Auf den Inseln (1040) Teil 03: Aus den Notizen Elgar ui Beornsfaires

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Aus den Notizen Elgar ui Beornsfaires

Aus den persönlichen Notizen des Geweihten
Praios, 1040 BF

Es ist viel geschehen die letzten Tage, daher möchte ich diese ruhige Stunde nutzen, um meine Gedanken niederzuschreiben. Es sind Fremde auf unsere Insel gekommen, und ich wusste nicht so recht damit umzugehen. Mein erster Gedanke führte mich zu meinem Vater, der sich sogleich darum gekümmert hat. Meine Unsicherheit in diesem Moment war ein Beispiel für die letzten Jahre meines Wirkens auf Kendras Klippe. Ich habe mich nie wirklich vom großen Blauen beachtet gefühlt, doch nun weiß ich, dass diese Unaufmerksamkeit in Wirklichkeit das eigentliche Ergründen des Unergründlichen war. Wir wurden von Wasserwesen angegriffen, die sich als einfache Strandfischer herausstellten.

Als sie auf der Flucht waren, wirkte ich mein erstes Wunder: Feierlich beschworen aus den unergründlichen Tiefen erschien eine Wasserwand und bildete ein unpassierbares Hindernis. Der Moment danach war unbeschreiblich. Ich will es dennoch versuchen: Mein Innerstes war berührt vom Unergründlichen, ein starkes Kribbeln durchzog meinen Körper, vom Herzen strahlend bis hin in alle Glieder; meine Fingerkuppen waren zugleich taub und voller Gefühl. Ich habe mich so lebendig und glückselig wie noch nie gefühlt, doch das Bemerkenswerteste war die Klarheit, mit der ich die Welt auf einmal sah, als ich des Nachts am Ufer des Meeres auf die Knie fiel und dem Urvater der Wogen meinen Dank aussprach.

Je länger ich in den schimmernden Wellen des Meeres kniete, desto mehr übernahm ich deren Unberechenbarkeit. Da wurde mir bewusst: Für uns Menschen erscheinen die Bewegungen nur unberechenbar, doch der Unergründliche befehligt die Strömungen im Meer und den Strom in den Wolken. In seiner Natur folgt er einem wohldefinierten Plan, und natürlich ist aus seiner Sicht alles gleichmäßig und harmonisch. Mir wurde bewusst, dass der Himmel auch nur ein Meer ist. Es gibt Strömungen, Leben und endlose Möglichkeiten. Mir wurde bewusst, dass Alles zu seinem Ursprung zurückkehrt. Das Wasser, das über Kendras Klippe strömt, fließt ins Meer und kehrt als Regen zurück, der wieder auf unsere Insel fällt. Ganz Ebenmaß, wie das Meer selbst, geht jeder Wassertropfen in vorbestimmter Harmonie aus der Ruhe in den Sturm über. Gleichmäßig und geduldig vollzieht sich der Wechsel zwischen Wind und Wasser. Wie das Schaukeln eines Schiffes wankt es immer wieder hin und her; dies zeigt die Stimmung des Unergründlichen. Wir sind die winzigen Regentropfen, die zusammen das Meer bilden. Die Macht des Unergründlichen durchströmt jeden von uns, und seine Stimmung schlägt auf uns über; ich war verwundert, da unser Gemüt doch eher als wankelmütig zu beschreiben ist. Wenn wir Menschen aber unser wechselhaftes Gemüt als unergründlichen Plan des großen Blauen begreifen und diese Unruhe bändigen könnten, oder anders gesagt das Stampfen, das Auf und Ab von Heck und Bug bei stetigem Wellengang, als begleitenden Rhythmus verstehen, dann nähern wir uns der Beständigkeit des Urvaters der Wogen. Das ist der Grund, weshalb die Lehren des Unergründlichen uns zur Geduld anhalten.

Ich verstehe nun, dass alle Tropfen eine Verbindung zueinander haben, die durch die Unendlichkeit hindurch reicht. Und aus diesem Grund erzählt selbst die kleinste Welle eine lange Geschichte.

Die Festländer sprachen von Göttern wie Aves, Efferd und Swafnir. Ich konnte ihre Bedeutung erst nicht einordnen, und es ist anzunehmen, dass der Unergründliche womöglich nicht der Einzige mit einer tiefen Verbindung zu den Elementen des Wassers und des Windes ist - doch spätestens nach dem Wirken meines Wunders war mir wasserklar, dass er gewiss der Älteste und Mächtigste sein muss.

Am nächsten Tag übergab ich die Asche des niedergestreckten Strandfischers der Unergründlichkeit des Meeres: Wenn einst das Meer uns umarmt, Nicht freiwillig zieht es zurück seine Wogen, die sehnsüchtige Umarmung der unergründlichen Tiefen, in der die Ewigkeit verborgen liegt. Tief unter den schäumenden Wellen liegt ein Ozean der Stille - Was die Strömung uns nimmt, das wird unendlich.

Die gefangenen Strandfischer konnten uns entkommen und haben das Muschelhorn meines Vaters aus seiner Schreibstube entwendet, daher bin ich mit einer Gruppe der Festländer übergesetzt und konnte die Strandfischer davon überzeugen, dass das Muschelhorn zurück in die Obhut des Unergründlichen findet. Während meiner Abwesenheit wurde auf der Hauptinsel nach der heiligen Waffe des Unergründlichen gesucht, die einst an unsere Gestade gespült worden ist. Als ich zurückkam, wurde ich Zeuge einer Vision, in der mein Abbild diese Waffe trägt, doch ich selbst würde verschlungen werden. Wir haben nach reichlicher Überlegung diese Prophezeiung so interpretiert, dass es um einen Mann geht, der ein Abbild meiner selbst im Glauben ist. Für mich kam hier nur Thisdan in Frage. Jener machte sich mit einigen Helfern auf die Suche und konnte die Waffe tatsächlich bergen. Es handelt sich dabei um das Horn eines Narwals - es bestand kein Zweifel: Dies war eine göttliche Waffe.

Die Taufe von Swafne verlief wie erhofft. Sie hatte die Entschlossenheit von auftürmenden Wogen. Sie wurde eins mit dem Brechen der Wellen und konnte so nicht selbst gebrochen werden. Der Unergründliche hat sie nicht zu sich genommen. Über den schäumenden Wellen liegt eine Insel voller Leben - Was sich die Strömung nicht holt, das bleibt bei uns!

Es war schön zu sehen, wie sich die Dorfgemeinschaft gefreut hat und wie sie Swafne in ihr Herz geschlossen haben.

Ich habe das von Thisdan beschriebene Ritual gemeinsam mit Albruna, unserer Seherin, vorbereitet. Wir haben einen Kreis aus Treibholz gelegt und mit alten Runenzeichen versehen. Jeder der Gläubigen, und es waren viele, oh Unergründlicher, hat ein Wort oder ein Teil seines wertvollsten Besitzes in den Kreis gelegt. Thisdan selbst legte alle schwarzen Perlen in den Kreis, die wir auftreiben konnten. Wir haben im Schulterschluss ein Gebet gesprochen und die Kreatur herbeigerufen, um sie sogleich wieder bannen zu können. Doch anscheinend lief etwas schief. Ich vermute es lag an den schwarzen Perlen, die nicht alle in den Kreis gelegt worden sind. Die Kreatur erschien nicht im Treibholzkreis, sondern außerhalb auf einer Erhöhung unweit von unserem Aufenthaltsort. Anscheinend wurde ein Großteil der Strandfischer von einer schrecklichen Krankheit übermannt und ging auf uns los! Dann ging alles sehr schnell; die ersten Krieger lösten sich aus unserem Kreis und versuchten uns zu verteidigen, während wir Verbliebenen den Kreis wieder schließen konnten und weiter Gebete zum Unergründlichen gen Himmel riefen. Aus heiterem Himmel traf mich ein Schlag in den Rücken, und ich konnte noch schimmernd die Silhouette des zwielichtigen Händlers erkennen, bevor ich in den Sand stürzte. Es wurde schnell um mich gesorgt, und die Schmerzen waren wie aus Wunderhand verflogen, so dass ich zeitig zurück aufs Feld konnte, um die Kämpfenden mit segnenden Worten des Unergründlichen zu unterstützen.

Der größte Schock in meinem Leben durchfuhr mich wie ein greller Blitz, als es zu mir herüberrief: "Elgar, dein Vater!". Ich vergaß alles um mich herum und lief in die Richtung der Worte. Dann erinnere ich mich nicht mehr an viel, außer, dass ich erfüllt war von großer Traurigkeit. Tränen liefen über meine Wangen und perlten auf den erkalteten Körper meines Vaters. Ich suchte nach einer Heilerin, aber niemand konnte etwas tun. Mir wurde klar, dass ich soeben meinen geliebten Vater verloren habe. Mir kommen auch jetzt die Tränen, als ich diese Worte niederschreibe. Ich möchte es daher verkürzen. Mir wurde der Armreif meines Vaters überreicht, der Feind war besiegt und ich sollte der Junker für unbestimmte Zeit sein - bis meine Schwester heimkehrt. Wir trugen die Reliquien des Unergründlichen zurück in die Grotte und luden zu einer Siegesfeier ein. Meinen Vater werde ich morgen bestatten, doch ich werde ihn nicht wie die bisherigen Toten durch das Flammenmeer schicken, sondern ihn direkt dem Unergründlichen übergeben. So will ich es fortan mit unseren Toten halten.

Während der Siegesfeier sind mir das erste Mal die tiefblauen, wunderschönen Augen der Seherin aufgefallen; ich habe mir zuvor keine Gedanken darüber gemacht, aber der Unergründliche hat mehr als einmal durch sie gesprochen. Ich werde mich darum bemühen, dass sie häufiger an meiner Seite ist. Ich fühle mich - zu ihr hingezogen, wie die Flut an unseren Gestaden.

Letzter Eintrag in die Chronik
Praios, 1040 BF

Eine Welle von Festländern erreichte das Ufer von Kendras Klippe. Es waren vorwiegend Glücksritter, die nach schwarzen Perlen suchten. Tatsächlich wurden in der Bucht einige dieser schwarzen Perlen gefunden.

Es stellte sich heraus, dass der in unserem Lied besungene Freibeuter Kendra keine heldenhafte Sagengestalt war, sondern einst mit dunklen Mächten paktierte. Eine uralte Kreatur ist unter Kendras Klippe gebannt und die Geweihten des Unergründlichen auf Kendras Klippe sind die Wächter jenes Kerkers. Leider wusste ich nicht um dieses Schicksal und die Kreatur hatte einen Weg gefunden die uralten Ketten zu lösen.

Es gab vor langer Zeit ein von Geweihtem zu Geweihtem mündlich überliefertes Ritual, welches dafür sorgte, dass die Ketten sich erneuerten, jedoch ging das Wissen um dieses Ritual mit dem Tod meines Onkels verloren. Ich musste mir eingestehen, dass mein Unwissen, meine Schwäche, dazu geführt hat, dass sich die Kreatur befreien konnte. Doch mit der Hilfe der Festländer konnten wir eine heilige Waffe des Unergründlichen bergen.

Wir führten ein Ritual des Glaubens durch, das Thisdan in einer Vision gesehen hatte, und konnten - dem Unergründlichen sei Dank - die Kreatur vernichten. Ich spüre, dass ihre Existenz ausgelöscht worden ist; die Kreatur lebt nicht länger unter Kendras Klippen.

Der Kampf mit dem Ungeheuer forderte leider seine Opfer, und so verstarb mein Vater Darren ui Beornsfaire, der Junker dieser Klippe, in jener Auseinandersetzung.

Die besagten schwarzen Perlen verwandelten sich zu Sand, und die Festländer werden alsbald unsere Insel verlassen. Möge der Unergründliche diese tapferen Recken auf sicheren Kurs geleiten.

Für die Geweihten des Unergründlichen auf Kendras Klippe: Ich bin mir gewiss, dass dies nicht die letzte Prüfung des Unergründlichen war. Er hat uns auserwählt, und wir konnten bestehen. Ich bin gespannt, auf welche größere Herausforderung er uns damit vorbereiten wollte. Denn alles läuft nach seinem Plan.

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir unsere Insel vor den Schrecken der Tiefen beschützen; wir können frohen Mutes sein, denn der Unergründliche hilft uns bei dieser Wacht. Was die Strömung nicht nimmt, das bleibt bei uns, Was die Strömung uns nimmt, das wird unendlich, Was voll Unheil ist, weder genommen noch geborgen werden kann, das soll auf ewig gebannt sein - und dafür werde ich sorgen!

Dramatis personae

Aufgelistet sind alle erwähnten Charaktere.

Die Inselbewohner

Die Besucher

  • Thisdan Toberen, Erleuchteter
  • Halman ui Vascar, Händler