Ein richtiger Geweihter (1044) Teil 02: Familienrat

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Im Traviatempel

Wallersrain
Am nächsten Tag

Tatsächlich hatten sich pünktlich zur Praiosstunde des nächsten Tages alle Kinder der Brunnentrunks um die große Tafel versammelt. Allein Bronnafried und Bran, der Novize, fehlten. Wie Geselwen erklärte, hatte sie den jungen Glenngarriff gebeten, auf dem Schwarzfeuer-Hof zur Hand zu gehen, solange Gwyn bei ihnen weilte. Ihr Gemahl dagegen war in einen nahen Weiler gereist, um dort einen Bund zu segnen. “Hochzeiten”, hatte die Geweihte augenzwinkernd gemeint, “sind im Übrigen auch immer eine gute Gelegenheit, wenn es darum geht, dem oder der Richtigen zu begegnen.” Zu dieser Bemerkung hatte Dílleachdan ein wenig zweifelnd den Kopf geneigt. Ja, im Grundsatz mochte das stimmen, das hatte er sogar selbst schon so erlebt. Aber seine eigenen Schwierigkeiten, als Mann und als Geweihter eine passende Braut zu finden, würden sich auf einer solchen Hochzeit wohl nicht unbedingt lösen lassen.

Der große hölzerne Tisch bog sich beinahe vor lauter dampfenden Speisen, und auch die Auswahl an Getränken konnte sich sehen lassen. Als erste war die älteste Tochter des Traviapaares erschienen. Die blonde Traviynla hatte den Gast offen begrüßt, und Dílleachdan war nicht umhin gekommen zu bemerken, dass die junge Frau, die etwa in seinem Alter sein musste, mehr als ansehnlich war. Ihre jüngere Schwester Lynna hingegen war zunächst zögernd eingetreten, auch wenn auch sie den jungen Geweihten artig begrüßt hatte. Sie reichte nicht an die Schönheit ihrer Schwester heran, doch ihr Lächeln war warm und herzlich und ihre blauen Augen ähnlich strahlend wie die Traviynlas. Als letzter erschien ein junger Mann um die 20, der sich als Lynnas Zwillingsbruder Gwyn vorstellte. In der Tat hatte er einen ähnlich wilden, dunkelblonden Lockenschopf wie die schüchterne Lynna.

Rasch hatte Geselwen zu Tisch gebeten, und nachdem sie jedem der Anwesenden eingeschenkt hatte, erhob sie nun ihren Becher mit Apfelmost. “In Travias Namen begrüße ich Euch erneut aufs Herzlichste in unserem Hause, Bruder Dílleachdan. Bitte, erweist uns doch die Ehre und sprecht das Tischgebet.” Acht Augenpaare richteten sich neugierig auf den Tommeldommer Geweihten.

Dílleachdan erhob sich, segnete die Versammelten mit dem Zeichen der Gans und sagte: “Ich habe in meiner Zeit in Rommilys ein Tischgebet gelernt. Das nehme ich gern für solche Anlässe. Ich glaube, ihr werdet schnell einstimmen können.” Er hielt inne, um sich zu sammeln, holte Atem – und anstatt zu sprechen, begann er zu singen. Eine glockenklare Tenorstimme erklang, sanft und doch kräftig genug, um den Raum zu füllen. Die Melodie war eingängig, der Text nicht minder:


“Mutter Travia, Dir sei Dank
Für Gemeinschaft, Speis und Trank
Hier an Deiner Tafel, hier an Deiner Tafel …”

Geselwen war die erste, die in den Gesang einstimmte, gefolgt von ihrer Ältesten, die die volle, tiefe Stimme ihrer Mutter um einen hellen klaren Sopran ergänzte. Schließlich schlossen sich auch Gwyn und Lynna an, wenn ihr Beitrag auch deutlich weniger leidenschaftlich war als der der beiden anderen Frauen.

“Wunderbar”, schloss die Wallersrainer Tempelvorsteherin schließlich entzückt und sah der Reihe nach jedes ihrer Kinder an, ehe sie den Blick schließlich auf Dílleachdan richtete. “Ich denke, es ist ganz im Sinne der Göttin, wenn wir uns zunächst stärken, ehe wir uns den ernsten Themen zuwenden.” Verschwörerisch zwinkerte sie dem Geweihten zu, der prompt errötete. Offenbar war er nicht im Geringsten zum Verschwörer geschaffen.

Während des Essens sprach die Familie vor allem über Belange des Dorfes. Traviynla berichtete auf Nachfrage ihrer Mutter vom Befinden der Baronsgemahlin, und Gwyn gab die ein oder andere Geschichte vom Schwarzfeuer-Hof zum Besten. Lynna verhielt sich überwiegend still, was für ihre Familie offensichtlich nichts Ungewöhnliches war. Die junge Frau wurde hier und da ins Gespräch gezogen, ohne dass jemand offen Besorgnis äußerte.

Als schließlich alle bei der Nachspeise angelangt waren, strahlte Geselwen Brunnentrunk ihren Gast an. “Ich habe den Kindern bereits angekündigt, dass wir uns mit ihnen über Fragen der Eheschließung austauschen möchten. Genauer, über die Frage, wie man denn der Sache der Herrin Travia ein wenig nachhelfen könnte. Ich habe auch angemerkt, dass es Euch ein sehr persönliches Anliegen ist. Näher habe ich das jedoch nicht erläutert. Wenn Ihr da noch weitere Worte hinzufügen möchtet, nur zu. Ansonsten stellt doch Eure erste Frage einfach so, wie es Euch recht ist?”, bot sie Dílleachdan an. Dílleachdans Gesichtsröte vertiefte sich noch ein wenig mehr. Eigentlich hatte Mutter Geselwen mit diesen Andeutungen doch wohl schon alles gesagt. Nun musste er es selbst noch einmal in Worte fassen. Um sich nicht noch mehr zu verhaspeln, tischte er kurzerhand die Sätze vom Vortag wieder auf: “Ich bin 22 Götterläufe alt. Im kommenden Herbst jährt sich meine Weihe zum vierten Mal und werde ich meinen 23. Tsatag begehen. Im Jahr darauf werde ich dann vier Jahre den Schrein in Tommeldomm hüten – und wenn’s die Götter und die Menschen fügen, vielleicht gar den Grundstein für einen Tempel gelegt haben. Aber um ein richtiger Geweihter der Herdmutter zu werden, fehlt mir noch eine wichtige …”, diesmal war die Pause kürzer als gestern, “... Zutat. - Also eine Gemahlin”, beeilte er sich hinzuzufügen und sprach sogleich weiter, solange er gerade im Redefluss war. “Und unsereins hat’s da doppelt schwer. Ich suche eine Gattin, die Dílleachdan den Priester nimmt und zugleich Dílleachdan den Mann.” Nun war es heraus. Er schaute in die Runde, seine Gesichtsfarbe dem Herdfeuer nicht unähnlich.

Aus dem Augenwinkel konnte der Geweihte sehen, wie Mutter Geselwen schmunzelte. Wenn es dem Tommeldommer arg unangenehm gewesen wäre, hätte er sich trotz ihrer recht eindeutigen Worte immer noch herausreden können, etwa damit, dass es um eine Person ginge, die ihm sehr nahe stände – was nicht einmal eine Lüge gewesen wäre.. Dass er es nicht tat, sprach für ihn. Dass er gleich die Flucht nach vorn antrat und sein Anliegen vor ihrer Familie ausbreitete, hatte sie allerdings nicht erwartet, und sie konnte sehen, dass auch ihre Kinder überrascht aufsahen.

Tatsächlich war es Lynna, die als Erste die Stille brach. “Habt Dank für Euer Vertrauen, Euer Gnaden”, sagte sie leise und sah kurz zu ihren Geschwistern, die jedoch nur bestätigend nickten. “Ich kann das, was ihr sagt, gut nachfühlen”, fuhr sie daher fort. “Ich kann nicht für meine Schwester oder meinen Bruder sprechen, aber ich bin mir sicher, dass viele hier im Dorf sich hüten, uns auch nur einen Moment zu lang anzusehen, aus Angst, sich damit vor der Herdmutter schuldig zu machen. Bedenkt man, dass ich in einer Gastwirtschaft arbeite, ist das vermutlich Fluch und Segen zugleich”, setzte sie mit einem schüchternen Lächeln nach. “Ha”, platzte es aus Gwyn heraus. “Früher oder später wirst du dann wohl oder übel über deinen Schatten springen müssen und jemanden ansprechen, der dir gefällt. Oder einmal den Blick über den Tellerrand wagen. Aus welcher Familie du stammst, sieht man dir ja nun nicht an der Nasenspitze an, und Wallersrain ist nicht das einzige Dorf auf Dere.” Er grinste seine Zwillingsschwester herausfordernd an, ehe er den Blick auf Dílleachdan richtete. “Ich nehme an, es gibt wenig Momente, in denen ihr nicht als Geweihter der Herdmutter zu erkennen seid, Euer Gnaden?”

Dílleachdan dachte sichtlich angestrengt nach, aber ihm fiel tatsächlich kein solcher Moment ein. “Zu erkennen bin ich immer”, antwortete er – und setzte seine vertrauensvolle Rede fort. “Und ehrlich gesagt, ich wüsste auch gar nicht, was ich wäre, wenn man sich den Diener der Herdmutter fortdenkt. Ich bin im Tempel zu Honingen aufgewachsen, seit ich denken kann. Aber ich habe immerhin vor nicht allzu langer Zeit”, griff er einen anderen Faden aus dem gestrigen Gespräch wieder auf, “jemanden gefunden, mit dem mich nach einiger Zeit der Bekanntschaft mehr verbindet. Einen Freund, den ich als Geweihter kennengelernt habe, als er Rat bei mir suchte – aber der mich eben nicht nur als Diener der Herdmutter sieht und schätzt, sondern auch als Menschen. Erst seit ich dieses Gefühl erlebt habe, weiß ich, dass ich es auch bei einer Gattin suchen möchte.”

Gwyn nickte, doch seine Schwester Traviynla hatte bei diesen Worten die Stirn gerunzelt. “Verzeiht, Euer Gnaden”, sprach sie Dílleachdan an, “aber wie soll denn eine Gemahlin neben dem Geweihten auch den Mann in Euch erkennen, wenn Ihr selbst nicht einmal dazu in der Lage seid? Was macht den Menschen Dílleachdan aus?” Eindringlich sah sie den etwa Gleichaltrigen an.

Dílleachdan schaute sie mit großen Augen an. “Das ist eine gute Frage, und die hat mir bisher noch niemand gestellt. Nicht einmal ich mir selbst.” Er schwieg einen Moment und runzelte die Stirn. “Ich würde gern darüber nachdenken”, fuhr er dann mit einem Blick in die Runde fort. “Würde es euch etwas ausmachen, wenn ich das laut tue? Wenn ich es ausspreche, kommen die Gedanken vielleicht noch besser hervor.”

Allgemeine Zustimmung war die Antwort, und selbst Lynna lächelte den Geweihten offen und auffordernd an, als dieser nun fortfuhr: “Mein erster Gedanke war: Wer wäre ich, wenn ich nicht Geweihter wäre? Was wäre aus mir geworden? Ich habe eine klare und tragende Stimme, vielleicht hätte ich daraus eine Profession gemacht. Dann wäre ich jetzt Ausrufer in Honingen. Oder ich wäre nach einem der großen Bardenfeste – vier davon habe ich miterlebt - mit den Spielleuten fortgezogen…”

“Bei Aves, das is’ mal eine ganz andere Laufbahn”, lachte Gwyn, doch Lynna warf ihm einen mahnenden Blick zu. “Das ist gut”, ermutigte sie Dílleachdan. “Bleibt einmal bei einem dieser Bardenfeste. Welche Weise wäre es, die den Menschen Dílleachdan am besten beschreibt? Welches Lied würdet Ihr vortragen, wenn Ihr nur diese eine hättet, um Eurem Gegenüber etwas über Euch zu erzählen. Über Euer Innerstes…” Lynna war so fasziniert von dem kleinen Gedankenspiel, dass sie gar nicht mitbekam, wie ihre Mutter und ihre Schwester sie überrascht ansahen.

Dílleachdan war mindestens ebenso verblüfft von diesem Ansinnen – aber ihm schien zu gefallen, auf diesen unbekannten Pfaden eine Begleitung zu haben. Also überlegte er laut weiter: “Ein einziges Lied …natürlich soll es jetzt kein Travia-Choral sein, aber besser auch nicht so schlüpfrig wie einiges, was die Spielleute in Honingen zu Gehör brachten …” Dann breitete sich ein verschmitztes Lächeln auf seinen Zügen aus, wie man es bisher bei ihm so wohl kaum jemals gesehen hatte. “Oder vielleicht doch beides in einem? Ihr könntet es sogar kennen, Mutter Geselwen – eine Melodie, auf die man im Friedenskaiser-Yulag-Tempel in Rommilys eine Traviahymne singt … ich war sehr überrascht, als ich auf meinem Rückweg in einer Garether Schenke dieselben Töne mit einem anderen Text hörte.” Genug geredet, fast umstandslos wechselte er ins Singen. Eher ein Trällern, das aber immer noch erkennen ließ, wie schön seine Stimme klingen konnte.


Lieb’ mich nicht für mein dichtes Haar,
Denn einst, da werd’ ich kahl;
Und liebe nicht mein Aug’ so klar,
Der Glanz wird einmal fahl.

Für die zweite Strophe setzte er sich etwas aufrechter hin. Die ältere Geweihte hatte schon fröhlich summend einstimmen wollen, als sie der unbekannten Worte gewahr wurde und innehielt. Traviynla, Lynna und Gwyn sahen beinahe gleichzeitig zu ihrer Mutter, wandten, als diese keine Anstalten machte, sich einzumischen, den Kopf jedoch gleich wieder Bruder Dílleachdan zu, neugierig darauf, was nun folgen würde.

Dílleachdan ahmte nun beim Singen die Posen nach, die er bei den Garether Spielleuten gesehen hatte. Bei “Liebe nicht meinen starken Arm…” präsentierte er seinen – nicht übermäßig beeindruckenden – Oberarm mit der Geste eines Jahrmarktskämpfers, um dann fortzufahren mit “... die Kraft, sie schwindet bald”. Für die Zeile “... und lieb nicht meine Stimm’ so warm …” legte er übertriebenen Schmelz in seine Stimme, den er dann bei “... bald krächz’ ich: ‘Ich bin alt’” durch einen röchelnden Sprechgesang ersetzte.

Schließlich musste selbst Mutter Geselwen lachen. “Genug”, meinte sie dann. “Wir haben verstanden, dass Ihr in jedem Fall die Gabe besitzt, die Menschen zu unterhalten, Bruder Dílleachdan.” Enttäuscht angesichts der Unterbrechung verzog Lynna kurz den Mund, dann jedoch besann sie sich. “Und dann? Nach der Darbietung? Wie hättet Ihr das Fest weiter verbracht?”, fragte sie neugierig. Auch Dílleachdan hatte wohl nicht mit dieser Unterbrechung gerechnet und fürchtete wohl für einen kurzen Augenblick gar, den Unwillen Mutter Geselwens erregt zu haben. Vielleicht sollte er rasch noch anfügen, dass das Lied einen sehr versöhnlichen und durchaus traviagefälligen Schluss hatte? Aber dann lenkte ihn Lynnas Gedankenspiel wieder ab. Zeit für Erklärungen wäre später sicher noch genug.

“Ich glaube, da kann ich nicht aus meiner Haut”, sinnierte er mit leicht schräg gelegtem Kopf. “Aber das muss ich vielleicht auch gar nicht. Das, was ich vorhin gesagt habe, dass ich mir den Diener der Herdmutter fortdenken müsste, das stimmt ja gar nicht. Jedenfalls nicht in Bausch und Bogen.” Er nahm bedächtig einen Schluck aus seinem Becher, bevor er weitersprach: “Ich meine … die Eigenschaften, die Vater Travin einen künftigen Geweihten in mir sehen ließen, die hätte ich doch trotzdem. Also, ich hätte mitgefeiert und dabei darauf geachtet, dass alle Humpen immer ordentlich gefüllt sind, so lange das Bier nur reicht. Dass alle friedlich miteinander an der Tafel oder am Lagerfeuer sitzen. Ich hätte versucht, Streithähne rechtzeitig zu beruhigen und wahrscheinlich hätte ich den Eintopf noch gestreckt, damit alle etwas in den Bäuchen haben.”

“Ihr wäret also ein vorzüglicher Gastwirt geworden”, stellte Traviynla fest. “Meinst du nicht auch?” Die Frage war an ihre Schwester gerichtet, und als diese nicht sofort antwortete, fügte sie erklärend hinzu: “Lynna hilft in der hiesigen Herberge aus: Königin Invher.“ Die Angesprochene nickte zögernd. “Sicher, das wäre bestimmt denkbar. Wobei Lôrmach eher weniger singt. Der erzählt lieber aus dem Krieg.” Es war der jungen Frau anzuhören, dass ihr das nicht sonderlich gefiel. “Aber um mich geht es hier nicht”, versuchte sie die Aufmerksamkeit von sich abzulenken, “und auch nicht um unseren Wirt.” Lächelnd sah sie Dílleachdan an: “Wie hättet Ihr Eure Herberge genannt, Euer Gnaden? Wenn das denn Euer Weg gewesen wäre…”

“Eine eigene Herberge hätte ich mir gewiss nicht leisten können”, gab Dílleachdan zu bedenken. “Der Gedanke war doch eher, einen Trupp aus Spielleuten zu bekochen und beisammen zu halten. Und irgendwann, wenn mir das Reisen zu mühsam geworden wäre, hätte ich vielleicht irgendwo auf einem unserer vielen Wege eine Anstellung als Koch gefunden. Mag sein, dass es mich auf meine alten Tage zurück nach Honingen verschlagen hätte, hoffentlich nicht gerade in den ‘Rosstäuscher’. Und mit ganz viel Glück hätte mich eine Wirtin nicht nur als Koch, sondern auch als Mann genommen. Eine Familie hätte ich nämlich auf jeden Fall gern gehabt.”

“Soso, eine Wirtin zur Frau”, warf Gwyn ein, “hört, hört.” Er zwinkerte seiner Zwillingsschwester vielsagend zu, die prompt errötete. “Ach, du alter Esel”, schalt sie ihren Bruder zaghaft, um dann zu Dílleachdan gewandt fortzufahren: “Ich finde die Vorstellung sehr schön. Zwei Menschen, die sich einer ähnlichen Aufgabe verschrieben haben, dem Bewirten von Gästen. Das ist sicher eine harmonische Grundlage.” “Und vielleicht ist das sogar schon Teil der Antwort, die Ihr sucht, Euer Gnaden”, warf Traviynla ermutigend ein.

Dílleachdan legte die Stirn in Falten. “Es gäbe da jemanden, auf den diese Beschreibung passen könnte”, sagte er zögerlich, “aber ich glaube, sie hält nicht sehr viel von mir.” “Oh”, entfuhr es Lynna und Traviynla beinahe gleichzeitig, und auch Mutter Geselwen schien überrascht von dieser Offenbarung. Schließlich war es Gwyn, der näher nachhakte. “Euer Gnaden, wie kann man denn von Euch wenig halten? Das ist vielleicht nur ein Missverständnis. Oder hat die Dame einen triftigen Grund dafür?”

Dílleachdan zuckte mit den Schultern. “Es ist wohl das, was ich anfangs schon meinte – sie sieht mich als Geweihten und nur als Geweihten. Vielleicht sollte ich mir eine Frau eher außerhalb von Tommeldomm oder Albenau suchen, so gern ich diese Gegend auch meine neu gefundene Heimat nenne.”

“Nein, nein”, widersprach Gwyn, “gebt mal nicht so schnell auf. Wenn sie Euch gefällt, dann zeigt ihr das offen. Ändert die Art, wie sie Euch sieht!” Auffordernd sah er seine Schwestern an. “Oder nicht?” Zustimmendes Nicken war die Antwort. “Nun ja, Ihr könntet Ihr kleine Aufmerksamkeiten machen”, schlug Lynna vor. “Das Gespräch mit ihr suchen”, ergänzte Traviynla.

Dílleachdan schaute die Brunnentrunks verwirrt an. “Ich habe doch gar nicht gesagt, dass sie mir gefällt …”, erwiderte er leicht irritiert. “Ich habe sie nur erwähnt, weil sie sich dem Bewirten von Gästen verschrieben hat und im passenden Alter wäre. Bis eben gerade habe ich sie auch nur als Gläubige und als Wirtstochter gesehen und nicht als mögliche Braut.”

“Habt Ihr nicht?” Gwyn war sichtlich aus dem Konzept. “Aber warum erwähnt Ihr sie dann überhaupt?”, fuhr er beinahe vorwurfsvoll fort, so dass rasch seine ältere Schwester in die Bresche sprang: “Ihr müsst verzeihen, Euer Gnaden. Ihr sagtet bislang nur, dass Ihr nach einer Frau sucht, die in Euch auch den Mann sieht. Fragen wir doch einmal so: Was gefällt Euch denn an einer Frau?”

Dílleachdan schaute sinnierend in Richtung des Feuers, während er vor seinem inneren Auge die Frauen vorüberziehen ließ, die ihm in seinem bisherigen Leben gefallen hatten – nicht, dass das sonderlich viele gewesen wären. Was hatten sie alle gemeinsam? “Ich denke, es kommt nicht so sehr auf die Äußerlichkeiten an, da waren sie recht verschieden. Es sind mehr die Gefühle, die sie in mir auslösen. Offen und voller Vertrauen auf andere zugehen zu können, weil sie Vertrauen in sich selbst und ihre Fähigkeiten haben. Vertrauen, das sie erworben haben, weil sie in einer liebevollen und eng verbundenen Familie aufgewachsen sind. Die in sich ruhen und trotzdem beweglich sind. Die neue Wege gehen, weil sie im Herzen immer wissen, dass sie heimkehren können und willkommen sind. Und die diese Wärme auch auf mich ausbreiten. Die mich so nehmen, wie ich bin, und mir trotzdem ab und an einen sanften Stoß in eine neue, eine andere Richtung geben.” Die letzten Sätze hatte er mehr ins Herdfeuer gesprochen als zu den Anwesenden, und vielleicht hatte er ganz vergessen, dass sie zugegen waren. Erst jetzt schreckte er wieder auf, fast wie bei einem unbotmäßigen Einnicken auf der Tempelbank ertappt, und schaute zu den anderen am Tisch. Sein unsicher wandernder Blick fiel auf Lynna und kam dort zur Ruhe.