Familienrat auf Dun Glaoran (1045) Teil 08: Moosgau

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“Was nun die Wirtschaft angeht, ist das dringendste und offensichtlichste Problem wohl das weitere Schicksal von Moosgau. Ich werde… bis auf Weiteres… nicht dorthin zurückkehren können. Allerdings wird Hochgeboren Keyserring keine Frau zur Edlen machen. Es kann also nicht Luzia sein. Praiophan hat sich bereit erklärt, das Lehen bis auf Weiteres zu führen, zumindest, bis diese Frage endgültig geklärt ist.” Sie nickte ihrem Bruder anerkennend zu, der daraufhin ein Brummen von sich gab, aus dem nicht hervorging, wie bereitwillig diese Bereiterklärung gewesen war. “Das löst das Problem aber nicht für immer. Gibt es aus diesem Kreis weitere Ideen? Meldungen?” Argwöhnisch sah Rahjalin die Tafel entlang zu ihrer Halbschwester, als erwarte sie etwas.

“Wieso denn nicht Nerek? Er ist ein hervorragender Buchhalter”, platzte es aus Jolenta heraus. Dieser starrte sie überrascht an. Offenbar war diese Idee nicht abgesprochen.

Von Praiophans Seite kam ein despektierliches „Pffff,“ was sich wohl auf das Lob bezog, welches er möglicherweise für übertrieben hielt.

Rahjalin musste sich direkt wieder zurückhalten. Der Chaot als Edler von Moosgau? Sie sah Nerek an und war insgeheim dankbar für seine Reaktion. Dann räusperte sie sich schnell und wandte sich direkt an Jolentas Gatten. “Ähem… was haltet ihr von dieser Idee? Ihr… scheint überrascht.”

“Nun… ähm… zutrauen würde ich mir das schon. Wohlgeboren Artigas hat sich bisher nicht beklagt. Nur… Also jetzt mal im Ernst, Jolenta: Moosgau?! Das liegt am Ar… ähm, ist ganz schön weit weg. Ich dachte nicht, dass Du Elenvina verlassen möchtest.”

“Iiiiich?! Wo denkst Du hin, mein Lieber. Nein, ich werde in der Metropole bleiben und weiterhin die Pferde des herzoglichen Gestüts zureiten.”

Nerek klappte die Kinnlade herunter. “Ach und du glaubst, ich lass Dich mit dem ganzen Spaß in Elenvina allein, während ich in Moosgau Staub - oder besser gesagt - Moos ansetze? Na, das kannst Du vergessen!”

“Ach komm. Du brauchst doch nur ein paar Wochen anwesend sein, um alles auf Vordermann zu bringen und dann kannst Du das Gut auch aus der Ferne lenken. Machen andere doch auch.”

Während Rahjalin noch 1 und 1 zusammenzählte und gerade wieder aufbrausen wollte, hakte Praihild ein: “Gut, also halten wir fest, dass der Vorschlag von Jolenta vermutlich nicht ganz ernst gemeint war…?”

„Allerliebste Nichte, allerliebster Neffe,“ meldet sich Praiophan mit väterlich-tadelndem Ton, der durchaus eine gehörige Portion Überheblichkeit und Belustigung in sich trug. Er lehnte sich dabei am Tisch vor, seine Finger formten ein Dach. „Wir wissen doch alle, dass es mit ‚ein paar Wochen‘ nicht getan ist. Und wir wissen doch alle, dass Hochgeboren von Keyserring nicht nur keine Frauen in führenden Positionen, sondern auch keine Spielchen mag. Und als solch eines wird er die eben vorgetragenen Respektlosigkeiten ansehen. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass dies dem Ansehen unseres ehrenwerten Hauses mehr schaden als helfen würde. Außerdem scheint - verzeiht - Ihre Wohlgeboren Artigas,“ allein schon wie er den Namen betonte, machte deutlich, dass er etwas gegen die Almadanerin auf diesem traditionellen, für die Nordmärkischen Wirtschaft und das Nordmärkischen Ansehen wichtige Amt hatte, „zwar etwas von, hm, Zucht zu verstehen,“ - wohl eine belächelnde Anspielung auf den Umstand, dass die Zuchtmeisterin zwei außerehelich geborene Kinder besaß, über deren Vater sie sich mit Beharrlichkeit ausschwieg, „doch reicht die Fähigkeit, Zahlen an beiden Händen abzählen zu können, nun mal eben nicht aus, ein solch schwieriges Lehen zu führen. Nichts gegen dich, Nerek, doch es sind keine Pferde, um die es hier geht oder um spaßigen Kurzweil.“ Dabei sah er streng unter seinen ergrauenden Brauen hervor. „Es geht um die Zukunft dieses Hauses und um Tradition. Nicht mehr und nicht weniger. - Daher ja, werte Schwester, dieser Vorschlag meiner Nichte war sicherlich nicht ernst gemeint.“ das letzte sprach er an die Baronin gewandt, bevor er sich noch einmal an die Runde wandte. „Was allerdings durchaus ernst gemeint war, war mein Angebot, Moosgau in Rahjalins Vakanz zu verwesen, die Kassenbücher aus den Schulden zu führen und die praiosgefällige Ordnung dort wiederherzustellen, wie es nur rechtens und Hochgeboren von Keyserring zum Wohlgefallen ist.“ Praiophan lehnte sich anschließend zufrieden zurück, als erwarte er keine Widerworte und als sei die Sache aus seiner Sicht durch seine Rede in allen Punkten geklärt. Etwas schien sich in seiner Abwesenheit verändert zu haben, denn er tauschte erneut einen Blick mit seiner Schwester zur Rechten und dann auch einen mit seiner Frau, die ihrem Gemahl anlächelte.

“Herausforderung angenommen!”, grinste Nerek. “Worauf Ihr sicher spekuliert habt, als Ihr Euch mit wohl platzierten Worten über mich lustig machtet. Nun denn, ich werde bei seiner Hochgeboren vorstellig werden. Denn, wie Ihr gerade ausgeführt habt, braucht es Zeit, eine Menge Zeit, um das Gut wieder auf Vordermann zu bringen, und davon steht mir wohl mehr zu, als Euch Lieber Onkel.”

Praiophans Blick verdüsterte sich. „Dies ist kein Wettbewerb! Wenn du das nicht begriffen hast, Neffe, ist es nur rechtens, wenn du bei den Gäulen bleibst. In Eisenstein steht mehr auf dem Spiel, als du glaubst. Dort geht es um mehr als um übertriebenen Egoismus einzelner.“

“Nanana. Ihr wisst doch, was man sagt: die eigenen Fehler entdeckt man bei anderen zuerst. Außerdem, das ganze Leben ist ein Spiel. Ihr solltet doch gelegentlich mal einem Phexgeweihten zuhören, anstatt ihn zu verdammen. Und falls es Euch entgangen sein sollte, das Haus Baldurstolz stammt aus Eisenstein. Ich kenne die Spielregeln dort nur zu gut. Wenn Ihr nicht spielen wollt, dann legt Eure Karten auf den Tisch. Ich bin gespannt welches Blatt Ihr in der Hand haltet und wichtiger: welche Asse Ihr in Euren Ärmeln habt.”

Da aus Praiophans Sicht bereits alles gesagt wurde, schüttelte er nur den Kopf und blickte zu seiner Schwester, dessen Schwiegersohn Nerek war. Immerhin hatte Rahjalin ihn mit Fridegard zusammen überredet, die Aufgabe in Moosgau zu übernehmen. Er fand, dass es daher an der Zeit war, dass sie hier ein Machtwort sprach. Er riss sich nicht um diesen Posten, musste er doch seine wahnsinnig gute Stellung in Elenvina dafür aufgeben - aber einen Stümper wie den Baldurstolz konnte er eine solch wichtig Aufgabe nicht überlassen. Hatte Praiophan bisher noch insgeheim damit gehadert, nun war er sich seiner Antwort an Rahjalin sehr sicher. Immerhin ging es um Tradition und das Heimatlehen des Hauses Bösenbursch und nicht zuletzt um die praiosgefällige Ordnung! Beim Götterfürsten!

Rahjalin zog einen Flunsch; es gefiel ihr gar nicht, dass sich Nerek in dieser Diskussion vergleichsweise gut schlug. “Nun, ich stimme meinen Geschwistern zu. Bis die… ‚Situation‘ … und spätere Nachfolge in Moosgau endgültig geklärt werden konnte, sollte Praiophan die Sanierung übernehmen. Natürlich anhand der Pläne, die mein Enkel zurückgelassen hat.“ „…sofern sie denn umsetzbar sind,“ warf Praiophan brummend ein. „Darüber sollten wir nach dem Rat noch einmal eingehend sprechen.”

“Pläne? Was denn für Pläne? Wäre das nicht ein Thema, was den Rat betrifft? Warum denn so geheimnisvoll?”, wollte Nerek wissen.

Seine Schwiegermutter verwies auf eine große Ledermappe mit diversen Unterlagen und Dokumenten darin, die bisher an einem der vielen Tischbeine gelehnt hatte, und hievte sie mit etwas Mühe auf die Tafel. “Das Werk Gudos. Er hat sich im Laufe der Jahre viele Gedanken darüber gemacht, wie man Moosgau… umgestalten könnte. Damit es rentabler wird. Der Gehalt dieser Pläne reicht von brillant bis… wagemutig.” Gegen Ende hielt sie sich betont zurück; vermutlich wollte die Edle das Andenken ihres Enkels nicht in den Schmutz ziehen. Dann zog sie einige der Papiere hervor. “Unter den besseren Entwürfen findet sich beispielsweise eine Umsiedlung der vielen Familien vom Krähenbach in die Erdesch-Ebene. Die Waldfelder sollen zugunsten echter Äcker aufgegeben werden. Das benötigt aber einen passablen Weg in die Ebene, mit dessen Bau Gudo bereits begonnen hatte… und das hier… nun ja, da kommen wir wieder zur Wirtschaft… eine Erkundung der Zaman-Ruine. Bekanntlich ein alter Zwergenbau, aber viel ist darüber nicht bekannt. Gudo mutmaßt, dass es sich für Moosgau lohnen könnte, die verschütteten Gänge wieder zu öffnen. Aber das ist riskant, nicht nur finanziell, sondern auch politisch.”

Nerek ging um den Tisch herum, um sich die Papiere genauer ansehen zu können. “Die Krähenbacher werden da sicher Probleme machen. Wir müssten ihnen erklären, was wir vorhaben, bevor wir damit beginnen. Auch wenn die praiosgegebene Ordnung uns das Recht gibt, ihnen zu Befehlen, sollten wir diplomatisch vorgehen. Wir können es uns finanziell und politisch nicht leisten, wenn wir zu Waffen greifen müssten. Was Zaman angeht: wenn es wirklich zwergisch ist, dann werden die Angroschim Anspruch erheben und auch hier sollten wir möglichst vorher mit ihnen reden. Die Besitzansprüche müssen klar sein. Zwingend. Was die neue Straße angeht, so plant Vitold, der Edle zu Hinterwald, ebenfalls eine neue Straße durch sein Lehen. Vielleicht könnte man beide miteinander verbinden und so eine neue Handelsroute erschließen. Eine Route, für die man, so Rajodan nichts dagegen hat, Wegezoll erheben könnte.”

An Praiophans Gesicht konnte man ablesen, was ihn störte. Er machte keinen Hehl daraus, bei den verschiedenen Dingen, die sein angeheirateter Neffe von sich gab, immer wieder die Brauen wahlweise irritiert zu heben oder skeptisch zusammen zu ziehen. Zuletzt, als dieser den Baron von Eisenstein recht persönlich bei seinem Geburtsnamen nannte.

Rahjalin sah etwas irritiert zu Nerek. “Hm. Waffen?” Sie schüttelte den Kopf und seufzte. “Nerek, wenn du unbedingt mitreden willst, dann kannst du meinetwegen dabei sein, wenn wir das besprechen. Aber das sind nun wirklich Details…” Sie richtete sich etwas auf. “...die Kaiserin! Ach, Mensch! Das mit den Zwergen, ja. Die Kaiserin kommt doch nach Angroschgau. Da sind sicher auch Zwerge mit von der Partie. Mit denen könnten wir zumindest einmal sprechen!”

„Moooment. Erst! Werde ich die Bücher prüfen. Und erst dann! Werden meine Schwester und ich uns über Straßen und, oder, über etwaige Dienste von irgendwem unterhalten. Sich zuvor Gedanken zu machen führt zu nichts..“ erklärte Praiophan an Nerek adressiert und wie er das sagte, machte er deutlich, dass er diesen nicht gedachte dabeizuhaben, wenn sie über diese Themen sprechen würden. Dieses vorlaute Bürschchen.

“So? Und wer macht Dich zum Experten von Moosgau oder der phexgefälligen Buchhaltung, dass Du Dir dieses Recht herausnimmst, liebster Onkel?”

„Mäßige deine Zunge, Neffe, denn du übernimmst dich grade!“ erwiderte Praiophan beherrscht aber streng. „Und was deine infantile Äußerung angeht, wisse, ich nehme mir jegliches Recht heraus, welches mir von Geburt an zusteht, da es sich um das Lehen meiner Familie handelt,“ ergänzte er. „Im Allgemeinen ist Buchhaltung alles andere als phexgefällig. Wenn du die deine als solche bezeichnest, werde ich wohl veranlassen müssen, dass man die Bücher des Gestüts mal einer ordentlichen Prüfung unterzieht.“

´Ich bezweifle, dass du meine Buchführung überhaupt begreifen kannst, alter Mann´, schoss es Nerek durch den Kopf. “Seid unbesorgt, was meine Bücher angeht. Nicht nur der Herr des Handels, sondern auch die Hüterin der Mathematik und der Herr der Ordnung führen meine Hand, wenn ich die Abrechnung mache. Und, soweit ich weiß, ist Rahjalin die Edle von Moosgau, oder hat sich das geändert? Weiß seine Hochgeboren Keyserring davon? Desweiteren habe ich nicht mitbekommen, dass Jolenta verstoßen wurde. Ist sie nicht mehr Teil der Familie, als erstgeborene Tochter der Edlen von Moosgau? Ist es denn nicht auch ihr Geburtsrecht? Ich finde es schon erwähnenswert, dass Ihr derart heimlichtuerisch handeln wollt. Ist das nicht eher die Handlungsweise, die jeder hier am Tisch, den schwarzen Schafen der Familie, Jolenta und mir, zutrauen würde, anstatt Euch?!”

Zorn stand in Praiophans Gesicht, als er Rahjalin einen bösen Blick zuwarf, in Erwartung, dass sie, als Edle, ihrem Schwiegersohn Benehmen beibrachte.

Diese atmete hörbar durch. “Praiophan wird die Verwaltung vorübergehend übernehmen. Allerdings ist die weitere Nachfolge in Moosgau damit noch nicht geklärt. Wer aus dem Moosgauer Zweig dies wünscht, darf bei den Beratungen zu dem Lehen dabei sein. Das schließt auch Jolenta mit ein.”

Daraufhin nickte Praiophan brummend. Und wer genau hinsah, konnte bemerken, dass seine Frau ihm ermutigend - oder lobend? - am Arm berührte.

“Ja, das wünsche ich!”, stellte Jolenta fest.