Familienrat auf Dun Glaoran (1045) Teil 05: Familienrat

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Familienzugehörigkeit

Kurze Zeit, nachdem der Rat in die Pause gegangen war, wurden die Teilnehmenden -vorerst ohne Praiophan und Fridegard- wieder in den Rittersaal gerufen, wenn sie nicht sowieso dort geblieben waren. Nun sollte es also ans Eingemachte gehen.

Praihild und Rahjalin standen jeweils an ihrem Ende der Tafel. Offenbar hatten beide etwas zu sagen. Als Familienoberhaupt war es Rahjalin, die die ersten Worte sprach. “Der erste Beratungspunkt ist der Familienrat selbst. Er wird nicht oft einberufen und es gibt keine festen Regeln für ihn, abgesehen von dem, was wir aus Niederschriften der Vergangenheit zusammensuchen konnten. Meine Schwester und ich sind uns einig, dass dies auf Dauer für ein praiosfürchtiges Haus kein Zustand mehr sein kann, nachdem uns nun die Herrschaft über eine Baronie zugedacht wurde.

Klar ist, dass der Familienrat bisher das Recht hatte, über Ausgaben in erheblicher Höhe mitzubestimmen. Selbstverständlich steht das nirgendwo geschrieben, es ist aber durchaus alter Brauch. Außerdem wurden Wappenänderungen, sowie die Genehmigung von Einzelwappen, immer vom Familienrat beschlossen, ferner die Entscheidung, das “große Familiensiegel” zu benutzen.” Dabei wies Rahjalin in Richtung der Protokollantin. Morena hielt einen imposanten, etwa ein Spann hohen und mehrere Finger durchmessenden, vergoldeten Siegelstock in die Höhe. “Ferner natürlich der Brauch, in wichtigen Angelegenheiten Moosgau betreffend angehört zu werden, sowie die Tatsache, dass das Familienoberhaupt immer die oder der Edle von Moosgau war und am Ende über die Dinge entschied, die besprochen wurden.”

Bisher war diese Praxis immer ausreichend. Seit Gemharsbusch und… der jüngeren Vergangenheit… stellt sich die Frage, ob sie noch zeitgemäß ist, oder ob Änderungen und Ergänzungen vorgenommen werden sollen.” Rahjalin machte nicht den Eindruck, dass sie dies für nötig hielte.

Dann erhob sich Praihild. “Über einige Dinge sind wir uns uneins. Ich fange mit dem drängendsten Thema an: Ich beantrage, dass wir den Zugang zum Familienrat endlich formell festschreiben.” Auf einen Wink hin wurde den Teilnehmenden eine schriftliche Definition vorgelegt:

Zum Haus Bösenbursch gehört, wer mit diesem Namen geboren wurde oder diesen durch rechtmäßige Ehe angenommen hat und trägt. Diese Personen sowie ihre rechtmäßigen Ehepartner und ihre in standesgemäßer Ehe geborenen oder vom Familienrat legitimierten Kinder, die die Initiation des Zwölfgötterglaubens erhalten haben, es sei denn, dass sie eine bürgerliche Ehe eingegangen sind, sowie vom Familienoberhaupt speziell geladene Gäste, sind zur Teilnahme am Familienrat des Hauses Bösenbursch berechtigt.

Rahjalin tippte gleich mit ernster Miene nervös auf dem Zettelchen herum, das ihr ausgehändigt worden war. “Und genau das können wir so nicht stehen lassen. Ich beantrage, dass die Definition gekürzt wird! Ein uneheliches Kind kann von der Sünde seiner Eltern niemals reingewaschen werden!”

Jolenta ergriff das Wort: "Auch, wenn es euch überrascht, solche Worte von mir zu hören, so finde ich, sollte es sogar klarer, eindeutiger definiert werden. Wir sollten schon zwischen Kegeln und Bastarden unterscheiden. Wenn die Eltern ein uneheliches Kind anerkennen, so bestätigen sie damit die Zugehörigkeit zum Hause Bösenbursch. Eine praiosgefällige und rechtskräftige Anerkennung, die im ganzen Mittelreich anerkannt wird und somit auch im Hause Bösenbursch Anerkennung finden sollte. Ebenso sollten wir den Umstand bedenken, dass es eines Tages adoptierte Kinder geben mag."

“Ich muss meiner Vorrednerin hier zustimmen. Wenn Nachkommen aus einem vor Praios und Travia geschlossenen Bund zugelassen werden. Wozu ich mich wohl selbst zu zählen habe.” Führte Aurea aus. “So sollten es auch vor den Göttern anerkannte Kinder sein, egal ob Bastard oder Adoptivkind.” So war zumindest sie der Ansicht, dass Nachkommen, die freiwillig der Familie zugeführt wurden, auch als Bereicherung zu betrachten waren.

Rahjalin wandte sich zu Jolenta. “Das könnte dir so passen! Es ist doch völlig klar, was du damit bezweckst! Von daher kommt das wohl kaum überraschend! Wenn wir das zulassen, weichen wir die Fundamente der guten Ordnung auf und öffnen willkürlichen Kapriolen wie euren Tür und Tor! Und ruck, zuck, ist der Traviabund nichts mehr wert!”

Praihild räusperte sich. “Vielen Dank. Den Hinweis auf Adoptionen nehmen wir natürlich schonmal zur Kenntnis, nicht wahr, Frau Aldewen?” Diese nickte nur und schrieb angestrengt weiter. “Frau Aurea, ihr zielt auf die Initation ab, richtig? Und die Anerkennung der Eltern?”

"Was für eine infame Unterstellung", meldete sich nun Nerek zu Wort und Jolenta ergänzte: "Meine Kinder sind allesamt im Traviabund geboren und gezeugt, wenn Du es genau wissen willst. Vielleicht interessiert es Dich auch, dass ich sehr wohl weiß mit dem Rahjalieb umzugehen."

Rahjalin schien (diesmal) tatsächlich keine echte Unterstellung gewollt zu haben. “Na klar! Aber wehret den Anfängen! Solche Entgleisungen führen ohne weiteres zu schlimmen Gerüchten! Auch, wenn ihr es noch nie verstanden habt- man kann sich solche Verdachte nicht mal im Ansatz leisten! Und deshalb muss man Konsequenzen fürchten müssen! Dass es nichts hilft, wenn keine Strafe droht, das habe ich mit dir ja zu Genüge erfahren!” Damit musste sie wohl die Erziehung meinen.

"Bin ich schuld an Deinen Erziehungsmethoden, oder Du? Wären sie praiosgefällig gewesen, wäre ich vielleicht nicht die geworden, zu der Du mich gemacht hast. Weiß Deine Schwester eigentlich, wie tsagefällig Du mich erzogen hast? So ganz ohne Grenzen, ohne Konsequenzen und ohne Strafen? Liebevoll sieht anders aus. Wundert mich eh, dass Du mich nicht einfach einer Amme überlassen hast. Womöglich noch einer Gemeinen."

“Du…! Ich…! Dass…!” die Edle rang einige Augenblicke empört nach Worten. Dann hob sie kurz die rechte Hand und schien erst auf Jolenta zeigen zu wollen, bevor sie es sich scheinbar anders überlegte. Rahjalin setzte sich still hin und sah stumm auf die Tischplatte herunter.

Praihild beobachtete das Treiben mit gerunzelter Stirn. “Frau Jolenta, ich schätze euren Versuch nicht, mich in diese Sache mit hineinzuziehen. Ich gehe davon aus, dass meine Schwester ihre Gründe für ihre Methoden hatte. Damit halte ich zu dieser Sache genug gesagt.” Mit diesem mehr oder weniger kryptischen Hinweis wandte sich wieder zu Aurea.

Derart von der Baronin angeblickt, war die junge Ritterin nicht verwundert über die Reaktion einiger Anwesender.

"Eine Initiation sollte außer Frage stehen, immerhin hat sich die Familie dem Herrn Praios verpflichtet. Ein Spross aus einem standesgemäßen Bund vor Travia, gehört vor Travia zur Familie. Ein Mündel, dass vor den Göttern angenommen, also adoptiert wird, sollte besondere Befähigungen vorzuweisen haben und Voraussetzungen erfüllen und verdient damit auch die Anerkennung des restlichen Familie. Unter diesen Umständen, wäre es womöglich angemessen, einen Bastard nicht unbedingt früh anzuerkennen, sondern nach erwiesener Eignung zu adoptieren und ist eine Adoption von der Familie zustimmungspflichtig." Verband sie die verschiedenen herausgehörten Problemstellungen, wohlwissend das es damit nicht unbedingt einfacher wurde.

Die Baronin blinzelte kurz, während sie die Worte sortierte. Stattdessen sprang ihr Sohn Garmwart ein. “Nun, was Mündel angeht, gibt es zugleich das Problem der Knappen und Pagen. Diese gehören ja erstmal nicht zur Familie, aber man könnte ihnen unter gewissen Umständen die Teilnahme erlauben…?” Praihild nickte dem Baronet kurz zu. “Mündel können unter Umständen zugelassen werden, dem stimme ich zu. Was… Bastarde angeht, stellt sich die Frage, ob diese überhaupt von ihren leiblichen Eltern ‘adoptiert’ werden können, denn es sind ja schon ihre Kinder.” Liudger nickte dabei kurz. “Das hielte ich für widersinnig, aber darüber müsste man mit Geweihten der Traviakirche sprechen, denke ich. Die ‘Anerkennung’ eines leiblichen Kindes halte ich für eine Pflicht vor Travia -mindestens-, aber die ‘Legitimation’ des Kindes als vollwertiges Familienmitglied würde auch ich unter den Vorbehalt besonderer Leistungen stellen.”

"Mit welcher Begründung?", fragte Nerek. "Nähmen Wir einmal an, ich wäre ein geborener Bösenbursch und ich würde zwei Kinder zeugen. Eines mit meiner Frau und eines mit meiner Maîtresse. Beide Kinder werden geboren. Das eine ist dann automatisch mein Kind und ein Familienmitglied. Das andere ist erstmal nur ein Kind. Wenn ich es aber als mein Kind anerkenne, dann erkenne ich es doch auch als dieser Familie zugehörig an. Zumindest laut Erbrecht. Ich sehe da keine Veranlassung, dass es sich noch beweisen muss. Ich habe es doch bereits anerkannt."

“Einmal angenommen”, hakte da der junge Hesindegeweihte ein, “ein männliches Mitglied von Haus Bösenbursch ist verheiratet und zeugt ein Kind mit seiner Mätresse, dann müsste er dieses Kind als Bastard anerkennen, damit es Teil der Familie wird. Geht aber ein weibliches Mitglied von Haus Bösenbursch in der Ehe fremd und lässt sich schwängern, ist das Kind, wenn die Mutter sich über die Vaterschaft ausschweigt oder vielleicht auch gar nicht weiß, ob das Kind nun von ihrem Ehemann oder ihrem Liebhaber stammt, automatisch ehelich geboren und damit kein Bastard, sondern - bis das Gegenteil bewiesen würde, was aber beinahe unmöglich ist - ein vollwertiges Mitglied von Haus Bösenbursch und automatisch auch Teil des Familienrats. Ab diesem Punkt wird es doch also höchst ungerecht und das noch einmal mehr, wenn man es mit einem männlichen Mitglied des Hauses vergleicht, das keinen Ehebruch begangen hat, weil es gar nicht anderweitig verheiratet war, aber dennoch so behandelt wird. Ich möchte außerdem zu bedenken geben, dass für einen Ehebund bereits ein Versprechen vor einem der Zwölfe ausreicht, es muss kein Traviabund sein, um rechtskräftig und vor den Zwölfen anerkannt zu sein.”

Praihild nickte leicht, versuchte aber, dagegenzuhalten. “Indem ein Vater einen Bastard einfach so in die Familie aufnimmt, bringt er seine Schande automatisch auch über sein Haus. Wir reden hier nicht nur von einem Adelshaus, sondern darüber hinaus auch noch von einem, welches sich dem Herrn der Ordnung besonders verbunden fühlt. Umso schlimmer ist es also, wenn jeder einfach nach Belieben die Konventionen missachten könnte, weil er damit die ganze Familie in Verruf bringt. Eine Anerkennung kann also immer nur das Verhältnis von Vater und Kind betreffen, also gewissermaßen das bürgerliche Verhältnis zueinander, nicht aber die Zugehörigkeit zu einem Adelshaus. Darüber sollte schon die Familie entscheiden, denn sie muss es am Ende ja auch gemeinsam ausbaden. Was nun Mütter und Väter angeht, so muss ein Vater grundsätzlich auch die Vaterschaft nicht anerkennen, wenn er sich denn -wie die besagte Mutter- des Fehlers einfach entziehen wollte. Nicht, dass ich solchen Frevel in der einen wie der anderen Richtung billigen würde. Aber ich stimme seiner Gnaden zu, eine gewisse Ungleichheit ist vorhanden.”

"Altes Recht ist gutes Recht", beharrte Nerek. "Und zur Ehre gehört auch zu seinen Fehlern zu stehen. Insbesondere, wenn dieser Fehler ein Mensch ist. Hat nicht die Kirche selbst Fehler eingestanden? Eingestehen müssen?! Wurde ihr nicht das heilige Licht entzogen? Und hat die Quanionsqueste nicht offenbart, dass man auch stets die eigenen Flecken auf der Seele betrachten und reinwaschen soll? Nicht nur die der Anderen? Wo Schuld ist, da gibt es auch Sühne. Und wo Sühne ist, da gibt es auch Vergebung. Es ist nicht die Schuld des Kindes, kann es nicht sein, wenn dessen Eltern bei ihren Vergnügungen unvorsichtig sind. Und wenn Tsa eine Seele nach Dere entsendet, dann doch auch im Sinne des Götterfürsten und seiner Heiligen Ordnung. Ein Bösenbursch zeugt stets einen Bösenbursch und eine Bösenbursch gebirt stets einen Bösenbursch! So einfach ist das." Bekräftigend schlug der Hühne seine flache Hand auf den Tisch.

Nebenbei verkrampfte Rude am Nebentisch seine bereits gefalteten Hände, sodass seine Knöchel weiß hervortraten.

Die Baronin hob eine Augenbraue. “Ihr widersprecht euch selbst, Herr Nerek. Richtig ist erstmal, dass ein Bösenbursch ein Kind zeugt. Der Adelsstand ist doch aber ein Geschenk des Herrn Praios, nicht der Frau Tsa. Was ich euch zugestehe, ist, dass man es dem Kinde nicht unnötig schwer machen muss. Es werden ja keine zwölf Heldentaten verlangt. Aber, und das ist viel wichtiger, ihr sagt es schon ganz richtig: man muss seine Fehler bekennen und sich reinwaschen- Ganz gleich, ob Frau oder Mann.” ergänzte sie in Richtung Leomar Erlinau. “Und so ist es ja auch. Man bekennt den Fehler, aber damit ist es noch nicht getan. Wenn wir uns schon in Vergleichen unseres Hauses mit der Praioskirche ergehen, gehört zur Wahrheit auch dazu: Keine Läuterung ohne Opfer und Sühne. Das Bekenntnis ist nur der erste Schritt.” Rahjalin, die zu Beginn des Gesprächs so entschieden dagegen argumentiert hatte, hatte ihren Blick bisher nicht von der Tischplatte abgewandt und kein Wort mehr gesagt.

"Ganz recht: keine Läuterung ohne Opfer und Sühne. Doch wer, frage ich, soll sühnen? Wer soll das Opfer bringen? Und wer soll geläutert werden? Das Kind oder das Elternteil? Wenn einer Eurer Bauern einen anderen Bauern erschlägt, werdet Ihr dann, als sein Behüter, sein Elternteil, vor Gericht gestellt oder er? Und umgekehrt, wenn Ihr einen Baron erschlagt, wird dann einer Eurer Bauern, Eurer Schützlinge, Eurer "Kinder", vor Gericht gestellt, oder Ihr? Es kann und darf nicht angehen, dass in einem Praiostreuen Hause, wie dem Hause Bösenbursch, die Unschuldigen vor Gericht gestellt werden. Ein uneheliches Kind, dass von seinem Elternteil anerkannt wurde, muss daher auch in dieser Familie als vollwertiges Mitglied anerkannt sein. Wenn Ihr schon jemanden bestrafen wollt, bestrafen müsst, dann doch wohl den Elternteil, der die "Schande" über die Familie brachte. Ergo solltet Ihr diesen Elternteilen den Zugang und die Mitwirkung im Familienrat untersagen und nicht den Kindern. Umgekehrt, wird sich nun jeder überlegen, ob fünf Minuten Spaß es Wert sind, vom Rat ausgeschlossen zu werden."

Jolenta saß daneben mit zu Schlitzen verengten Augen, hielt sich eine Hand vor den Mund und ihre Schultern zuckten.

“Ein Kind ist und bleibt immer ein Kind! Die Frage ist, welchen Namen es führen darf, und dies ist in diesem Belang nicht so einfach zu beantworten. Das Kind einer verheirateten Frau wird, sofern kein Zweifel an seiner Abstammung besteht, immer ihren Namen tragen. Das Kind eines Mannes hingegen wird bei seiner Frau seinen Namen tragen, aber bei seiner Mätresse ist nicht gewiss, dass ihm kein Mündel untergeschoben wird.” Führte Roana recht strikt aus. “Aber Ihr habt Recht. Die Quelle des Bankert sollte sein Stimmrecht zumindest zeitweise verlieren, wobei der Bastard nicht automatisch Stimmrecht bekommt.”

Sie selbst war froh, dass sie in der Familie ihres Gatten derlei Diskussionen nicht führen musste. Die Angehörigen derer von Richtwald waren ledig oder hatten Kinder unter Travias Segen gezeugt. Da ihr Erbe zudem in der Rommilyser Mark weilte, im Schoß der Kirche der gütigen Travia, wurde hier auch ein besonderes Augenmerk darauf gelegt.

"Auch verheiratete Frauen lassen sich von Männern schwängern, die nicht die ihren sind. Und auch Mätressen können unter der Haube sein. Darum geht es hier nicht. Das ist Teil von Untersuchungen, die vor der Anerkennung stattfinden. Es geht hier um die Anerkannten unehelichen Kinder, welche eben durch diese Anerkennung zu Familienmitgliedern werden. Und damit Stimmrecht erhalten. Aber vielleicht sollten wir eine neue Formulierung finden. Da offenbar der Name so wichtig ist, und das Haus Bösenbursch wachsen muss, sollte es a) einen Zugang zum Familienrat für alle Familienmitglieder geben, welche die Initiation erhalten haben. Sie sind berechtigt sich an den Diskussionen zu beteiligen, b) zur Abstimmung sind nur diejenigen berechtigt, die auch den Namen Bösenbursch führen.

Das würde dazu führen, dass mehr Angeheiratete, so wie ich, sich überlegen ihren Namen abzulegen und dafür den Namen Bösenbursch zu tragen. Das Haus würde wachsen. Und auch bei Eheverträgen, welche die Namensvergabe der rechtmäßigen und anerkannten Kinder regeln, könnte zukünftig darauf geachtet werden, dass mindestens 3 von 4 Nachkommen den Namen Bösenbursch tragen. Das Haus würde wachsen."

Praihild schien überraschend angetan von Nereks Worten zu sein. “Interessanter Vorschlag zu Eheverträgen. So etwas schwebte mir auch schon vor, aber darüber können wir später noch reden, wenn es um die Heiratspolitik geht. Aber nochmal: Für mich ist die Anerkennung nicht mehr als die Pflicht eines Elternteils vor Tsa, seinen Fehler zu bekennen. Dass diesem zugleich eine Buße auferlegt wird, wie von Frau Roana vorgeschlagen, halte ich für angebracht. Von der Anerkennung würde ich aber die Legitimation trennen, durch die dem Kinde auch der Name zukommt. Zu diesem Behufe denke ich, dass zumindest eine symbolische Reinwaschung, wie zum Beispiel langjährige gute Dienste”, und hier nickte sie Anselm zu, “den Kindern zugemutet werden kann.”

"Wenn Ihr das unbedingt trennen wollt, entgegen der allgemeinen Rechtsauffassung, schön. Ich hätte da aber einen Vorschlag. Wie wäre es, wenn wir diese unehelichen Kinder den Pagendienst machen ließen, freilich nicht beim Bösenburscher Elternteil, sondern einem anderen Familienmitglied. Die Kinder hätten dann sechs Jahre Zeit sich zu beweisen und lernen dabei höfisches Benehmen. Nach vier Jahren kann man ja erahnen, wohin die Reise geht und gegebenenfalls mit Verbündeten in Kontakt treten, ob das Kind als Ritter, Geweihter oder Beamter ausgebildet werden soll mit dem Namen Bösenbursch. Wenn das Kind sich aber nicht eignet, kann es immer noch zum niederen Beamten, Leibdiener oder Edelknecht ausgebildet werden, allerdings ohne den Namen Bösenbursch. Dafür aber in Anstellung des Hauses Bösenbursch. So wächst das Haus durch a) Kinder oder b) loyale und gut ausgebildete Dienerschaft. Natürlich dürfen dann Feindseligkeiten und Freundschaften keine Rolle mehr spielen. Niemand wird sein Kind beim Bruder in Ausbildung schicken, der einen nicht mag und deshalb behauptet, das Kind sei ungeeignet, selbst, wenn es tadellos ist. Und keiner traut einem Bastard, der nur Teil der Familie wurde, weil sich sein Vater und dessen Schwester, wo er hingegeben wurde, so gut verstehen. Nebenbei sparen wir auch Geld, denn wir müssen keinen fremden Adligen für die Pagenausbildung bezahlen."

Ungläubig starrte Jolenta ihren Gatten an.

"Um Page zu werden…" Setzte Roana an und wirkte dabei gleichermaßen stolz und streitbar. "Muss die adlige Abstammung des Kindes bereits bestätigt sein. Es ist folglich nicht mehr möglich es anschließend zu einem Leibdiener zu degradieren!" Hier zeigte sich ganz deutlich, wie sehr ihre Familie das Rittertum nicht verstand. Firunhard hatte diesbezüglich immer eine sehr klare Meinung gezeigt und dabei alle Aspekte des Ritterstandes im Blick gehabt. "Hier müsste folglich getrennt werden. Behält der Spross einen bürgerlichen Namen? Kann er kein Ritter werden! Führt das Haus Bösenbursch ein Bastardgeschlecht ein?" Wobei ihr Blick klar auf der Baronin lag, da nur sie diesen Schritt veranlassen könnte. "Oder tragen sie den Familiennamen? Das Rittertum selbst, angefangen beim Pagendienst, ist mehr als nur eine Frage des Geldes. Es ist Diplomatie, Bündnispolitik und Wegbereitung für das besagte Kind und damit auch die Familie. Leichtfertig sollte hier also nie ein Kind in den Dienst gegeben werden!"

"Wir sind hier nicht in Weiden. Ich sprach von der Pagenausbildung, nicht vom Pagentitel. Sollte das Kind sich bewähren, und darüber hinaus zum Ritter geeignet sein, kann es den Knappendienst natürlich außerhalb der Familie vollziehen. Diejenigen, die sich nicht bewährt haben, können ebenfalls in einer fremden Familie ausgebildet werden, doch werden sie die finanziellen Mittel für ihren Ritterschlag selbst aufbringen müssen. So bleiben sie Edelknecht, es sei denn Schwertvater oder Schwertmutter sind besonders edelmütig und großzügig. Damit wäre auch der Diplomatie Genüge getan. Was das Zurückstufen angeht: an großen Höfen sind Leibdiener und Zofen sehr wohl von Adel und nur die unteren Ränge aus dem Bürgertum, oder gar noch niedrigeren Schichten."

"Und wer bildet einen Pagen aus?" Doch die Frage war nur rhetorisch, denn Roana sprach direkt weiter. "Ein Ritter. Sie mögen Dinge über das Leben von Stand lernen. Wie sie sich zu Benehmen haben. Wie sie wen anzureden haben. Wie ein Hof funktioniert. Je nach Region lesen und schreiben. Doch vor allem lernen sie die Grundlagen für die Knappenausbildung. Das Reinigen und Pflegen der Ausrüstung Ihres Ritters und sich ihrer Haut zu erwehren." Unschwer war zu erkennen, wie sehr ihr Bild vom Rittertum gefestigt und unverrückbar war. "Beriefe mein Sohn deinen Familienrat ein. Würden elf Erwachsene daran teilnehmen können. Neun davon im Ritterstand und drei wären meine Kinder. Ich weiß also sehr wohl wovon ich hier spreche." Tief atmete sie durch und beruhigte sich etwas. "Wenn wäre es demnach wohl kein Pagendienst, sondern als höfische Grundausbildung zu bezeichnen."

“Uarchch”, stöhnte Jolenta. “Können wir uns über die Benennung von Dingen einigen, wenn diese auch beschlossen wurden. Wie viele Götterläufe sollen wir hier denn noch sitzen? Jeder hier weiß doch, was Nerek meint, egal ob wir es später Pagendienst, höfische Grundausbildung oder Garether Bockmist nennen. Und Nerek, so erheiternd ich es auch finde, dass Du, als Vertreter des liberalen Zweiges, versuchst dem konservativen Zweig die Gebote des Götterfürsten zu erklären - Du klingst schon wie Dein Vater.” “Was?! Nein! Das tue ich nicht”, protestierte dieser, doch der gespielt strenge Blick seiner Gattin brachte ihn zum Schweigen.

Erheblich diplomatischer als ihre Mutter nahm Aurea die Worte Jolentas zum Anlass sich selbst einzubringen. "Wie wäre es denn dann, wenn sich dann vorerst die anderen zu den bisherigen Vorschlägen äußern, sodass wir bestimmen können, in welche Richtung wir die Ideen weiter definieren sollten?" Schlug sie deshalb vor, vermutlich auch in der stillen Hoffnung aus dem sich anbahnenden Streit zum Rittertum. "Sofern der Rest etwas beisteuern möchte…"

Praihild nickte und sah in die Runde. Es war nicht klar, ob sie selbst noch etwas sagen wollte; wer sie aufmerksam beobachtet hatte, wusste, dass sie dem Austausch aufmerksam gelauscht hatte. Für den Moment schien auch sie erst einmal auf weitere Äußerungen zu warten.

Nach einem Moment des Schweigens runzelte Liudger die Stirn. “Also, wenn wir schon bei Vorschlägen für die… “Bewährung”… sind, wie wäre es denn, wenn wir auch einen befristeten Tempeldienst anerkennen? Eine ritterliche Ausbildung ist in unserem Haus ja ohnehin nicht üblich. Aber wenn ich mir die Streitereien hier am Tisch so anhöre, ist es vielleicht ganz nützlich, wenn nicht jedes Kind allein in Praios’ Wegen ausgebildet wird. Wir verzetteln uns doch jetzt schon immer wieder in Rechthabereien.” Luzia nickte eifrig, während Praihild ihrem Großneffen einige giftige Blicke zuwarf. Rahjalin starrte indes weiter die Tischplatte an.

"Hochgeboren", meldete sich Jolenta zu Wort, "auch, wenn ich der Diskussion weiter beiwohnen möchte, glaube ich, dass es Zeit ist für ein klärendes Gespräch." Sie wandte sich Rahjalin zu. "Mutter dürfte ich Euch unter vier Augen sprechen?"

Die Edle schreckte plötzlich hoch und sah Jolenta einen Moment lang verwundert an, dann antwortete sie mit einem sanften Lächeln. “Ja, natürlich, Kind. Komm, wir gehen nach oben.” Damit stand sie auch sogleich auf und wandte sich zu einer der rückwärtigen Türen, auf die Praihild zuvor gezeigt hatte.

Diese seufzte leicht, während Jolenta und Rahjalin den Raum verließen. “Dann lasst uns in der Zwischenzeit vielleicht zu dem Punkt kommen, den Leomar mit in die Runde bringt.” Mit einem kleinen Wink bedeutete sie Leomar Erlinau, dass nun wohl der Moment gekommen war.

Der junge Geweihte nickte und erhob sich, um auszuführen: “Bei einem Gespräch mit Seiner Gnaden Rude kam ich über den Punkt, dass es einige Grenzfälle, wie Hochzeiten mit Nachkommen von Edlen gibt, die per definitionem nicht adlig sind, da der Amtsadelstitel nicht erblich ist, sowie die Nachkommen von Geweihten, die ebenfalls im Regelfall weder adlig sind, noch von dem geweihten Elternteil zwangsläufig den Namen erhalten, auf Weihenamen allgemein, die ein Familienmitglied natürlich bei der Weihe annehmen kann. In dieser Hinsicht sollte die Definition für den Familienrat noch einmal genauestens geprüft werden.”

Liudger hatte sich bisher kaum geäußert. “Nun, dass der Adelsstand eines Geweihten ruht, ändert ja nichts an seiner Abstammung. Wichtig ist nur, dass weder Geweihte noch Magier über Land herrschen, denn das ist aus gutem Grund verboten. Zweifellos können sie auch nicht Diener zweier Herren sein, also etwa einer Gottheit und einer weltlichen Herrin gleichzeitig dienen. Aber ist es doch so, dass sie immer noch von adliger Geburt sind. Könnten sie den Adelsstand also prinzipiell weitergeben, müssten doch auch ihre Kinder per se erstmal adlig sein. Daran dürfte auch ein Weihename nichts ändern, denn der wird ja explizit aufgrund der Weihe angenommen, und nicht, weil sich dadurch eine Familienzugehörigkeit ändert. Wir dürfen auch nicht Laien wie mich vergessen. Ich habe zwar keine Weihe empfangen, kann aber auch nicht guten Gewissens sagen, dass ich mich dem Orden und der Familie gleichzeitig widmen kann.”

"Können Sie jedoch höchstens im Falle von Hochadligen, weshalb ich dafür plädiere, zunächst die Definition im Hinblick auf meine eben vorgebrachten Einwände für den Regelfall zu überarbeiten", gab Leomar zurück.

“Hm”, machte Luzia. “Wie wäre es mit: Nicht-adlige Nachkommen von Familienangehörigen gehören ebenfalls zur Familie, solange es sich um einen standesgemäßen Traviabund handelte? Einmal ins Blaue hinein formuliert. Was “standesgemäß” ist, müsste man dann im Einzelfall schauen. Bürgerliche Ehen würde ich dann aber als Ausschlusskriterium werten, wenn es um die Teilnahme am Familienrat geht.”

"Also bedeutet standesgemäß, dass die jeweilige Person nicht wie Bürgerliche für das eigene Auskommen sorgt, sondern von Verwandten ausgehalten wird, wenn sie selbst keinen Titel trägt oder absehbar erbt, also frei ist?", hakte der Hesindediener mit einem provokanten, spitzbübischen Grinsen nach. Sein Vater warf ihm dafür einen strafenden Blick zu, der den jungen Mann jedoch nicht zu bekümmern schien. Er besaß sogar die Frechheit, seinem Vater zuzuzwinkern.

Also stellte Gerfrid entschieden fest: "Ich denke, du hast nun beigetragen, weshalb du her gebeten wurdest. Geh und ärgere deine Schwester, wenn es dir darum geht." Er sah Leomar eisig an und fügte hinzu: "Euer Gnaden…" Dann wandte er den Blick betont zu Praihild, während aus Leomars Gesicht sämtliche Farbe gewichen war. Sicherlich kam es nicht allzu oft vor, dass der Geweihte sprachlos war.

Praihild hatte den Austausch der jüngeren Bösenburschs aufmerksam gelauscht. Wie sie zu Leomars Spötteleien stand, war nicht sofort erkennbar. Im Gegensatz dazu war Luzia offenbar überhaupt nicht begeistert von dem Kommentar, denn sie war schließlich eine dieser Personen, die sich aktuell aushalten ließ. Auch sie ließ ihrem Onkel 3. Grades einige düstere Blicke zukommen. Die Zurückweisung Gerfrids schien die Baronin allerdings bemerkenswert zu finden; zumindest zog sie etwas die Augenbrauen hoch, dann nickte sie sowohl Gerfrid als auch Leomar zu.

Der Hesindediener erhob sich etwas steif, neigte das Haupt erst vor seinem Vater, dann vor Praihild und ging tatsächlich ab. Von Gerfrid war ein sehr leises Seufzen zu hören, als sich die Tür wieder schloss.

“Ich fasse zusammen: Die Definition muss nochmal überarbeitet werden, hinsichtlich…”, sie versuchte, aus dem Gedächtnis aufzuzählen: “Mündeln, Trennung von Anerkennung und Legitimation, Klarstellung von Weihenamen, oder - Praios bewahre! - Magiernamen, Klarstellung hinsichtlich Nachkommen von Edlen… habe ich etwas vergessen, Frau Aldewen?” Die Haushofmeisterin sah kurz über ihre Notizen. “...die Adoptionen, Hochgeboren.” Praihild nickte. “Ah, ja, genau. Gut. Gibt es weitere Meldungen dazu? Ich hätte zum Thema Familienrat ansonsten noch einen weiteren Punkt vorzubringen. Was diesen einen Punkt angeht…”, Praihild sah hinüber zu Rahjalin, die sich offenbar gerade erst erholt hatte. Der Zeitpunkt war wirklich denkbar ungünstig. “...halte ich es für besser, wenn wir diesen später behandeln. Ich komme darauf zurück.”