Auf den Inseln (1040) Teil 02: Bitterer Nachgeschmack

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Bitterer Nachgeschmack

Seejunkertum Kendras Klippe
Anfang 1040 BF - Bei der Taverne

Noch lange saß Niell Engstrand an diesem Abend in der Taverne. Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte er sich frei und unbehelligt - und ohne Mantel und Kapuze - im Ort bewegen, was er sehr genoss. Trotzdem plagten ihn trübe Gedanken, seit der Kampf gegen... ja, gegen was auch immer es gewesen war, das dort Besitz von einem Teil der Mannschaft ergriffen hatte... eben seit dieser Kampf vorüber war.

Er starrte in seinen Becher, der nicht zum ersten Mal am Abend beinahe bis zum Rand mit Wein gefüllt war. Es hatte einfach zu viele Verluste gegeben. Vermeidbare Verluste. Die Hälfte der Besatzung hatte unter dem Einfluss dieser schwarzen Perlen gestanden und war zusammen mit dem Kapitän den Hügel hinabgestürmt - nur um von den Neuankömmlingen niedergemetzelt zu werden.

Schon lange nicht mehr hatte er solch einen Blutrausch erlebt, und obwohl die restliche Besatzung, angeführt von Ulfert, ihr Möglichstes getan hatte, um unnötiges Blutvergießen zu verhindern, hatte es für alle, die unter dem Bann der schwarzen Perlen gestanden hatten, nicht den Hauch einer Chance gegeben.

Dieses Gemetzel, dieses Abschlachten. Dagegen war jeder Enterkampf ein Kinderspiel gewesen, denn auch wenn die Kämpfe zwischen Schiffen immer hart ausgefochten wurden, so gab es doch immer eine gewisse Ehrhaftigkeit. Wer sich ergab, wurde festgesetzt, aber nicht getötet. Wer verletzt war, wurde behandelt - egal, ob es jemand aus der eigenen Besatzung war oder der vom Gegner. Egal, wer gewonnen hatte, mehr als einmal hatten die Schiffsärzte zusammengearbeitet, um jedes Leben zu retten, das zu retten war.

Natürlich gab es auch hier immer wieder Männer und Frauen, die - obwohl schon verletzt am Boden - nicht daran dachten, aufzugeben. Natürlich gab es Tote. Aber das war oft genug die Ausnahme gewesen. Aber hier? Abenteurer. Söldner. Pack. Egal, ob man kampfunfähig war, oder nicht - es wurde immer bis zum letzten Atemzug gekämpft. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, dass selbst bei kampfunfähigen und gerade noch lebenden Besatzungsmitgliedern nur zur Sicherheit noch ein Stich ins Herz gesetzt wurde oder einfach der Kopf abgeschlagen wurde. Das war nicht die Art Kampf, die er kannte und die er zu schätzen wusste - und das würde es auch nie sein.

Er trank seinen Becher in einem langen Zug aus und schaute sich um. Es herrschte eine beinahe ausgelassene Stimmung in der Taverne, als wollten alle hier die Schrecken dieses Kampfes vergessen. Möglichst schnell vergessen. Nur ihm war nicht zum Feiern zumute.

Er zog den Mantel um seine Schultern und schlich sich beinahe an den anderen vorbei zur Tür hinaus und ging einige Schritte, bis er in der Mitte des kleinen Marktplatzes angekommen war. Der Himmel war sternenklar und nach dem stürmischen und wechselhaften Wetter der letzten Tage roch es nach süßem Gras und nasser Erde, aber über allem schwebte auch noch der Geruch von vergossenem Blut, aufgeschlitzten Bäuchen und dem Tod.

Niell fragte sich, ob er es hier wirklich aushalten könnte. Ein Jahr, bis der von Ulfert abgeschlossene Handel ausgeführt war. Ein Jahr, bis sie wieder ihr eigenes Schiff hatten. Ein Jahr hier im Dorf, in dem sie natürlich freundlich aufgenommen, ja wie alte Freunde willkommen geheißen wurden. Vorerst war hier noch genug zu tun, um die trüben Gedanken im Zaum zu halten. Geala hatte hier alle Hände voll zu tun, um die Nachwirkungen des Kampfes zu lindern und sie konnte jede Hilfe brauchen, die sie bekommen konnte, und Yann würde lernen können. Leider auf die harte Art und Weise, aber so war es nun einmal. Erst einmal würde er bleiben.

Aber ein Jahr an diesem Ort? Zwar war alles besser als seine alte, zugige Hütte im Lager der "Strandfischer", wie sie hier genannt wurden. Aber sicher war er sich nicht. Und dann war da ja auch noch das andere Angebot…

Wortlos trat Ulfert zu Tyerka und hielt ihr einen Becher entgegen. Mit unbewegter Miene blickte sie auf, in das sonst so freundliche, diesen Abend müde und traurig wirkende Gesicht des "Ersten". Sie versuchte, ein leichtes Lächeln zustande zu bekommen und nahm den Becher entgegen. Ohne sich von Ulfert abzuwenden, nahm sie einen tiefen Schluck Rum. "Auf Calluna", flüsterte sie ihm entgegen und setzte erneut an. "Auf Cullen." Schluck. "Auf Rigan." Schluck. "Auf Arngrim." Schluck. "Auf Andra." Und mit einem letzten Zug leerte sie den Becher, und fast tonlos brachte sie hervor: "Auf Lienn, auf den Kapitän. Mögen die Zwölfe sich seiner erbarmen und ihn zurück in ihren Schoß holen, den verfluchten Bann von ihm nehmen." Sie streckte Ulfert den leeren Becher entgegen. Er nahm in zurück, und Tyerka konnte sehen, dass auch er lächelte. Er fasste sie mit festem, bestärkendem Griff an der Schulter und blickte sie freundlich an. "Du bist keine Gefangene mehr, Tyerka. In mehrerlei Hinsicht nicht mehr… wir bleiben in Kontakt mit dem Admiral und werden den Plan so verfolgen wie besprochen." Eine Welle der Dankbarkeit durchfuhr die junge Frau. Wie war sie durch unglückselige Umstände hier gelandet, wie hatte sie das Schicksal verflucht, sich gegen ihr Leben bei diesen Strandräubern gewehrt… doch je mehr sie die Mannschaft kennengelernt hatte, desto mehr hatte sie erkannt, dass man sie den Umständen entsprechend gut behandelte, dass sie aufgenommen wurde und ihr sogar Freundlichkeit entgegengebracht wurde… und nun schien es fast so, als ob sie mehr Anstand und Loyalität besaßen als ihre eigene Verwandt- und Bekanntschaft. "Ich danke euch", sagte sie aufrichtig, "Ich denke, wir werden gute Partner sein - und unser Schaden wird es nicht sein." Nun musste sie tatsächlich grinsen, auch wenn ein freudloser Ton darin lag. "Andere werden sich jedoch wünschen, dass sie anders gehandelt hätten…" In bester Strandräubermanier spuckte sie aus. "Vor allem Du, Bran Maraiche", zischte sie. Ulfert hob die Augenbrauen, und bevor einer der beiden etwas hinzufügen konnte, prallte von hinten jemand an Tyerka, schloss sie in eine Umarmung und drückte sie an sich. "Wenigstens du bleibst bei uns, zu viele sind gegangen", raunte Maire ihr ins Ohr.

Dramatis personae

Aufgelistet sind alle erwähnten Charaktere.

Die Strandräuber

  • Niell Engstrand, Bordarzt und Vater Yann
  • Ulfert Fingorn, Erster Offizier
  • Tyerka Wankara, ehemals Gefangene der Strandräuber, Bran Maraiche versprochen
  • Maire
  • Lienn Kevendoch, Kapitän Zu Boron gegangen
  • Calluna Bruadhir Zu Boron gegangen
  • Andra Firunjasdottir Zu Boron gegangen
  • Arngrim Hengistson Zu Boron gegangen
  • Cullen Collen Zu Boron gegangen
  • Riga Rothair, Bootsmann Zu Boron gegangen

Die Inselbewohner

  • Geala, Heilerin
  • Yann, Heiler-Gehilfe und Sohn des Strandräubers Niell

Die Besucher

  • Bran Maraiche, Schiffsbauer und Sohn der Werftbesitzerin Mislara Maraiche