dieser Zusammenkunft aufgerufen hatte, trat.

"Ihr edlen Damen, Ihr edlen Herren, seid willkommen an diesem Tag", begann er mit weit tragenden Worten.
"Es ist eine große Freude, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid, der ehrenvollen Beendigung der Knappschaft meiner Schildmaid beizuwohnen. Geladen wurdet Ihr sowohl als Zeugen, die die Richtigkeit des Tuns prüfen und bestätigen mögen, als auch als Freunde, die in ritterlicher Weise eine junge Edle unter sich aufnehmen und als eine der ihren willkommen heißen."

Voll Inbrunst und Bestimmtheit hatte er die Anwesenden begrüßt, doch nun schlich sich ein Hauch von Milde in seine Stimme, als er sich an seine Knappin wandte. "Vor sechs Götterläufen bist du in meinen Dienst als Schildmaid getreten.
Als solche trete noch ein letztes Mal vor mich, Siana aus dem Hause Falkraun, auf das alle hören, wessen ich dich würdig erachte. Höre, woran dich ein jeder messen möge und woran du gemessen werden wirst, wenn du dereinst vor deiner Seelenwaage stehst."

Die angesprochene Schildmaid schluckte angesichts der bedeutsamen Worte, die ihr Schwertvater als Einleitung gewählt hatte. Nach dem langen nächtlichen Gebet in der kühlen Stille des Firunsschreins auf der Pfalz konnte der Unterschied hier inmitten der Versammelten unter Praios gleißendem Schein nicht größer sein. Sie stand nur angetan mit einer leichten weißen Cotta, Bruche, Beinlingen und Schuhwerk dem Halbkreis der Edlen, Ritter und Würdenträger gegenüber und trat nun an ihren Schwertvater heran.

Josold wartete, bis die junge Frau vor ihm stand, bevor er weiter sprach.
"Stets hast du dich als Schirm und Schutz für die Schwachen und Hilfsbedürftigen gezeigt, wenn Not und Gefahr am größten war. Folge diesem Weg, auf das auch weiterhin die Armen und Machtlosen auf deinen Schutz vertrauen können. Bewahre stets deine Ehre, die dir zu eigen ist. Nichts Unehrenhaftes soll dein Handeln leiten. Weder selbstsüchtigen Vorteil im Kampf, noch unrechtmäßiges Gut, noch unwahres Wort sollst du dulden."
"Treu sei dein Wesen", hob er erneut an, "so wie du mir treu gedient hast. Loyal seist du gegen deine Bundgenossen. Wahrhaftig sei dein Eid zu jeder Zeit. Mannhaft und mutig bist du für wahr."
Ein ungewolltes Schmunzeln legte sich auf die Lippen des Ritters, bevor er wieder zu seinem feierlich ernsten Blick fand.
"Im Kampf streitet niemand tapferer als du und du wirst dich nicht scheuen, auch das eigene Leben einzusetzen, um die Schlacht für deine Seite zu entscheiden. Doch auch Höflichkeit und Zucht sollst du dein eigen nennen. Dass du dich durch feines Betragen und gesitteten Umgang auszuzeichnen vermagst.”

Siana hörte deutlich die Ermahnung aus den Worten ihres Schwertvaters, der sich nicht scheute, auch ihre Schwächen zu nennen. Sie schlug die Augen nieder, da sie wusste, dass diese Aufgabe ihr auch in Zukunft schwer fallen würde, und Josold wusste dies nur allzu genau ebenfalls. Doch schon sein nächster Satz ließ sie wieder aufblicken und sie biss sich auf die Zunge.

"Halte stets das rechte Maß, wie du es von mir gelernt hast, denn nur so wird richtiges und gutes Handeln erreicht, und der wohlgefällige Weg zwischen Übertreibung und Untätigkeit gefunden. Schließlich sei milde, großzügig und barmherzig. Das selbstsüchtige Anhäufen von Reichtum ist dir fremd wie ich weiß. Sorge für deine Anbefohlenen und lindere Not, wo du sie findest."
Einen langen Moment ließ er seinen Blick auf Siana ruhen, bevor er sich an die Versammelten wandte und ihnen mit fester Stimme entgegen rief: "Ich, Josold von Firunsgrund, bezeuge hier vor Euch, die Ihr Euch versammelt habt, dass sich diese Frau, Siana Falkraun, als würdig gezeigt hat, den Ritterstand zu erlangen. Davon soll ein jeder von euch künden.
"Ihr Götter", und damit streckte er beide Arme zum Himmel, "ich bitte Euch: Lasset Eure Augen mit Wohlgefallen auf die, die ich für würdig erachte, ruhen. Lasset Euren Ratschluss in finsteren Stunden zum Licht werden, das ihr den Weg weist. Auf dass sie niemals verzage, die ihr Anvertrauten vor allem Bösen bewahre und als Eure Dienerin Euren Ruhm vermehre."
Josold verharrte einen Moment, bis er sich wieder der jungen Falkraun zuwandte. "Empfange mit Stolz und Ehre das Zeichen, das deinem Stand gebührt. Das Schwert ist von alters her das Symbol der Ritterlichkeit und so will ich dich gürten, wie du es zum Abschluss deiner Ausbildung verdienst."

Der Weidener Ritter ergriff den Schwertgurt, der ihm gereicht wurde und Siana sah Beklommenheit und Scham in seinem Blick, als er ihr den Gurt mit der leeren Schwertscheide um die Hüften schlang. Auch als er ihn schloss, fand sein Blick nicht den ihren und fast überhastet trat er zurück, um einem anderen Mann Platz zu machen.

"Ich beglückwünsche dich, junge Falkraun." Mit diesen wohlwollenden Worten übereichte der Graf von Bredenhag ihr ein burggeschmiedetes Schwert, wie er ausführte, zum Geschenk. Die Waffe war eher breit, verjüngte sich aber stark zur Spitze hin. Eine Hohlkehle machte etwa 2/3 der Länge aus. Der hölzerne Griff war mit dunklem Leder umwickelt, während der Hausspruch der Falkraun in den radförmige Knauf aus Messing eingraviert worden war.
Zudem könnte sie den Zelter, den sie ritt, behalten. Arlan brachte zum Ausdruck, dass er viel vom Waffengeschick der jungen Falkraun hielt und riet ihr weiter, dem rondrianischen Weg der Ehre zu folgen und sich einen Namen zu machen. Er war überzeugt, dass man in den kommenden Jahren noch viel von ihr hören würde. Sodann entrichtete er Grüße von Sianas Oheim Luran Falkraun, der einen edlen Wappenrock von Haus Falkraun ebenso wie ein Kettenhemd an seine Nichte mitgeschickt hatte. Dazu noch Kettenhaube und Nasalhelm.

Siana nahm sich zusammen und bedankte sich für die großzügigen Geschenke des Grafen. Auch für die Gaben ihres Oheim sprach sie ihren Dank aus und bat Hochwohlgeboren, einen Brief mit in die Heimat zu nehmen, den sie noch schreiben würde. Mit einer Verbeugung trat sie einen Schritt zurück und als sie sich wieder aufrichtete - noch immer mit dem Schwert in den Händen - reichte sie es dem Mann, der sie über Götterläufe wie ein Vater begleitet hatte, für einen letzten Dienst und die unausweichliche Frage.

So war auch Josold von Firunsgrund am Zögern, kannte er die Antwort doch bereits und wollte den Moment, da sie offen ausgesprochen war, so weit wie möglich nach hinten schieben, auch wenn er wohl oder übel einsehen musste, dass es unter den Gegebenheiten wohl das Beste war.
Schließlich fasste er sich doch ein Herz, drückte das Rückgrat durch und ergriff das Schwert aus den Händen Sianas. Dann ließ er seine Stimme erneut erklingen: "So frage ich dich, Siana Falkraun, bist du bereit, die Bürde und Last des Ritterstandes zu tragen?"

Ihre Stimme war rau, erreichte jedoch alle Zeugen: "Ich kann die Last nicht tragen. Noch nicht. Aber so die Göttin wünscht, wird sie mich leiten."

"So soll es sein", kündete ihr Schwertvater mit einem Nicken und führte die Klinge, die er soeben erst aus ihren Händen genommen hatte, mit dumpfen Laut zurück an ihren Platz in der leeren Schwertscheide an ihrem Gurt.
Bevor die frisch ernannte Edelmagd nun von allen bestürmt und beglückwünscht wurde, ließ sich Josold einen Gegenstand reichen und trat noch einmal auf sie zu. In den Händen hielt er ein mit Schnitzereien verziertes und mit Silber beschlagenes Rufhorn. "Es hat meiner Frau gehört, ist aus dem Horn eines Wollnashorn gefertigt und ich möchte, dass du es von nun an trägst."
Mit diesen Worten schloss er etwas ungestüm die junge Frau in den Arm und drückte sie fest, bevor er sie ebenso schnell wieder los ließ und sie den anderen Gratulanten überließ.

In der sonst so derben Edelmagd zerbrach etwas angesichts dieser Geste, da sie wusste, dass Josold lange nicht über den Tod seiner Frau Haelis hinweggekommen war, obwohl er durchaus in der Lage war, neue Zuneigung zu fassen, wie sein Verhältnis zu Furgund von Hallberg bewies. Und nun erhielt sie selbst eines der wenigen Stücke, die ihn noch mit seiner Frau verbinden mochte. Eine Träne rann ihr über die Wange, obwohl sie sonst nicht nah am Wasser gebaut war.
Mit belegter Stimme nahm sie die Glückwünsche der weiteren Gäste entgegen, bis zu guter Letzt auch noch Arwulf und Binsenhold, die beiden Waffenknechte Josolds, zu ihr kamen.
Verlegen kneteten sie ihre Kappen, schließlich streckte Arwulf die Hand vor und hielt Siana ein paar neue rehlederne Handschuhe hin: "Wir haben gesammelt und die Steinlöwen lassen grüßen."

Siana umarmte zum Dank die beiden Weggefährten Josolds, die ihr in den langen Götterläufen auf Bredenhag so vertraut geworden waren. Dabei erinnerte sie sich an den alten Eisenbeiß und die anderen Steinlöwen, die sie bei ihrem Weggang nach Bredenhag hatte zurücklassen müssen. Zuletzt hatte sie die Steinlöwen auf der Sommerturney unter dem Draustein gesehen. Damals aber - vor 10 Götterläufen - hatte alles dort auf der Burg begonnen und nun am vorläufigen Ende dieses Weges spürte sie das erste Mal deutlich das Gewicht des Schwertes an ihrer Seite und damit die Last der Verantwortung auf den Schultern - und die Aufgabe, ihren Weg ins Ungewisse aus eigener Kraft zu gehen. Doch sie wusste, dass auch Herwin diese Kraft gefunden hatte, nachdem er seinen Arm verloren hatte. Wo ein Wille ist, überlegte sie und lächelte schon wieder, schließlich galt sie als so stur wie ein Rammbock.
"Kommt", hob sie an Arwulf und Binsenhold gewandt an, "ich habe zwar nur ein bescheidenes Fass Bier bekommen können, aber euch beiden will ich das Bier genauso zapfen wie den Hohen Herrschaften!"
Und in Gedanken fügte sie hinzu: Eigentlich noch viel lieber!