Familienrat auf Dun Glaoran (1045) Teil 11: Familienoberhaupt

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“Abschließend ist nun noch Zeit für weitere, mitgebrachte Themen. Wer etwas vor dem Familienrat vorbringen will, das bisher nicht diskutiert wurde, hat nun Gelegenheit dazu.”

Praihild erhob sich. “In der Tat, ja, einen habe ich noch.” Sie räusperte sich. “Das Familienoberhaupt des Hauses Bösenbursch war traditionell immer Inhaber des Edlenguts Moosgau. Damit geht logischerweise der Vorsitz im Familienrat einher, sowie das Privileg, dessen Beschlüsse verfassen zu dürfen, wenn die Beratungen vorbei sind. Schließlich ist das hier keine Dämonkratie.” Dann sah sie hinüber zu Rahjalin. “Und ich denke, es ist an der Zeit, diese Tradition zu hinterfragen. Ich beantrage, dass das Familienoberhaupt immer die Person ist, welche das höchstrangige Lehen innehat, so, wie es sich für ein praiosgefälliges Haus gehört!”

Rahjalin sprang direkt wutentbrannt auf. “Ich hab’s gewusst! Du konntest es dir also doch nicht verkneifen, du missgünstiger Biest! Das war doch von Anfang an dein Plan, oder? Deswegen hast du diesen ganzen Zinnober mit dem Familienrat veranstalten wollen!”

"Auch wenn es dein Missfallen erregt." Nahm Roana sehr gefasst und ruhig den Faden direkt auf. Sie wollte nicht, dass die Unterhaltung nur von Emotionen gestaltet wurde. "Traditionen und Sitten sind ein wichtiger Bestandteil des Adels. Unsere Familien haben sie über Generationen gepflegt und an unsere Nachkommen weitergegeben. Sie regeln die Wahl von Namen, Traviabünde, Ausbildungen und Anstellungen, aber auch wie das Familienoberhaupt bestimmt wird. Egal wie sich diese Tradition auch gestaltet. Im Falle der Familie ist es der Lehensnehmer von Moosgau."

Praiophan nickte vehement.

Ehe Rahjalin sich diebisch freuen oder Praihild sich beschweren konnte, führte sie noch weiter aus. "Allerdings haben wir hier eine Situation, in der, auch wenn es ein Familienmitglied ist, ein Angehöriger des Niederadels, über jemanden aus dem Hochadel gebieten könnte. Und ich denke nicht, dass dies wirklich Praiosgefällig ist. So müssen wir durch die Belehnung mit Gemharsbusch entweder mit dieser Tradition brechen oder zumindest verhindern, dass diese praiosungefällige Situation weiterhin bestand hat."

Noch bevor Praiophan seine eigene Meinung kund tun konnte, ergriff seine mehr der Rahja als des Götterfürsten nahe Nichte das Wort:

“Wie ihr wisst, und mir immer wieder vorwerft, bin ich für das Hinterfragen und auch das Brechen von Traditionen”, mischte sich Jolenta ein, “doch bin ich hier entschieden dagegen. Wir sind ein nordmärkisches Haus und unser Haupt sollte daher auch in den Nordmarken verweilen - und nicht in Albernia. Wenn Ihr, Euer Hochgeboren, dieses Vorhaben wirklich umsetzen wollt, so spaltet Ihr dieses Haus in ein älteres und ein jüngeres. Das ältere Haus verbleibt bei seinem Stammlehen in den Nordmarken und das jüngere Haus geht nach Albernia und verrät seine Wurzeln. Ein Schandfleck auf Eurer praiostreuen Seele.”

Die Baronin schüttelte entschieden den Kopf. “Wie schon bei der Heraldik-Sache: Es geht mir nicht um eine Spaltung. Älteres und Jüngeres Haus, sowas überlassen wir mal schön den Rabenmunds. Fakt ist: Gemharsbusch ist eine Exklave der Nordmarken in Albernia. Eine der letzten, wenn man einmal von der Grafschaft vom Großen Fluss absieht. Ich betrachte mich nicht als Albernierin, sondern als Nordmärkerin im Dienste albernischer Herren. Und soweit es mir mein Lehnseid erlaubt, denn diesen werde ich natürlich erfüllen, unterstütze ich selbstredend die Herrschaft des Hauses vom großen Fluss. Nur eben von hier.”

“Aber nicht als Haupt der Familie Bösenbursch!”

“Dem gibt es nichts hinzuzufügen!” unterstützte Praiophan mit lauter Stimme die Worte seiner Nichte, die zwar in der Regel alles andere als praiosgefällige Ansichten besaß, ihm aber just gerade aus der Seele sprach.

'Diese Abfuhr war heftig erfolgt', überlegte Aurea. Die Spaltung des Hauses dürfte wohl nicht im Interesse der Anwesenden sein, schließlich war das Haus recht klein. Zudem hatte Praihild als Hochadlige irdisch das größte Gewicht.

"Die Bösenburschs sind nordmärkischer Adel und werden es sicherlich auch bleiben. Selbst wenn ihre Hochgeboren sich den Alberniern anbiedern würde, so bliebe sie für diese immer die Nordmärkerin. Dann braucht sich Hochgeboren auch nicht verstellen und kann diese Rolle auch offen ausleben." So richtig wusste sie nicht, wie die Situation tatsächlich gelöst werden könnte.

"Wenn, was durchaus verständlich ist, nichts an der Tradition verändert werden soll, gäbe es denn dann eine Möglichkeit den veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Schließlich ist die Familie hinausgewachsen."

An der Ecke der Tafel, wo die beiden ältesten Geschwister saßen, räusperte sich Fridegard fast ein wenig beschämt, ehe sie sich hoch drückte. In ihre Wange schoss das Blut. Aber nicht, wie bei Praiophan und Rahjalin aus Wut und Entrüstung, sondern vor Aufregung. “Wenn ich da etwas dazu sagen dürfte?” Dabei sah sie zu ihrer Schwägerin zur Rechten, deren Krankheit sie dauerte und deren Ausbruch sie nur zu gut verstehen konnte. Fridegard wollte helfen so weit es in ihrer Macht stand. Erst dann drehte sie den Kopf und sprach zur ganzen Tafel. Sowohl Rahjalin als auch Praihild nickten ihr zu. “Eine Spaltung in ein jüngeres und ein älteres Haus ist wirklich keine Schande. Als mein Großvater Frobald und dessen nur wenige Momente älterer Zwillingsbruder, mein Großonkel Frohwahn, ihrerzeit das Haus Zweibruckenburg in ein älteres und ein jüngeres Haus trennten, vermieden sie so, dass die Familie zerbricht. Ich weiß, es klingt wie ein Widerspruch, doch wir alle wissen und, äh, sehen es ja selbst, wie äh, schnell Diskussionen zu Streits….” Sie hielt inne, sprach ihre Worte nicht zu ende. “Auch Großvater und Großonkel Frowahn waren sich in vielem nicht einig und stritten viel. Nach der Trennung aber erlebte ich beide zeitlebens im Umgang miteinander sehr freundlich. Ausgeglichen. Ich denke, nein, bin überzeugt, dies wäre nicht der Fall gewesen, wären beide gleichsam nur Ästchen an unserem Familienstammbaum geblieben. So aber gewannen beide als Oberhäupter zweier neuer Arme an Freiheit und Gelassenheit und ihre Nachkommen ebenso, da niemand in Konkurrenz zueinander stehen musste. Ich weiß, ich bin nur angeheiratet und mein Wort hat daher nur wenig Gewicht. Doch vielleicht wäre es ja durchaus eine Überlegung wert, über eine, hm, Trennung nachzudenken, wenn die Konflike schon so tief wurzeln? Damit Argwohn und Zank auf keinen Nährboden mehr fallen, meine ich. Ist die Familie nicht das höchste Gut, das wir haben? Sie macht uns zu den Menschen, die wir sind, in ihr sollten wir Unterstützung erfahren… und Liebe!” Fridegards Stimme war, während sie sprach, immer leiser geworden. Nun sah sie mit glasigen Augen auf ihren Gemahl herab, der etwas perplex zurückschaute, offenbar unsicher, was sie von ihm erwartete. “Wie ich vorhin schon zu dir und Rahjalin sagte: Es krampft sich mein Herz zusammen, Praiophan, wenn ich sehe, wie ihr Geschwister euch streitet und wie dadurch alles kaputt geht, was ihr habt.” Ihr trauriger Blick fing nun auch ihre drei Schwägerinnen ein. “Ich frage euch, wie wollt ihr in die Zukunft gehen? Als zerstrittenes Haus,... oder geteilt, aber glücklich miteinander und stark? Wir haben alle Kinder. Was für eine Familie wollen wir ihnen überlassen, wenn…wenn wir nicht mehr sind?” Deutlich bemüht, die Tränen zurückzuhalten, setzte Fridegard sich wieder und tupfte im Folgenden mit einem Zipfel ihres Ärmels in die Augenwinkel.

Garmwart erhob sich still von seinem Stuhl, ging von seinem Ende der Tafel zum anderen und bot Fridegard ein Tuch an, welches diese überrascht, aber gerne annahm. Rahjalins beginnender Wutausbruch war jäh unterbrochen worden. Auch Praihild hatte sich eigentlich auf eine längere Debatte mit den Autoritären eingestellt und war von Fridegards Einwurf aus dem Konzept gebracht worden…