Auf den Inseln (1040) Teil 01: Das Wogengeleit

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Das Wogengeleit

Seejunkertum Kendras Klippe
Anfang 1040 BF - An der Küste des Siebenwindigen Meeres

Der jüngste Regenschauer verzog sich gerade, und durch die von Beleman dahingetriebenen Wolken blinzelte bereits wieder die Sonne und tauchte die gischtschäumenden Wellen vor Kendras Klippe in glitzerndes Licht. Die gesamte Dorfgemeinschaft und die überlebenden Strandräuber hatten sich am Strand versammelt, und auch die meisten der Fremden, die während ihres kurzen Aufenthaltes für so manchen eher so etwas wie Freunde oder doch zumindest Gefährten geworden waren, hatten sich ihnen angeschlossen. Auf einem reichgeschmückten Boot lag der Leichnam Junker Darren ui Beornfaires aufgebahrt. Der Ritter war in voller Rüstung angetan, das Schwert in der Hand und seinen Schild auf der Brust. Sein Wogengeleit, bei dem seine sterbliche Hülle dem Unergründlichen übergeben werden sollte, würde er als der tapfere Kämpfer erhalten, als der er auf Crumolds Auen für Albernias Freiheit gefochten hatte und als den ihn sein Sohn und die Inselgemeinschaft in Erinnerung behalten würden. Und auch wenn seine letzten Augenblicke auf Dere durch die verführerische Macht der nachtschwarzen Perlen, die ihm anvertraut worden waren, weniger glorreich gewesen waren, so war doch zumindest gewiss, dass der Herr von Wellen und Wogen seine Seele nun reinwaschen würde. Neben dem Junker lagen dort auch die Leiber der anderen Toten des vergangenen Tages, die ebenfalls unwillentlich den Einflüsterungen der Perlen anheimgefallen waren.

Nacheinander traten die Versammelten neben das Boot, um Abschied von den Toten zu nehmen.

Jendar hatte den Junker nicht gut gekannt. Cullen und Calluna hatte er nie gemocht und mit dem Kapitän hatte er sich eher schlecht als recht arrangiert. Natürlich würde er diese Gedanken hier niemals laut aussprechen, doch haderte er lange mit sich selbst, ob er überhaupt vortreten solle. Schließlich überwand er sich und trat an das Boot heran. Der junge Nostrier nahm Abschied von seinen Gefährten: "Swafnir und Efferd mit euch, Kameraden.” Und als er Andra und Arngrimm dort liegen sah, übermannte ihn doch die Trauer. Er wollte ihnen auf ihre letzte Reise etwas mitgeben, und so nahm Jendar den Anhänger mit Mutters Schmuckstein - sein letztes Andenken an die Heimat - ab, legte es zu den Toten und reihte sich wieder in die Reihen der Trauernden ein.

Wie schon am Tag zuvor hatte sich Geala mit den anderen am Strand eingefunden, um den Toten das letzte Geleit zu geben. Doch wo es gestern noch ein ihr unbekannter Strandräuber gewesen war, waren ihr die Toten heute doch deutlich bekannter. Immer noch erschien ihr all dies unwirklich, doch die Stärke, die Elgar nun ausstrahlte, verdeutlichte ihr umso mehr, dass es sich um keinen schlechten Traum handelte. Ihr Blick ging vom Schiff zu Gwynna, die neben ihr stand, und wortlos legte sie den Arm um die Freundin. Sie so leiden zu sehen, tat ihr weh und nicht zum ersten Mal seit dem gestrigen Abend fragte sie sich, ob es wirklich nichts gegeben hatte, was sie hätte tun können. Die Freundin weiterhin im Arm haltend glitt ihr Blick über die anderen Versammelten und blieb an Niell hängen. Ob er wohl ein wenig auf der Insel bleiben würde? Sie hoffte es für Yann, doch hatte sie das Gefühl, dass es ihm hier im Dorf schnell zu eng werden würde. Ihr Blick wanderte weiter und ihr fiel Ordhan ins Auge. Ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht, als ihr wieder bewusst wurde, dass der Unergründliche nicht nur nahm, sondern auch ab und an Strandgut an die Ufer spülte.

Auch Gwynna hatte sich am Strand eingefunden, froh, hier nicht allein zu stehen, sondern die Freundin neben sich zu wissen. Ob Geala wohl ahnte, dass Gwynna nicht nur um ihre geliebte Schwester, sondern auch um einen ihr mindestens ebenso wichtigen Menschen in ihrem Leben trauerte? Der von ihr gegangen war im Streit, ohne dass sie ihm noch einmal hätte erklären können, warum sie ihn aus einem - wohl falschen - Pflichtgefühl heraus hintergangen hatte? Aber es hätte wohl eh nichts genützt - sie hatte es in seinen Augen gesehen, dass er es ihr nicht verziehen hätte... 
Ihre Gedanken wanderten.
Die Schwester. Wie hatte sie sie angefleht, ihr die Perle zu geben, aber die Macht der verderbten Perle hatte ihre Fesseln schon um Calluna geschlungen, sie fest in ihrem Griff gehabt... 
Calluna hatte geträumt in diesem letzten Gespräch; davon, wie sie weggehen wollte, fremde Länder kennen lernen und Abenteuer erleben wollte. Sie hatte Gwynna überreden wollen, mitzugehen; Gwynna hatte nicht gewollt - hier gehörte sie doch hin.
Doch was hielt sie hier nun noch? Er hätte sie hier nicht mehr sehen wollen, und die Erinnerung schmerzte.
Ein Gedanke formte sich in ihrem Kopf, ein Versprechen:
"Calluna, du konntest deine Abenteuer hier nicht mehr erleben; du hast dich aufgemacht in ein ganz neues Abenteuer. Also werde ich die Abenteuer hier für dich erleben, und ich werde zusehen, dass ich dir dereinst, wenn wir uns wiedersehen, viel zu erzählen habe, geliebte Schwester!"

Stumm beobachtete Swafne, wie Gwynna von ihrer Schwester Abschied nahm. Noch heute würden die beiden Schiffszimmerfrauen gemeinsam in See stechen. Die Augen der Thorwalerin funkelten bei dem Gedanken an all die Abenteuer, die ihnen bevorstanden. Doch gleich wurde ihr Herz wieder schwer. Anders als Gwynna, der hier wenig geblieben war, hatte Swafne vor einer Wahl gestanden. Bitter lachte sie auf. ‚Eine solche Gelegenheit bekommt Ihr nur einmal im Leben - überlegt es Euch gut!’ Die Worte des Admirals klangen ihr noch im Ohr. Selbstbewusst und charismatisch hatte er ihr sein Angebot unterbreitet. Und doch entbehrte sein Auftreten nicht einer gewissen Arroganz. Den Grund hierfür kannte Swafne, seit er ihr den Namen seines Schiffes genannt hatte. Sie wusste: Auf der Zyklopenhammer erwartete sie eine Mannschaft, die diese Bezeichnung verdiente und die - vereint im Geist der Freiheit - einer Vielzahl von Gefahren trotzen würde. Und doch wusste sie, dass sie an Bord nur eine unter vielen sein würde. Für Menno dagegen war sie stets die eine gewesen - seine ‚Blume’. So oft sie ihn für diesen Kosenamen verspottet hatte, so sehr sehnte sie sich nun danach, ihn noch einmal in die Arme schließen zu dürfen. Ihr Herz wurde schwer, als sie an ihr Gespräch zurückdachte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Swafne schluckte. Kendras Klippe hatte ihr eine Heimat geboten, nachdem sie die ihre verloren hatte - durch eigenes Verschulden, das war ihr wohl bewusst. Elgar hatte ihr versichert, dass sie jederzeit hierher würde zurückkehren können, dass sie nun zur Gemeinschaft gehörte und dass sie ihren Teil beitragen würde, indem sie die Geschichte der Insel und den Glauben an den Unergründlichen in die Welt hinaus trug. All das hatte sie leichten Herzens versichern können, sah sie doch viele Gemeinsamkeiten zwischen Swafnir und dem Unergründlichen. Einzig Menno zeigte kein Verständnis für ihren Drang nach Freiheit, der doch jedem Thorwaler - und auch so vielen Alberniern - innewohnte. Für ihren Vorschlag, den Bund noch an diesem Morgen zu schließen, hatte sie nur ungläubiges Kopfschütteln geerntet. Auch ihr Beteuern, dass es in Thorwal seit jeher so gehandhabt würde und jeder Seefahrer stets zur Familie zurückkehrte, hatte nichts bewirkt. Und so stand sie nun hier, allein inmitten der Gemeinschaft. Ihr fröstelte. Rasch zog sie den Umhang fester und trat an den Leichnam Darrens heran. "Mögen Swafnir und der Unergründliche dich auf deinem Weg leiten. Wir sehen uns in der Letzten Schlacht!"

Mit hinter dem Rücken verschränkten Händen und gebührend ernstem Gesicht blickte Bran Maraiche auf die Zeremonie draußen auf dem Wasser.  Er weinte weder diesem Junker noch einem der anderen Toten eine Träne nach, kannte er sie doch kaum. Wie Mislara immer zu sagen pflegte, gebot es der Anstand einem jeden das letzte Geleit zu gewähren, habe er einem auch noch so übel mitgespielt. Nun ja, er vergab sich nichts dabei, und wer wusste schon, ob dieses Inselvolk ihm ein Fernbleiben nicht übel nehmen würden. Nicht dass er einen Groll gegen sie hegte, war er doch sehr gastfreundlich aufgenommen worden und so mancher der Dörfler war sehr umgänglich gewesen, nur ihre Sitten und Gebräuche waren ihm seltsam vorgekommen und man konnte nie wissen, welcher Tradition oder Aberglaube einen als nächstes überraschen würde. Allein der Gedanke an den allgegenwärtigen Fusel ließ seine Mundwinkel zucken. Versonnen ließ der Werftleiter den Blick über Wellen und Wasser gleiten und eine beruhigendes Gefühl umschmeichelte seine Betrübnis. Einen Götterlauf - diese Zeit hatte man ihm gewährt, und sie kam ihm unendlich lang vor - erst dann musste er diese Gestade erneut betreten. Wenn Efferd und Phex ihm jedoch auch weiterhin gewogen blieben, dann würde er diese Klippe des Ungemachs endgültig umschiffen können und sein Leben wieder in freies Fahrwasser bringen. Ein unguter Gedanke schob sich verräterisch in seine Überlegungen: ‚Was war das doch für ein merkwürdiger Zufall’, ging es ihm durch den Kopf, als er bemerkte, dass sein Blick auf Skanjer ruhte. Jener Frau, die ihn, einen Fremden, auserwählt hatte, an den Rudern zu sitzen, als es darum ging, die Asche des ersten Toten auf dem Meer zu verstreuen. Ohne dies wären sie nie auf diese vermaledeite Insel gekommen, und sein übereifriger Onkel hätte keine Gelegenheit bekommen, in seinem Bestreben, sich ein paar Lorbeeren zu ergattern, ein ganzes Schiffe zu verschenken. Phex sei Dank hatte er, Bran, das Blatt noch wenden und einen weiteren Trumpf ins Spiel bringen können. Jendar, dieser alte Halunke, glaubte sogar noch, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, weil er die Strandpiraten für seine Unternehmungen gewinnen konnte. Fast mochte man glauben, eine höhere Macht habe eingegriffen, doch das war nun wirklich zu weit hergeholt. Ob Jendar diese Skanjer bestochen hatte, sie mitzunehmen? Zuzutrauen wäre es dem alten Flussschiffer ja.

Elgar war der letzte, der nun die Gelegenheit wahrnahm, um neben das Boot zu treten und leise Abschied von seinem Vater zu nehmen. Schließlich wandte der Geweihte sich an die Versammelten, um die rituellen Worte vor dem Wogengeleit zu sprechen: Wenn einst das Meer uns umarmt,
 Nicht freiwillig zieht es zurück seine Wogen,
 die sehnsüchtige Umarmung der unergründlichen Tiefen,
 in der die Ewigkeit verborgen liegt.  Tief unter den schäumenden Wellen liegt ein Ozean der Stille -
 Was die Strömung uns nimmt, das wird unendlich.

Vier Ruderer hatten auf den Bänken Platz genommen, während Elgar und Skanjer im Bug standen. Rasch wurde das Boot ins Wasser geschoben, und die Riemen tauchten in die Wellen ein, bis schließlich das Segel gesetzt wurde und der Wind das Boot bald auf die weite See hinausgetrieben hatte. Aus der Ferne war zu sehen, wie erst der Leichnam Darrens und dann nacheinander auch die weiteren Toten angehoben und dann ins Wasser gelegt wurden, wo sie noch einen kurzen Moment auf den Wellen trieben, um dann langsam in der unendlichen Weite des Siebenwindigen Meeres zu versinken.

Während sie dem Boot mit Elgar, Skanjer und den Toten mit den Augen folgte, zogen die Ereignisse der letzten Tage noch einmal an ihr vorüber. Eillyn merkte, dass sie nicht alles durchdrungen hatte, was um sie herum geschehen war, und dass ihr der Glaube der Menschen von Kendras Klippe noch immer fremd erschien. Sie erinnerte sich aber auch an das intensive Gespräch mit dem Geweihten des Unergründlichen, als sie gemeinsam im Boot saßen und auf die Felseninsel zufuhren. Dort hatte sie mehr gespürt als verstanden, dass dieser Glaube nichts Schlechtes war, dass weder Efferd noch Phex und all die anderen Götter erzürnt darüber waren, dass ihre Namen auf der Insel nicht fielen. Eillyn musste sich aber auch eingestehen, dass sie erleichtert war, dass sie nun bald abreisen würden. An ihrem Windmesser würde sie anderswo weiterarbeiten. Hier hatte keiner den Sinn ihrer Experimente verstanden, aber sie war sich sicher, dass das kleine Gerät, das sie auch jetzt wieder schützend in ihrer Hand trug, irgendwann seinen Zweck erfüllen würde. Yann und Gileach standen neben ihr, die Blicke in die Ferne gerichtet. Ein Glück hatten beide den Kampf überlebt! Der Kapitän der Prosperia war schwer verwundet worden, aber Gilia war hart im Nehmen und sie würden am nächsten Tag wieder in See stechen können.

Während des Wogengeleits der Gefallenen des Kampfes folgte Albrunas Blick immer wieder den Wogen der Wellen in Richtung Horizont. Vielleicht suchte sie nach etwas, was ihr Halt geben würde, denn in all den Gesichtern um sie herum stand noch das Entsetzten und das Leid der letzten Stunden und Tage. Ob nun vertraute oder noch fremde Gesichter, all ihre Schicksale waren durch die Geschehnisse dicht miteinander verwoben worden. Sei es nun Bewohner der Insel, Strandlagerer, Schiffbrüchiger oder fahrender Händler, jeder von ihnen wurde auf die eine oder andere Art vom Unergründlichen berührt. Albruna spürte sein Wirken und seine Präsenz mehr denn je zuvor. So sprach der Unergründliche in den vergangenen Tagen oft zu ihr, und auch wenn sie sich nie an die von ihr gesprochenen Worte erinnerte, wenn er nach ihrem Geist griff, so verspüre sie noch immer den Nachhall all der Dunkelheit, die diese Worte verkündeten. Eben diese Dunkelheit war es, vor der sich Albruna bisher immer gefürchtet hatte, begleitete sie sie doch all zu lange. Doch war es, für einen Außenstehenden vielleicht eine Banalität, eine Kleinigkeit, die diese Schwärze zu durchbrechen vermochte: Durch den Fund des Spiegels Albrunas Schwester wurden die verloren geglaubten Erinnerungen an sie wie ein Stück lang verschollenes Strandgut an ferne Strände ihres Bewusstseins gespült. Somit setzte der Unergründliche wohl Albrunas schwerste Prüfung fort, indem er sie, einmal mehr, in eine bodenlose Dunkelheit und Verzweiflung riss. Doch dieses Mal erlag Albrunas Geist nicht der Trauer und den Wunden der fortgerissenen Seelenhälfte, dieses Mal stärkte sie die liebvolle Erinnerung an ihre Schwester, gab ihr die Zuversicht und die Hoffnung weitere Prüfungen zu bestehen, ja dem Unergründlichen weiter folgen zu können. Und vielleicht war es diese wiedergewonnene Zuversicht, durch die sie während der Siegesfeier die freundlich zugewandten Worte Elgars ganz anders als zuvor wahrnahm.

Und so würde Albrunas Blick weiter wandern in Richtung des Unergründlichen, lesend in den Pfaden der Schicksale eines jeden anderen, nur nicht in dem ihren. Dieser würde ihr selbst immer verborgen bleiben. "Doch wo auch immer dieser Pfad hinführt, der Unergründliche wird mich leiten, und ich werde ihm bis zuletzt folgen!" Mit diesen Worten wandte Albruna ihren Blick vom Horizont ab. Es dämmerte bereits, sie musste Stunden einfach nur so da gestanden haben. Sie hatte gefunden was ihr Halt gab.

Selbstverständlich hatte sich auch Olwen, die Schäferin des Dorfes am Strand eingefunden, um der Zeremonie beizuwohnen, mit der den Toten der vergangenen Schlacht das letzte Geleit gegeben wurde. Immer noch konnte sie kaum glauben, dass sie es war, die das Muschelhorn geblasen hatte, während eine schreckliche Kreatur und die von den schwarzen Perlen Beherrschten auf sie alle losgegangen waren. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie alles passiert war, und dass es etwas mit den schwarzen Perlen zu tun gehabt hatte… Aber der Junker von Kendras Klippe hatte die schwarzen Perlen einfach nur in seine Obhut genommen und war dann ebenfalls unberechenbar auf alle losgegangen. Das war auch der Grund, warum Elgar nun seinem eigenen Vater das letzte Geleit in die Wellen und in die Arme des Unergründlichen geben musste. Hatte sie während des Ritualkreises und der Gebete zum Unergründlichen, den die Festländer Efferd genannt hatten, noch geglaubt, dass allein der Kreis und der tiefe Glaube alles zum Guten würde richten, so musste sie spätestens als Elgar selbst von hinten getroffen wurde und in den Kreis stürzte, gewahren, dass verderbte Kräfte am Werk waren. Das Muschelhorn zu blasen hatten reihum viele ausprobiert, als der Kreis gebrochen war und die Festländer alles dafür taten, die unbewaffneten Dörfler zu beschützen und die Besessenen zurückzudrängen. Wie hatte es in dem Lied geheißen? Da gab es einen Hinweis auf die Bannung der Kreatur, die mithilfe des Muschelhorns stattgefunden hatte. Sie selbst, Olwen, hatte nach irgendeiner am Boden liegenden Waffe gegriffen, gezittert am ganzen Leib, bevor sie an der Reihe war, es mit dem Muschelhorn zu versuchen. Nicht nur, dass sie es blasen konnte und dumpfe Töne heraus kamen, alsbald legte sich sogar die Aufregung in ihr, sie spürte, wie der Unergründliche ihr die Kraft gab, sie durchströmte und ihr sogar zeigte, wie es ging! Als sie wusste, wie es ging, und die Töne sogar dazu beitrugen, die schändlichen Kämpfe einzudämmen, die Kreatur zu entkräften und die Besessenheit durch die Perlen zu bannen, da sagten ihr die anderen Dorfbewohner, sie solle näher zu den Kampfplätzen gehen, die Töne weiter in alle Winkel des Kampfes tragen und sich weiter in das Kampfgetümmel vorwagen, um mit dem Ton, der nun über allem lag, die Kämpfe zu beenden. Wie erstaunt war sie erst, als die Kämpfe vorbei waren, die eklige Kreatur geschlagen und enthauptet, und die Angreifer besiegt. Mit ihrer Hilfe! Mit den Tönen des Muschelhorns! Wie erstaunt war sie, als sie danach erneut versuchte, Töne aus dem Muschelhorn zu bekommen, und es ihr nicht mehr gelang! Hatte wirklich der Unergründliche ihr geholfen? Sie hatte fest an ihn geglaubt, dass er ihnen helfen würde, dass er die Kreatur zurückschlagen und das Dorf beschützen würde. Es war aber vermutlich auch die Übung, die Olwen allein dadurch hatte, dass sie pfeifen konnte, immerhin hörten die Schafe darauf, und der Hund. Und außerdem bastelte sie ab und zu Flöten aus Weidenruten, um sich die Zeit zu vertreiben, wenn sie draußen war. Obwohl sie von allen Lob bekam und Anerkennung, und obwohl einige aus dem Dorf ihr auf die Schulter klopften, weil sie das Muschelhorn hatte blasen können, fühlte sie sich hinterher zumindest von Elgar ein wenig enttäuscht. Er hatte gesagt, dass es seine Schuld gewesen sei, dass das Untier überhaupt erscheinen konnte, aber Olwen war gar nicht der Meinung. Elgar war ein großartiger Geweihter des Unergründlichen, und Elgar hatte vorher schon das Wesen und die Macht des Unergründlichen gespürt, spätestens als er ins Wasser ging, um sich erneut den Wellen und Wogen hinzugeben, und sich quasi selbst ein zweites Mal taufen ließ. Auch die Taufe von Swafne war wunderschön! Elgar und Albruna wurden von der Allwissenheit und der Gottesgabe des Unergründlichen durchflutet, aber vermutlich war Olwen nur deshalb enttäuscht, weil Elgar - obwohl er ihr gesagt hatte, wie wichtig und gut ihr Beitrag gewesen war - nicht ihr zugeneigt war, sondern Albruna. Immerhin war Olwen nur die Muschelhornbläserin, während Albruna die Seherin war und viel mehr in Zwiesprache mit dem Gott der Wogen und Wellen stand. Dennoch, Olwen nahm sich vor, noch öfter als sonst auf ihren Inseltouren mit den Schafen an der Grotte vorbei zu ziehen und ebenfalls die Nähe des Urvaters von Wind und Wasser zu suchen, sich ins Gebet zu vertiefen und fester zu glauben als je zuvor. Und noch etwas wurde sie sich bewusst: Diese Erfahrung und dieses Gefühl in ihrem Inneren sowie die Erinnerung an diese Ereignisse und den Stolz über ihren geleisteten Beitrag, das alles konnte ihr niemand mehr nehmen!

Einige Tage später fand Olwen am Strand eine wunderschöne grün-glänzende Muschel. Und Berynn brachte einige Tage später sogar frische Muscheln… eine Delikatesse.


Dramatis personae

Aufgelistet sind alle erwähnten Charaktere.

Die Inselbewohner

  • Darren ui Beornfaire, Ritter Ritter und Junker des Seejunkertums Kendras Klippe Zu Boron gegangen
  • Elgar ui Beornsfaire, Geweihter und Sohn Darrens
  • Skanjer, Akoluthin
  • Menno Machalich, Dorfschulze
  • Swafne, Schiffszimmerfrau und ehemals Verlobte Mennos
  • Gwynna Bruadhir, Schiffszimmerfrau und Schwester der verstorbenen Strandräuberin Calluna
  • Albruna, Seherin
  • Olwen, Schäferin
  • Geala, Heilerin
  • Yann, Heiler-Gehilfe und Sohn des Strandräubers Niell

Die Strandräuber

  • Niell Engstrand, Bordarzt und Vater Yann
  • Jendar Ongswin
  • Calluna Bruadhir, Schwester Gwynnas Zu Boron gegangen
  • Andra Firunjasdottir Zu Boron gegangen
  • Arngrim Hengistson Zu Boron gegangen
  • Cullen Collen Zu Boron gegangen

Die Besucher

  • Ordhan Fidian, Zollinspektor (Tarnidentität des Piratenadmirals Barl von Hintebrück)
  • Gileach Ongswin, Taugenichts
  • Eillyn ni Merodin, Gelehrte
  • Yann ui Merodin, Eillyns Bruder
  • Gilia Efferlill Caswalan, Kapitänin
  • Bran Maraiche, Schiffsbauer und Sohn der Werftbesitzerin Mislara Maraiche
  • Jendar Maraiche, Flussschiffer und Brans Onkel